Dank aktueller Klage zur Waldschlösschenbrücke: Neu entdeckte Naturschutzgebietsarten (auch auf Finnisch und Kroatisch dokumentiert)

Stimmt, da war ja noch irgendein Gerichtsverfahren offen! Die Grüne Liga Sachsen hat wegen der Waldschlößchenbrücke immer noch eine Klage beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig laufen. Daran erinnerten heute Artikel unserer Lokalpresse. Was eine solche Klage gegenwärtig noch für einen Sinn haben könnte, weiß niemand. Selbst bekennende ehemalige Brückengegner schreiben in Internetkommentaren inzwischen, man solle diesen Unsinn und diese Geldverschwendung doch bitte endlich beenden. Die Brücke steht, sie wird benutzt und kein Mensch sieht noch ein Problem darin. Was auch eine Menge über unser ehemaliges Streitthema Nummer 1 aussagt.

Heute gab es eine Entscheidung zum noch laufenden Verfahren. Sogar vom Europäischen Gerichtshof. Was hat der damit zu tun, wenn es doch lediglich in Leipzig verhandelt wird? Es geht um … also es ist etwas kompliziert, aber wenn ich es richtig entschlüsselt habe, geht es darum, dass das Gebiet um die Waldschlösschenbrücke (WSB) zum Zeitpunkt der Planung noch nicht in der „Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“ enthalten war. Später beim Bau war das Gebiet aber in dieser Liste enthalten und dazu hat man am Europäischen Gerichtshof nun entschieden, dass dieser Umstand in Leipzig mit berücksichtigt werden muss. Was auch immer das nun bedeuten könnte, weiß momentan keiner. Wahrscheinlich gar nichts.

Was der berühmte Mann von der Straße zu dem Thema aber sagen würde, ist klar: Wie kann man denn fordern, dass bei einer Planung schon Dinge berücksichtigt werden müssen, die erst nach Abschluss der Planung entstehen? Das Planfeststellungsverfahren zur WSB wurde immerhin schon im Februar 2003 abgeschlossen, während die „Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“ damals noch komplett unbekannt war (Korrektur, siehe Nachtrag) und erstmals 2004 veröffentlicht wurde.

Und was soll überhaupt eine solches „Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung“ sein? Als normaler Mensch kennt man sicher Naturschutzgebiete, man hat vielleicht schon einmal bemerkt, dass es nebenher auch Landschaftsschutzgebiete gibt. Die absoluten Insider wissen, dass es auch noch Vogelschutzgebiete gibt. Erst vor einigen Jahren, als wir eifrig über die WSB diskutierten, habe ich gelernt, dass es auch noch Gebiete gibt, in denen sogenannte FFH-Richtlinien gelten (ohne dass diese Gebiete aber auch Natur- oder Landschaftsschutzgebiete sein müssen). Vogelschutzgebiete sind auch nicht einfach nur Vogelschutzgebiete, denn da gibt es Unterteilungen in richtige und faktische, sowie SPA (Special Protection Area) und IBA (Important Bird Area). Die Unterschiede können nur speziell geschulte Fachleute auseinanderhalten. Weiterhin gibt es dann auch NATURA 2000-Gebiete, was ein Netz aus unterschiedlichen Schutzgebieten ist.


Kurzer Einwurf: Wäre es nicht sinnvoll, einmal einen Reset durchzuführen, und wieder nur die alten Bezeichnungen „Naturschutzgebiet“ und „Landschaftsschutzgebiet“ zu verwenden? Dann würde ein normaler Mensch vielleicht auch wieder etwas davon bemerken, zumal er sich auch etwas drunter vorstellen könnte. Letztes Jahr erzählte ich Nachbarn, dass wir auch in einem FFH-Gebiet leben. Davon hatten selbst die anwesenden Alteingesessenen noch nie gehört und ich musste erst einmal erklären, wovon ich überhaupt rede. Aber zurück zum Thema.


Seit heute jedenfalls kenne ich dank der Grünen Liga noch eine weitere Form von Naturschutzgebieten: das „Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung“. Was das ist? Das weiß anscheinend keiner so genau. Auf englisch heißt so etwas „Site of Community Importance“. Aber selbst die englischsprachige Wikipedia, die sonst meist mehr weiß als die deutsche, kann nur wenige allgemeine Zeilen dazu anbieten. In der deutschen wird es gar nicht erst extra erwähnt. Da findet man nur beim Thema NATURA 2000 eine kurze Erwähnung. Etwas ausführlicher ist die Diskussionsseite zu diesem Wikipedia-Artikel. In dieser erfährt man:

Die Gebiete nach der FFH-Richtlinie werden nominiert, diese werden anschließend durch die Kommission (…) diskutiert und in die Liste der „Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“ („Sites of Community Importance“) aufgenommen.

Das bedeutet also, dass es sich bei den „Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung“ lediglich um bereits vorher vorhandene FFH-Gebiete handelt. Das ist nicht uninteressant, denn das einzige FFH-Gebiet, in dem die WSB liegt, ist das „Elbtal von Schöna bis Mühlberg”. Und für dieses wurde im Planfeststellungsbeschluss für die WSB durchaus eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung durchgeführt (Quelle, ab S. 44). Diese Untersuchung wurde auch für alle im weiteren Umkreis angrenzenden FFH-Gebiete durchgeführt. Mit dem bekannten Ergebnis, dass keine Probleme zu finden waren. Ich hatte dazu einmal einen Artikel angelegt, in dem ich alle potentiell in Frage kommenden Tierarten aufgelistet hatte, die theoretisch durch die Brücke hätten bedroht werden können. Fazit: Dort wird keine einzige Tierart bedroht. Es gab nie Naturschutzprobleme an der WSB.

Was sich die Grüne Liga insofern von ihrer Klage noch erhofft, kann uns egal sein. Abgesehen davon, dass die Brücke natürlich wieder abgerissen wird, das ist ja klar. Die Grüne Liga wird dann sicher klagen, falls bei den Abrissarbeiten eine Larve der Grünen Keiljungfer im ökologisch wertvollen Uferschlamm aufgeschreckt wird.


Nebenaspekt: Dass der Europäische Gerichtshof so entschieden hat, wie oben beschrieben, weiß ich nur dank DNN und SZ. Ich habe versucht, aus den Originalinformationen schlau zu werden. Ich habe es aber nicht geschafft. Hier findet man sowohl den Antrag der Grünen Liga als auch das Urteil. Wer es schafft, dieses unverständliche Juristendeutsch im Urteil zu dechiffrieren, bekommt meine Anerkennung. Ich hatte schon mit dem Verstehen des viel kürzeren Antrags meine Probleme. Witzig finde ich aber, dass man diese Texte, obwohl sie für Laien ziemlich unverständlich sind, trotzdem allen Ernstes zusätzlich verfügbar gemacht in den Sprachen Bulgarisch, Spanisch, Tschechisch, Dänisch, Deutsch, Estnisch, Griechisch, Englisch, Französisch, Kroatisch, Italienisch, Lettisch, Litauisch, Ungarisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Slowakisch, Slowenisch, Finnisch und Schwedisch. Ist doch schön, dass nun auch Finnen, Kroaten und Malteser in ihrer eigenen Sprache nicht daraus schlau werden können. Wie wäre es einmal mit einer Übersetzung in „Leichte Sprache“? Nun, wir wollen mal nicht zu viel verlangen.

Ich stelle mir den Job der Übersetzer deprimierend vor, solche völlig überflüssigen Texte penibel in alle Sprachen übersetzen zu müssen, in denen sie anschließend nie, aber auch wirklich definitiv nie einmal von jemandem gelesen werden. Muss frustrierend sein. Aber sicher auch gut bezahlt.


Presseartikel

DNN: Waldschlößchenbrücke Dresden: Gericht muss EU-Naturschutz beachten

Sächs.Z.: Der Brückenstreit geht ins Finale


Nachtrag: Anscheinend ist die Liste der „Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung“ doch nichts anderes als die Liste der Gebiete, die das Natura 2000-Netz von Schutzgebieten ausmacht, was in Sachsen wiederum die FFH-Gebiete und SPA sind. In diesem Dokument kann man die Definitionen der einzelnen Schutzgebiete und damit verwandter Begriffe nachlesen. Die FFH-Gebiete in Sachsen wurden ab 1998 ausgewiesen und an die EU gemeldet, der Abschluss der Meldungen erfolgte 2004. Um die juristische Haarspalterei in ungeahnte Höhen zu treiben, könnte die Stadt Dresden darauf verweisen, dass die Ausweisung der Natura 2000-Gebiete durch die EU erst 2011 erfolgte, also lange nach den Baubeginn der WSB.

 

15 Comments

  1. Frohlocken + Resignation

    Und so kommentieren die Welterben das Urteil:

    Die Welterben
    Insbesondere wurde durch die Luxemburger Richter bestätigt, dass die Stadt Dresden als Planungsträger der Brücke eine vollständige FFH-Verträglichkeitsprüfung hätte realisieren müssen, um Rechtssicherheit für ihr Vorhaben erlangen zu können. Weiterhin wurde deutlich gemacht, dass den wirtschaftlichen Kosten eines eventuell anstehenden Abrisses oder Umbaus der Brücke nicht die gleiche Bedeutung zukommt wie dem mit der Habitatrichtlinie verfolgten Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten.

    Das Bundesverwaltungsgericht, das bereits in einem Hinweisbeschluss deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses für die Waldschlößchenbrücke geäußert hatte, wurde durch das heutige Urteil des Gerichtshofs nachdrücklich bestätigt. Die Grüne Liga geht davon aus, dass die Bundesrichter nun über die Auslegungshinweise verfügen, um über den Fall der Waldschlößchenbrücke in voller Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Durchsetzung des Unionsrechts zu entscheiden.
    Im Namen der Grünen Liga Sachsen e.V. danken wir all denen, die uns in den letzten Jahren mit Rat und Tat unterstützt haben …

    Hervorhebungen von mir.

  2. Ja, die sind schon niedlich, die denken ernsthaft, dass ein Abriss Realität werden könnte. Aber gut zu wissen, dass dem Abriss nicht dieselbe Bedeutung zukommt wie dem Bau. Ich habe übrigens soeben der Grünen Liga folgende Anfrage gesendet:

    Sie erwähnen in Ihrem Text, dass die die Stadt Dresden als Planungsträger der Brücke eine vollständige FFH-Verträglichkeitsprüfung hätte realisieren müssen. Was unterscheidet diese „vollständige“ Prüfung ganz konkret von der damals durchgeführten?

    Mal sehen, was sie antworten.

  3. Anscheinend ist die Liste der „Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung“ doch nichts anderes als die Liste der Gebiete, die das Natura 2000-Netz von Schutzgebieten ausmacht, was in Sachsen wiederum die FFH-Gebiete und SPA sind. In diesem Dokument kann man die Definitionen der einzelnen Schutzgebiete und damit verwandter Begriffe nachlesen. Die FFH-Gebiete in Sachsen wurden ab 1998 ausgewiesen und an die EU gemeldet, der Abschluss der Meldungen erfolgte 2004. Um die juristische Haarspalterei in ungeahnte Höhen zu treiben, könnte die Stadt Dresden darauf verweisen, dass die Ausweisung der Natura 2000-Gebiete durch die EU erst 2011 erfolgte, also lange nach den Baubeginn der WSB.

  4. Mal der Reihe nach: Die Ausweisung von Schutzgebieten ist ein langwieriger Prozess mit i.d.R. mehreren Jahren Vorlaufzeit. Beim Planfestellungsbeschluss war also den zuständigen Behörden längst bekannt, dass das Gebiet auf absehbare Zeit einen entsprechenden Schutzstatus bekommen wird. Der EuGH hat nun sinngemäß entschieden, dass dieser Schutzstatus deshalb auch damals schon hätte berücksichtigt werden müssen. Was auch logisch ist, denn es soll ja nicht der Status an sich geschützt werden, sondern der Grund für den Status – und der was damals bereits vorhanden und bekannt.

    Du schreibst „Es gab nie Naturschutzprobleme an der WSB.“ Das ist schon deshalb falsch, weil eine derartige Straße aufgrund Lärm- und Schafstoffemissionen immer Naturschutzprobleme mit sich bringt. Im konkreten Fall WSB erst recht, weil die Brücke einen längeren, durchgehenden unverbauten Streifen zerschneidet. Wenn man sich in der Nähe der WSB aufhält (und Nähe ist hier bis zu einem Kilometer) merkt man das schon an der Geräuschkulisse.

    Zum Abriss: Ich bezweifel, dass es eine Abrissverfügung geben wird, vermutlich wird es auf eine Vergrößerung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen rauslaufen. Das Gericht hat aber eben erwähnt, dass auch ein Abriss bei Verletzung der zugrunde liegenden Richtlinien in Frage kommt. Aus Sicht des Rechtsstaates ist das zwingend: Wenn ein Bauprojekt illegal errichtet wurde, muss(!) ein Gericht auch den Abriss des Projektes in Erwägung ziehen, auch die Kosten für den Abriss dürfen dann keine Rolle spielen. Alles andere wäre auch unlogisch: Dann könnte jeder irgendwas bauen, er muss nur schnell genug sein, bevor ein Gericht ihm das verbietet. Insofern muss das BVerwG eben auch prüfen, ob – sofern der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig war – ein Abriss die (einzige) Lösung zur Beseitigung der Rechtswidrigkeit ist (oder ob es eben andere Lösungen gibt).

    Eingangs schreibst du noch: „da war ja noch irgendein Gerichtsverfahren offen“. M.W. ist nicht nur ein Gerichtsverfahren offen, über die Baukosten wird wohl auch noch gestritten.

  5. @ Sebastian_1972: Zitat

    Beim Planfestellungsbeschluss war also den zuständigen Behörden längst bekannt, dass das Gebiet auf absehbare Zeit einen entsprechenden Schutzstatus bekommen wird. Der EuGH hat nun sinngemäß entschieden, dass dieser Schutzstatus deshalb auch damals schon hätte berücksichtigt werden müssen.

    Genau das hat man ja damals auch getan – man hat den geplanten Schutzstatus bereits mit berücksichtigt.

    Thema Naturschutzprobleme: Die Lärm- und Schafstoffemissionen hatte man auch vorher schon beidseitig längs des Flusses durch die Straßen. Zusätzliche Naturschutzprobleme, die sich auf konkret im WSB-Bereich vorkommende Tier- oder Pflanzenarten beziehen, gibt es aber nicht. Welche Arten sollte das denn betreffen?

    Ob wegen der Baukosten noch ein Gerichtsverfahren offen ist, weiß ich nicht. Ich dachte, das sei inzwischen durch – da bin ich mir aber nicht sicher. Doch das wäre auch ein ganz anderes Thema, weil es auf konkrete Ansprüche von Firmen zurück ginge. Das hätte einen nachvollziehbaren Hintergrund, was man aber zur hier beschriebenen Klage nicht sagen kann.

  6. Ich bin ja nun wirklich kein Fan der WSB und noch nicht mal Autofahrer, sondern Radfahrer und Jahreskarteninhaber – aber Sebastians Argumente zum Eingriff in die Natur sind m. E. nicht stichhaltig.

    Zum Lärm: In dieser Gegend gibt es schon immer das Käthe-Kollwitz-Ufer mit der entsprechenden Lärmemission. In dieser Gegend ist keine unberührte Natur, sondern eine bebaute Kulturlandschaft. Die Brücke wie auch das Regenwasserpumpwerk und der Landeplatz für Rettungshubschrauber sind einfach Bauten, die uns als Dresdnern dienen – auch wenn das die Natur nicht so vorgesehen hat. Polemisch gesagt: Der Bau des nahegelegenen Krankenhauses war zweifellos ein Eingriff in die Natur – wollen wir darauf verzichten?

    Ich fahre sicher 10 bis 15 Mal im Monat auf dem Elberadweg auf die Brücke zu und von der Brücke weg. Dabei herrschen unterschiedliche Windverhältnisse. Den Verkehrslärm der Brücke in einem Kilometer Entfernung als tatsächlichen Lärm wahrzunehmen halte ich für ausgeschlossen. Und ja: ich habe gute Ohren …

  7. Seit wann ist das Elbtal in Dresden denn FFH-Gebiet. In den Karten von 2010 ist das Gebiet nach wie vor ausgegliedert

  8. Ausgliederung oder Verträglichkeit

    Peter Hanass :
    Seit wann ist das Elbtal in Dresden denn FFH-Gebiet. In den Karten von 2010 ist das Gebiet nach wie vor ausgegliedert

    Im Blog einer GroßKanzlei liest man zu WSB und FFH-Gebiet pauschal :

    Die Dresdner Waldschlösschenbrücke wurde zu einem Zeitpunkt geplant und planfestgestellt, als das umliegende Elbtal noch nicht als FFH-Gebiet eingestuft war. Mit dem Bau wurde jedoch erst nach Ausweisung des FFH-Gebiets „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg“ begonnen. Die Brücke ist mittlerweile fertiggestellt.

    Ausführlicher ist der Planfeststellungsbeschluss zur WSB von 2004, Punkt 15 :

    15. FFH-Verträglichkeitsprüfung
    Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 30.April 1998 und mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. März 2002 hat die Bundesrepublik Deutschland die rechtlichen Grundlagen zum Aufbau und zum Schutz des kohärenten Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000” entsprechend der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (sog. Flora-
    Fauna-Habitat-Richtlinie oder kurz FFH-Richtlinie) … geschaffen.
    Nach § 34 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebietes zu überprüfen. Ein Projekt, das zu erheblichen
    Beeinträchtigungen eines der genannten Gebiete in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist unzulässig.
    Das planfestgestellte Vorhaben liegt im FFH-Gebiet „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg” (landesinterne Meldenummer 34 E…
    (Genau genommen kann derzeit nur von „potenziellen“ FFH-Gebieten gesprochen werden. Die genannten Gebiete mit den Nummern 34 E, 33 E, 189 und 161 gehören zur sog. 2. Meldetranche des Freistaates Sachsen an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Weiterleitung an die EUKommission.
    Eine abschließende Feststellung der EU-Kommission ist bisher nicht erfolgt. Für die „potenziellen“ FFH-Gebiete gelten aber die gleichen Schutzvorschriften wie für die festgestellten FFH-Gebiete.)

    Über eine Ausgliederung, die WSB-Gegner sprachen von nachträglicher Herausnahme, habe ich nichts gefunden. Es ging, wie in der Planfeststellung geschrieben steht, um die Verträglichkeit.
    Aber ich lasse mich auch gern eines Besseren belehren.

  9. Als FFH-Gebiet wurde 2004 Schöna – Mühlberg mit Ausklammerung vom Stadtgebiet Dresden zwischen östlich Blaues Wunder bis westlich Marienbrücke gemeldet. In den Karten von 2010 ist das Gebiet noch ausgeklammert 2015 nicht mehr. Aus den mir zugänglichen Quellen ist offensichtlich 2010 die Nachmeldung erfolgt. Ein richtiger Grund der vorherigen Ausklammerung ist nie genannt wurden und insgesamt auch nicht nachvollziehbar.

  10. Ja, diese kleine Lücke gibt es. Aber die ist nicht Thema der aktuellen Klage. Das FFH-Gebiet ist ansonsten trotzdem als solches ausgewiesen. Und die Auflagen, die für solche Gebiete gelten, wurden für das Planfeststellungsverfahren der WSB mit berücksichtigt.

  11. Urteil zur WSB : Alle sind Sieger
    oder
    der Irrsinn geht weiter
    bis zur
    ultima ratio eines Richters : Abriß
    Am vergangenen Freitag wurde am Bundesverwaltungsgericht zu Leipzig das Urteil zum WSB-Streit mündlich verkündet, nachdem die Klägerin Grüne Liga einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich abgelehnt hatte.

    Focus :
    Während der Verhandlung wurde noch einmal deutlich, wie unversöhnlich sich die gegnerischen Seiten gegenüberstehen. Richter Bier hatte zu Beginn angeregt, Kläger und Beklagte könnten sich auf einen Vergleich einigen: „Die Brücke steht, der Verkehr fließt. Wäre es da nicht an der Zeit, sich gütlich zu einigen?“
    Ansonsten müsse noch viel Steuergeld in die Hand genommen werden, um das Verfahren abzuschließen. Bier fragte zudem, ob es nicht besser sei, das Geld fließe in den Naturschutz.
    Der Prozessbevollmächtigte der Grünen Liga wies das Ansinnen jedoch zurück. „Mein Mandant hat schlechte Erfahrungen mit der öffentlichen Hand bei Vergleichen gemacht und wünscht eine Entscheidung des Gerichts“, erklärte Rechtsanwalt Martin Gellermann.

    Die Unversöhnlichkeit lag eindeutig bei der Grünen Liga und die schlechten Erfahrungen bezogen sich wohl auf den Fakt, daß die öffentliche Hand in so einem Fall die Fahrtkosten nicht erstattet. Konsequenter Weise hatte die Klägerin Grüne Liga Sachsen niemanden geschickt, als der 9. Senat sein Urteil zur Waldschlößchenbrücke verkündete. Steuergelder sind denen offensichtlich egal.
    Das Ereignis fand ein breites Medien-Echo. Je nach Einstellung zum Fall wurde getitelt von
    Waldschlösschenbrücke: Klage um umstrittenen Dresdner Bau abgeschmettert (Handelsblatt) bis
    Urteil – Bau der Waldschlößchenbrücke war regelwidrig (Süddeutsche).
    Grob wahrheitswidrig schrieb die Prantl-Prawda

    Eine FFH-Prüfung, wie sie nach EU-Recht vorgenommen werden muss, hatten die Planer nie veranlasst, da der entsprechende Abschnitt des Elbtals zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses im Februar 2004 noch gar kein bei der EU gemeldetes FFH-Schutzgebiet war. Als solches wurde es erst im Dezember 2004 in die Liste aufgenommen.

    Im Planfeststellungsbeschluss zur WSB von 2004 kommt das Kürzel FFH 59mal vor und das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsprüfung wird auf 10Seiten dargelegt.
    Die DNN titelt zwiespältig
    Waldschlößchenbrücke: Grüne Liga siegt, Freistaat fühlt sich als Gewinner und schreibt u.a.:

    … Der Planfeststellungsbeschluss für den Bau der Brücke aus dem Jahr 2004 mit vier späteren Änderungen und Ergänzungen ist rechtswidrig. … „Der Planfeststellungsbeschluss verstößt gegen Europäisches Naturschutzrecht“, so der Vorsitzende. …
    Der Senat hob den Planfeststellungsbeschluss aber nicht auf. … Das heißt: Die Waldschlößchenbrücke kann weiter ohne Einschränkungen genutzt werden. „Wie es bis zum Abschluss des Verfahrens weitergeht, war nicht Gegenstand unseres Verfahrens“, erklärte der Vorsitzende.
    Das Verfahren geht in der Tat weiter, weil der Freistaat Sachsen nun ein ergänzendes Verfahren durchführen muss, um die Mängel der Planfeststellung zu beheben. Eine Fauna-Flora-Habitat-Verträglichkeitsprüfung und eine artenschutzrechtliche Prüfung sind aus Sicht des Senats angezeigt. Erhoben werden soll dabei der jetzige Zustand. Diese Daten müssten mit den Werten vor dem Brückenbau verglichen werden, forderte der Senat.

    Weiter

    Mehrfach betonte der Senat, dass der Freistaat Sachsen keine willkürlichen Verstöße begangen habe, sondern sich mit der Planfeststellung auf dem Boden der 2004 geltenden Gesetze bewegte.

    Aber

    In den zwölf Jahren, die das Verfahren jetzt hinter sich hat, habe sich die Rechtsprechung geändert. Die Anforderungen an Verträglichkeitsprüfungen seien gestiegen.

    Fazit :
    – Die Planfeststellung in 2004 war rechtmäßig aber
    – die Anforderungen an Verträglichkeitsprüfungen sind gestiegen und deshalb
    – muß neu geprüft werden:

    Falls es zu einer gravierenden Verschlechterung gekommen sein sollte, müsste das öffentliche Interesse am Weiterbetrieb der Brücke gegen die Belange von Natur- und Umweltschutz abgewogen werden. Dann sollte auch noch einmal ein Vergleich zwischen der Brücke und einem Tunnel angestellt werden. „Aber immer unter der Maßgabe, dass die Brücke steht und in Betrieb ist“, so Bier, „ein Abriss würde nur als ultima ratio in Betracht kommen.“

    Mit anderen Worten : Alles ist möglich !
    Der Verantwortliche bei der Ladi ist zuversichtlich :

    Uwe Dewald, Abteilungsleiter Planfeststellung bei der Landesdirektion Dresden, kündigte gegenüber den DNN an, noch in diesem Jahr einen überarbeiteten Planfeststellungsbeschluss vorlegen zu wollen. „Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen.“ Die Daten würden vorliegen, es gebe ein ständiges Monitoring an der Waldschlößchenbrücke. … „Einen Abriss der Brücke halte ich für ausgeschlossen …

    Abgesehen von der Frage ob solch ein ständiges Monitoring prophylaktisch an der WSB betrieben wird (die Autobahn nach Prag wurde auch durch einen Bürgerentscheid gegen die Grünen durchgesetzt) und was es kostet, sollte Herr Dewald vorsichtig sein: Seit 2004 sind 12 Jahre vergangen und es könnten Arten eingewandert sein welche den gestiegenen Anforderungen der Verträglichkeitsprüfungen genügen könnten.
    Richter Bier brachte ja auch den Tunnel noch mal in´s Spiel :

    Dann sollte auch noch einmal ein Vergleich zwischen der Brücke und einem Tunnel angestellt werden.

    Da gab es vor Jahren einen anderen Richter, der äußerte sich nach einer abgeschmetterten Klage eines Bürgerbegehrens für den Tunnel:

    MZ vom 16.06.2008 : „Da sieht man mal die Unbedarftheit.“ Hans-Joachim Brauns, von Hause aus Richter am Dresdner Landgericht, kann seinen Ärger kaum verbergen. „Es gab ja ein Votum“, sagt der Mann von der Bürgerinitiative, die „Pro Waldschlösschen-Brücke“ heißt. Immerhin, so der Jurist, hätten 2005 knapp 68 Prozent der Beteiligten für die Brücke votiert. „Eindeutiger geht es kaum.“ Und dass die Tunnelvariante nicht zur Wahl stand? Brauns kann sich nur wundern. „Ein Blick ins Gesetz sagt, dass Abstimmungen mit Ja oder Nein zu beantworten sind.“ Eine Vorgabe von Varianten – Brücke oder Tunnel – würde damit ausscheiden.
    Vor allem aber führt Brauns ins Feld, dass für die Tunnelvariante keinerlei fertige Planung vorliege. Die Kosten würden um ein Vielfaches höher als bislang geschätzt ausfallen, ob der Bund sich an den Mehrausgaben beteilige, sei völlig offen. So ist es für den Dresdner folgerichtig, dass das örtliche Regierungspräsidium ein neues Bürgerbegehren gerade für unzulässig erklärt hat. „Nach zwölf Jahren Diskussion müssen wir mal zum Ende kommen“, sagt er resolut und gibt sich sicher, dass der Welterbetitel auch Bestand hat, wenn der inzwischen begonnene Brückenbau abgeschlossen ist.

    Was den Welterbetitel betrifft waren die Folgen der Intervention eines Dresdner Zahnarztes und eines amerikanischen Nobelpreisträgers nicht vorauszusehen. Aber diese Geschichte sollte ruhen.
    Im DNN–Beitrag sehe ich einige Ungereimtheiten – warten wir das schriftliche Urteil ab.

  12. Mich würde ja mal interessieren, was man denn nun noch einmal anders auf FFH-Verträglichkeit prüfen will als man es bereits getan hat. Schade, dass ich gerade im Urlaub bin und nur das Handy mit habe, worauf sich längere Texte schlecht tippen lassen. Ansonsten hätte ich wahrscheinlich schon eine Anfrage geschrieben.

    Dass die öffentliche Hand Fahrtkosten für die Grüne Liga so schlecht erstattet, wäre auch mal einen anprangernden Artikel wert

  13. Frank : Dass die öffentliche Hand Fahrtkosten für die Grüne Liga so schlecht erstattet, wäre auch mal einen anprangernden Artikel wert.

    Daß mit den Fahrtkosten war Polemik meinerseits.
    Das Fernbleiben zeigt aber die Geisteshaltung dieser Leute : Eine große Welle machen und dann nicht mal Gesicht zeigen.
    Interessant zu wissen wäre welche Kosten tatsächlich an der Grünen Liga hängen bleiben. In einem Urteil zur Planfeststellung WSB wurde mal ein Streitwert von 30.000 € ausgewiesen. Laut Prozesskostenrechner fallen dann Summen im oberen 4stelligen Bereich an.
    Schon deshalb ist die Schriftform des Urteils interessant.

  14. Ach so – und ich dachte schon, dass das mit den Fahrtkosten stimmt. Ich hatte mich allerdings gewundert, warum ein Kläger vom Angeklagten solche Kosten fordern kann, obwohl das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.

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