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Expertenabend an der DIU: „Fracking – Mythen und Fakten“

Würden wir spontan eine Petition gegen „Hydraulische Stimulation“ unterschreiben? Wahrscheinlich nicht – dafür klingt es viel zu harmlos. Tatsächlich aber ist das nur ein anderer Begriff für „Fracking“. Zu diesem Thema fand am 27.11.2014 im Hörsaal der DIU* eine Veranstaltung statt, bei der Experten die Methoden dieser Fördermethode erklärten und Argumente gegen bestehende Vorurteile und Ängste vorbrachten. Eingeladen waren Professor Dr. Peter Grathwohl von der Universität Tübingen und Professor Holger Weiss vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.

(* Dresden International University)

Ich hatte zu dem Thema bisher keine richtige Meinung. Einerseits ist eine deutliche Tendenz zu übertriebener Panikmache in der Öffentlichkeit und in den Medien zu sehen, andererseits hatte ich selbst Bedenken, dass unterirdische Bodenschichten durch eingeleitetes Wasser aufquellen könnten und dass durch enthaltene Chemikalien das Grundwasser beeinträchtigt werden könnte. Die Gefahr von Erdbeben durch Fracking konnte ich mir dagegen nie so richtig vorstellen.

Diese beiden Bedenken sind bei mir nun weitgehend ausgeräumt. Die Gefahr, dass eingepresstes Wasser außen entlang der eingebrachten Rohre entlangfließen und zum Beispiel weiter oben liegende Gipsschichten zum Aufquellen bringen könnte, scheint nicht zu bestehen. Dafür wurde eine ziemlich nachvollziehbare Erklärung gegeben: Die Betreiber der Förderstelle wollen aus rein ökonomischen Gründen möglichst viel von dem eingelagerten Gas gewinnen. Deshalb wird die Bohrung nach außen mehrfach mit Zement abgedichtet, so dass dort kein Gas entweichen kann. Dann kann dort aber auch kein Wasser entlang fließen.

Gefährliche Chemikalien sind in der Flüssigkeit nicht enthalten. Das hat man möglicherweise früher in den USA getan, aber in Deutschland gibt es hohe Umweltstandards, durch die das verboten ist. Und auch in den USA wurden die Auflagen erhöht. ExxonMobile hat 2014 die Bestandteile der Mixtur offengelegt und für Deutschland kann man für einzelne Standorte, an denen Fracking betrieben wird, sogar die jeweiligen Mixturen einsehen. Holger Weiss beschrieb die Mixtur so, dass lediglich 0,2% Zusätze im Wasser enthalten wären, von denen die wichtigsten organische Substanzen sind: Cholin (Cholinchlorid) und Butyldiglycol. Beide sind eher ungefährlich, Cholin wird sogar in Nahrungsmitteln und Medikamenten verwendet.

Soeben erwähnte ich „einzelne Standorte, an denen Fracking in  Deutschland betrieben wird“ – gibt es bei uns etwa doch schon Fracking? Ja, das wird auch in Deutschland bereits seit 1961 angewendet. Letztlich ist das nur ein Verfahren, die Durchlässigkeit von Gesteinsschichten mit eingepresstem Wasser zu erhöhen. Ohne diese Methode wäre Geothermie nicht anwendbar und sie wird auch bei der Brunnenregeneration angewendet.

Größere Erdgasvorkommen werden hauptsächlich in Niedersachsen, in Bayern (im Molassebecken) und im Thüringer Becken vermutet oder sind bereits dort nachgewiesen. Bei einer vorsichtigen Schätzung von nur 10% Nutzbarkeit dieser Vorräte beschrieb Peter Grathwohl die Ergiebigkeit dieser Menge so, dass Deutschland daraus für 13 Jahre seinen gesamten Energiebedarf decken könnte. Ein Anwesender im Publikum bemängelte, dass er mit Kopfrechnen bei den angezeigten Zahlen nur auf drei Jahre käme und Prof. Grathwohl räumte ein, dass er sich hier möglicherweise tatsächlich verrechnet hätte. Ich konnte das so schnell nicht nachrechnen. Nur drei Jahre klingt wenig, aber es ist auch nur eine sehr vorsichtige Schätzung und der gesamte Energiebedarf wird auch aus anderen Quellen abgedeckt. Erdgasvorkommen in Deutschland sind selbstverständlich nur eine endliche Energiequelle, könnten aber ein wichtiger Energieträger für den geplanten Übergang zu erneuerbaren Energien sein. Erdgas bleibt für uns (neben Wasserkraft und Biogas) die einzige grundlastfähige Energiequelle, wenn Atom- und Kohlekraftwerke entfallen.

In Niedersachsen stellt die Erdgasförderung längst einen wichtigen und geldbringenden Wirtschaftsfaktor dar. Dabei spricht man von „konventionellem“ Fracking, was scheinbar ungefährlicher ist als das aktuell kritisierte „unkonventionelle“ Fracking oberhalb einer Tiefe von 3000m. Diese Grenze, so Peter Grathwohl, sei aber etwas willkürlich festgelegt und es wäre eigentlich übertrieben, sich nun so exakt auf diese Grenze bei der Unterscheidung zwischen „gutem und schlechtem“ Fracking festzulegen, zumal man eher von den konkreten Höhenverläufen der Gesteinsschichten ausgehen müsse.

Interessant war auch der Vergleich des Flächenbedarfs von Fracking mit anderen Formen der Energiegewinnung. Beim heute üblichem Fracking wird nicht nur senkrecht in die Tiefe gebohrt, sondern unten bohrt man waagerecht weiter und kann so rings um das Bohrloch weitere Gebiete erschließen. Die Energiemenge, die man aus so gefördertem Erdgas unter einem Hektar Fläche (etwa ein Fußballfeld) gewinnen kann, würde bei anderen Methoden folgende Flächen erfordern:

  • Photovoltaik: 20 km2
  • Windenergie: 25 km2
  • Biogas aus Maisanbau: 400 km2

Besteht eine Gefahr durch Erdbeben? Das befürchten Kritiker aus zwei Gründen: Einerseits könnten die durch Fracking entstehenden Risse die Gesteinsschichten so weit aufreißen, dass Verwerfungen bis nach oben zur Oberfläche entstehen. Das kann man wieder aus ökonomischen Gründen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, denn die Betreiber der Anlagen haben ein Interesse, das Gas zu gewinnen. Damit es nicht in höhere Schichten entweicht, wird das Gestein nicht mit voller Kraft, sondern immer nur in einem ausreichend kleinen Bereich gesprengt. Das wirkt sich nicht auf höhere Schichten aus. Die zweite Befürchtung: Durch die entstehenden Hohlräume könnten obere Schichten nach unten abrutschen. Das dürfte deshalb ausgeschlossen sein, weil die entstehenden Hohlräume sehr klein bleiben. Außerdem bleibt durch das eingepresste Wasser der Gesamtdruck da unten praktisch erhalten. In deutschen Gebieten, wo man früher Bergwerke betrieb, kennt man den Effekt, dass die oberen Schichten der Erdkruste selbst wirklich große Aushöhlungen darunter erstaunlich stabil aushalten. Aus solchen Gegenden sind zwar immer kleinere Erdbeben bekannt, die wahrscheinlich auf unten eingestürzte Stollen zurück zu führen sind, aber diese Beben bleiben meist harmlos. Mit den winzigen Rissen durch Fracking sind die großen Bergwerksstollen aber nicht vergleichbar.

Dass die brennenden Wasserhähne aus dem leider berühmten Film „Gasland“ nichts mit Fracking zu tun haben, hatte das Magazin „Panorama“ erst im September in seiner Sendung „Angst vor Fracking“ erwähnt. Die Ursache liegt darin, dass Methan im Grund- und Trinkwasser gar nicht so ungewöhnlich ist. Fast immer stammt es aus natürlichen Quellen, wie zum Beispiel Mooren. Mit den viel tiefer liegenden Erdgas führenden Schichten hat dieses Gas nichts zu tun, was auch chemische Untersuchungen und spätere Studien bestätigten.

Ein echtes Problem sind die Stoffe, die vor allem während der Bohrung mit aus der Tiefe hoch gespült werden. Das sind unter anderem Chloride, aber auch radioaktive Stoffe. Diese Stoffe machen oben eine fachgerechte Reinigung des Wassers notwendig. Nach Möglichkeit verwendet man dieses Wasser gleich wieder und verpresst es zum Schluss wieder unten.

Dadurch ist auch der Wasserverbrauch niedriger als allgemein befürchtet. Im Internet kann man immer wieder völlig übertriebene Texte lesen, in denen angeblich nachgewiesen wird, dass komplette Landschaften wegen des dort betriebenen Frackings praktisch austrocknen. Richtig ist, dass in den USA lediglich 0,3% des Wassers für Fracking benutzt wird. Bereits Golfplätze benötigen viel mehr. Selbst im heißen Texas wird nur 1% des Wassers dafür verbraucht, den viel größeren Verbrauch hat die Landwirtschaft. (An der Stelle konnte ich nicht schnell genug mitschreiben, ich glaube, es waren ca. 50% – Angabe ohne Gewähr). Dass die Kritiken am angeblichen Austrocknen der USA durch Fracking ausgerechnet in einer Zeit der schwersten Dürre seit 56 Jahren auftauchten, sollte auch erwähnt werden.

Nach den Vorträgen konnten die Besucher Fragen stellen, es wurde auch zu Kritik ermuntert. Mehrere Besucher nutzten das auch, was jeweils kompetent beantwortet wurde. Insgesamt ist bei mir der Eindruck geblieben, dass das angewandte Verfahren, welches hinter dem gefährlich klingenden Wort „Fracking“ streckt, wohl doch harmloser ist, als allgemein befürchtet wird. Muss man nun gleich alles umsetzen, nur weil es technisch machbar ist? Nein muss man nicht. Angesichts der niedrigen Erdölpreise muss momentan ohnehin niemand Angst vor der Ausweitung von Fracking in Deutschland haben. Aber wenn wir eine Abkehr von Atom- und Kohlestrom wollen und uns von Erdgasimporten unabhängig machen wollen, dann sollten wir uns mit dieser Fördermethode auseinandersetzen. Eine Gegend, in der ein Netz von Erdgasförderstellen die Landschaft durchzieht, sieht auch deutlich weniger schlimm aus als ein Braunkohletagebau.

Peter Grathwohl erwähnte noch die „The five myths about fracking“, in denen Matt Ridley fünf Irrtümer oder falsche Behauptungen über Fracking erklärt. Hier sein Text in der deutschen Übersetzung (ja, ich halte auch nicht viel von EIKE, aber woanders habe ich die Übersetzung nicht gefunden).


Zum Thema Erdbebengefahr durch Fracking: Gunnar Ries, „Kann Fracking Erdbeben verursachen?

Salonkolumnisten, Johannes Kaufmann, 23. 03. 2022: Mythenjagd (14): Fracking ist eine Hochrisikotechnologie

Panorama, 03. 11. 2015: Angst vor Fracking

11 Comments

  1. Ich hatte mir auf der Veranstaltung auch notiert, dass es in Polen die Aktion „Fracken gegen Putin“ gäbe. Aber das passte nicht sinnvoll in den Artikel,

  2. Im „Science-Skeptical Blog“ ist der ziemlich interessante Artikel „Minimalinvasiver Bergbau“ zu dem Thema  erschienen. Kurzer Auszug:

    Trotzdem vermuten Politiker wie Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hier eine “Hochrisikotechnologie”, die man im Idealdall vollständig verbieten solle. Eine Haltung, die natürlich nicht eigener Erkenntnis entspringt, sondern schlicht als Reaktion auf anhaltende, wütende und erbitterte Proteste einiger Bürgerinitiativen zu werten ist. Denn diese seien letztendlich der Auslöser für das in Deutschland seit 2011 faktisch existierende Moratorium (…) Die großen Umweltverbände hätten das Thema anfangs als seit Jahrzehnten eingeführte, gründlich erprobte und etablierte Bergbau-Technologie überhaupt nicht auf ihrer Agenda gehabt.

  3. Ich weiß. Deshalb verlinke ich auch selten dahin. Aber dieser eine Artikel erschien mir durchaus akzeptabel und vernünftig.

  4. @Tachy (diese Antwort bezieht sich auf einen Kommentar bei einem anderen Artikel)

    Zum Thema „EIKE … Endres ist vorbelastet und schreibt eben da“

    Ja, mag sein. Wie ich inzwischen gesehen habe, wurde das Interview dort ebenfalls erwähnt. Aber sind seine Aussagen deshalb falsch? Das sollte doch das alleinige Bewertungskriterium sein. Nur weil er auch für EIKE schreibt oder dort erwähnt wird, muss doch der Inhalt nicht automatisch falsch sein. Man kann doch nicht pauschal alle Artikel ablehnen, nur weil auf der Seite auch Leute schreiben, die keinen Klimawandel bzw. keine menschlichen Einflüsse darauf sehen wollen. Dann hätte ich ja konsequenterweise einen Artikel von mir selbst löschen müssen, in dem ich die schlechte Effizienz von Windkraftanlagen ausgerechnet hatte. Zwei Jahre später kam bei EIKE ein Artikel, in dem man auf etwa dieselben Werte kam. Es kann schon passieren, dass selbst bei EIKE ab und zu etwas korrektes geschrieben wird.

    Thema „Was an der Fracking-Lösung schlecht ist, ist die Sauerei durch das Abwasser an der Oberfläche“

    Na das ist ja immerhin ein realistischerer Kritikansatz als der von den meisten Fracking-Gegnern, die über Erdbeben und Grundwasserverseuchung klagen. Angeblich kann man das Abwasser wieder aufbereiten und zum Schluss wieder nach unten verpressen, aber ich behaupte nicht, dass Fracking völlig problemlos sei. Als größtes Risiko wird von Befürwortern immerhin auch gesehen, dass oben mal ein Abwasserbehälter umkippen könnte. Aber normale Erdgasförderung geht ja auch nicht ohne Umweltschäden ab.

    Thema „Wirkungsgrad bei Power-to-Gas“

    Den können wir uns hier lange künstlich hoch und herunter rechnen. Fakt ist, dass es weltweit keine größeren Anlagen gibt, die größte in Deutschland ist gerade einmal für 250 kW ausgelegt und existiert nur für Forschungszwecke. Über einen Wirkungsgrad konnte ich nichts finden. Wir brauchen aber Anlagen, die mindestens im dreistelligen MW-Bereich arbeiten und eigentlich geht es um GW, die insgesamt geliefert werden können müssen. Bis dahin werden aber wohl noch einige Jahre vergehen und mir geht es um eine Überbrückungsmöglichkeit bis zu der Zeit, wo so etwas in der Praxis einmal verfügbar sein könnte.

  5. Der Kreis NF in Norddeutschland erwirtschaftet das 3 bis 4 fache seines Eigenbedarfs an EE Strom, Schleswig-Holstein das 1,7fache. Wenn wir das Geld, das jetzt in Fracking investiert werden soll in Power to Gas investiert hätten, würden jetzt schon real nutzbare Anlagen mit gespeicherter Windenergie wirtschaftlich laufen. Dieser Rohstoff würde zu Wasser verbrennen, während das durch Fracking gewonnene Gas den CO2 Ausstoß inkrementiert. Durch Fracking manifestiert sich allein das Beharrungsvermögen der Öl- und Gasindustrie.

  6. @chamaco: Das mag schon sein, dass man mit EE-Strom Geld erwirtschaften kann. Aber was hat das hier zu sagen? Eigentlich gar nichts. Das Problem ist doch, dass man sich mit Stromproduktion aus Wind- und PV-Anlagen nicht durchgängig selbst versorgen kann. Wind und Sonne können den Strom bekanntlich nicht dann erzeugen, wenn auch Strombedarf herrscht, sie erzeugen ihn völlig unabhängig vom Bedarf. Selbst Biogasanlagen, die man entsprechend regeln könnte, werden bedarfsunabhängig gefahren.

    Für die Zeiten mit zuwenig Wind und Sonneneinstrahlung benötigt man schnell regelbare Kraftwerke, die diese Pausen ausgleichen. AKW, mit denen das durchaus sehr gut ginge, wollen wir nicht. In modernen Kohlekraftwerken geht es auch, aber die wollen wir ja auch nicht. Wasserkraft, mit der es gut ginge, haben wir viel zu wenig. Da bleiben also nur Gaskraftwerke. Das Erdgas kaufen wir momentan teuer aus dem Ausland ein. Wir könnten das Geld aber auch im Land halten, wenn wir eigene Erdgasvorkommen nutzen würden. Aber das würde sich ja „Fracking“ nennen, woran wir alle sterben werden 😉

    Übrigens entstehen die hohen Gewinne aus „EE-Strom“ nur durch die hohen Subventionen. Vor allem Biogasanlagen könnten ohne Subventionen niemals rentabel arbeiten und kein Bauer käme ohne Subventionsanreiz jemals auf die Idee, komplette Maisernten vergammeln zu lassen, nur um mit dem entstehenden Methan einen eigenen Generator zu betreiben.

  7. Tichys Einblick, 27. Februar 2017: „Öl und Gas bleiben auf Jahrzehnte wichtigster Energieträger

    Es gab vor zwei Jahren eine Veröffentlichung der amerikanischen Umweltbehörde. Die hat fünf Jahre lang die vermeintlichen Auswirkungen von Fracking auf das Grundwasser und auf die Wassersysteme im Untergrund untersucht und hat, wenn man das Ergebnis zusammenfasst, nichts gefunden. Es gibt in den USA über zwei Millionen Bohrungen, die seit 60 Jahren gefrackt worden sind. Die Technologie ist ja auch nicht wirklich neu, sie ist in den letzten Jahren nur weiterentwickelt worden. De facto gibt es keinerlei nachweisbare Auswirkungen auf das Grundwasser, auf irgendwelche Bedürfnisse der Menschen, die auf der Oberfläche wohnen. Man kann, glaube ich, davon ausgehen, dass die amerikanische Umweltbehörde das in keinem Fall irgendwie nachlässig untersucht hat. Ganz im Gegenteil. Es wird dort sehr viel intensiver solch einem Thema nachgegangen, als das hierzulande der Fall wäre.

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