Kinderarbeit für E-Autos? Eher unwahrscheinlich.

Was ich bei der Diskussion um die Nachteile von Elektro-Autos noch nie ernst nehmen konnte, ist der Vorwurf der Kinderarbeit bei der Kobaltförderung. E-Autos haben neben einigen Vorteilen auch Nachteile, die man gut beschreiben und erklären kann. Aber der Kritikpunkt „Kinderarbeit“ ist dabei nicht ehrlich.

Warum? Es beginnt damit: Kobalt wird fast immer zusammen mit Kupfer oder Nickel gefördert und ist dabei meist nicht das Haupt-, sondern nur das Nebenprodukt [1, S.2]. Deshalb müsste man bei allen Produkten, die Kupfer und Nickel enthalten, ebenfalls kritisieren, dass bei ihrer Herstellung Kinderarbeit mit beteiligt gewesen sein könnte. Kupfer steckt in jedem elektrischen oder elektronischen Gerät. Kritisiert da jemand Kinderarbeit? Nein. Bei Produkten aus Nickel ist es genauso.

Nun wird bei solchen Argumenten jeder ganz automatisch sagen: Ja gut, aber es geht ja auch um die schlechten Produktionsbedingungen speziell in Kongo. Von dort kommt das meiste Kobalt, aber nur ein Teil des Kupfers. Aus Kongo stammen rund zwei Drittel des weltweit gewonnenen Kobalts, aber bei der Kupferförderung liegt Kongo erst auf Platz 5, aus diesem Land kommt nur knapp 6% der weltweiten Kupferförderung. Bei Nickel taucht Kongo auf der Liste der 10 wichtigsten Förderländer gar nicht erst mit auf. Insofern, so wird man nun sagen, ist es doch viel unwahrscheinlicher, dass Kinderarbeit bei kupferenthaltenden Produkten eine Rolle gespielt haben könnte.

Stimmt. Aber kann man es deshalb ausschließen? Und ab welcher Wahrscheinlichkeit wird Kinderarbeit eigentlich zum Problem? Wenn doch irgendwo ein Kind mit beteiligt war, nutzt es ihm nicht viel, dass man seinen Fall wegen zu geringer Wahrscheinlichkeit als „nicht erwähnenswert“ einstuft.

Aber gut: Bei Kobalt gibt es eine erhöhte Wahrscheinlichkeit. Etwa 60 bis 65% (*) davon kommen aus Kongo. Dort wird aber nicht sämtliches Kobalt von Kindern abgebaut. Der Großteil, 80 bis 90%, wird in ganz normalen industriell betriebenen Tagebauen abgebaut. Wie das aussieht, kann man sich in Videos des Schweizer Hauptförderers Glencore ansehen. Wer das zu einseitig findet, kann z.B. auch in diesem Video von France 24 sehen, dass da normale Tagebaue betrieben werden, in denen übliche Bergbaumaschinen nur von Erwachsenen mit Schutzausrüstung betrieben werden. Nirgends sind in diesem Tagebau Kinder zu sehen. Man sieht in dem Video anschließend aber auch die bekannten Probleme: Illegaler Abbau am Rande der Minen. Dort sieht man im Video zwar überwiegend nur Erwachsene, doch auch einen Jugendlichen. Und in solchen illegalen Minen wurden auch schon Kinder beobachtet, die von den Erwachsenen beim Abbau eingesetzt wurden.

(* je nach Quelle. Auch die anderen „von bis“-Angaben hier im Text gehen auf schwankende Quellenangaben zurück)

Doch sind solche Fälle von Kinderarbeit die Schuld der E-Auto-Hersteller? Nein, es ist zunächst die Schuld der einheimischen Erwachsenen, die die Kinder für sich arbeiten lassen. Und es ist die Schuld der bisherigen kongolesischen Regierungen, die so etwas nicht verhindert haben. Und wieso sollten eigentlich ausgerechnet die E-Auto-Hersteller verantwortlich sein? Kobalt wird nur zu etwa 40 bis 55% für Akkus verwendet. Davon machen Autobatterien aktuell etwa 5% aus (die Tendenz ist aber steigend). Nun könnte man rechnen: Nur rund 2 Drittel des Kobalts kommt aus Kongo, nur etwa 15% wird dort illegal abgebaut, überwiegend tun das Erwachsene, lediglich die Hälfte landet in Akkus, davon stecken nur 5% in Autos … und schon landet man wieder bei der Frage, ab welcher Wahrscheinlichkeit Kinderarbeit als Problem betrachtet werden muss.

Was noch dagegen spricht, dass ausgerechnet Hersteller von E-Autos die Bösen sind: Gerade große Hersteller haben am ehesten noch die Möglichkeit, die Herkunft ihrer Rohstoffe und deren Produktionsprozesse zu überwachen. Das Problem sind eher die kleinen Hersteller, die sich diesen Zusatzaufwand nicht leisten können. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kobalt aus „schlechten“ Quellen ausgerechnet in E-Autos steckt, dürfte deshalb eher gering sein. Viel höher ist sie bei den vielen Billig-Produkten, die wir verwenden: Power-Banks, möglichst billige Ersatz-Akkus für Notebooks, Kameras und Smartphones … hier kann man einfach einmal sämtliche elektronischen Geräte durchdenken, die man besitzt. Dort dürfte die Quote für mögliche Kinderarbeit viel höher sein.

Fazit: Man muss kein Fan von E-Autos sein. Wenn ich jetzt ein Auto bräuchte, käme ein E-Auto aus mehreren Gründen für mich nicht in Betracht. Es ist durchaus vertretbar, aus irgendwelchen Gründen gegen E-Autos zu sein. Aber wenn man gegen mögliche Kinderarbeit ist – dann doch bitte bei allen Produkten, die es betreffen könnte! Kinderarbeit nur selektiv gegen bestimmte Produkte ins Feld zu führen, die man aus ganz anderen Gründen schon nicht leiden kann – das ist es, was ich als unehrlich betrachte.


Quellen:

[1] Commodity TopNews 53 (2017): Kobalt aus der DR Kongo – Potenziale, Risiken und Bedeutung für den Kobaltmarkt (pdf)

[2] ZDF: Fünf Fakten zu Lithium und Kobalt

3 Comments

  1. „Eher unwahrscheinlich“?
    Das mag vom Schreibtisch in Dresden aus so scheinen.
    Hier mal eine Reportage von vor Ort:
    https://www.deutschlandfunk.de/kobaltabbau-im-kongo-der-hohe-preis-fuer-elektroautos-und.724.de.html?dram:article_id=454818
    Es gibt wohl auch niemanden, der bestreiten würde, dass Kinderarbeit – so wie allgemein Sklavenarbeit weltweit – schon jetzt ein Problem darstellt. Es dürfte aber ebenso unstrittig sein, dass es angesichts des gigantischen Bedarfs an Rohstoffen für die E-Wende noch schlimmer werden dürfte. Da geht es eher um die Dynamik.
    Im letzten „dass“ ist ein „s“ zu viel.

  2. Ich habe ja auch nicht behauptet, es gäbe keine Kinderarbeit. Der Beitrag vom DLF rückt zwar die Fälle von Kinderarbeit stärker in den Fokus, aber letztlich sagt er ähnliches aus wie ich: Das meiste Kobalt stammt aus ganz normalen Industrie-Minen und nur ein Teil des Kobalts wird für E-Autos verwendet. Mir ging es ja um die Unehrlichkeit, ausschließlich E-Autos bzw. deren Hersteller dafür zu kritisieren.

  3. Ich habe ja auch nicht behauptet, dass du das behauptet hättest.
    Aber deine Einordnung greift insgesamt dennoch etwas zu kurz, finde ich.
    Die „ganz normalen Industrie-Minen“ (Tagebau) wären hierzulande allein wegen der enormen Umweltzerstörung Anlass für gigantische Massen-Demos von Klimaschutzaktivisten. Dagegen ist doch „Hambi“ ein Sandkasten.
    Und dabei haben wir über Lithium aus Südamerika mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen noch gar nicht gesprochen.
    Ich kenne aber auch niemanden, der ausschließlich wegen Kinderarbeit etwas gegen (batteriebasierte) E-Autos hätte. Ich übrigens auch nicht.
    Es ist lediglich Teil einer längeren Argumentationskette.
    Die selektive Wahrnehmung, die du anderen in diesem Spezialthema ankreidest, sehe ich in diesem deinem Text ebenso.
    Macht aber nix. Auch du kannst ja – ausnahmsweise – mal schiefliegen. 😉

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