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Schmalspur-Antikapitalismus: „Wir haben es satt!“

In Berlin waren heute Demonstranten unterwegs, die irgendetwas satt haben. Ganz (un)konkret haben sie „die Agrarindustrie“ satt und fordern

den Stopp der industriellen Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion und eine Förderung bäuerlicher Betriebe!

Weiterhin kann man auf der Website von „Wir haben es satt!“ lesen:

Wird unser Essen zukünftig noch von Bäuerinnen und Bauern erzeugt oder von Agrarkonzernen, die auf Agrogentechnik und Tierfabriken setzen und zu Dumpingpreisen für den Weltmarkt produzieren? Wir fordern einen anderen Weg! Wir wollen ökologisch hochwertige und gesunde Lebensmittel von Bauernhöfen mit fairen Preisen und Marktbedingungen weltweit!

Wenn man nur kurz darüber nachdenkt, ergeben sich hierzu alle möglichen Fragen. Zum Beispiel, was denn diese „Agrarindustrie“ eigentlich sein soll? Produziert nicht jeder Landwirt heute mit modernen „Agrarindustrie“-Methoden? Was ist daran falsch? Wie grenzt man die anscheinend schlechte „Agrarindustrie“ von „bäuerlichen Betrieben“ ab? Geht es um die Größe der bewirtschafteten Fläche? Um die gehaltene Tiermenge? Wo zieht man die Grenze zwischen klein und groß? Und warum eigentlich? Wieso sollte „klein“ gleich „gut“ sein? Die ehemaligen LPGs der DDR, die nach 1989 in Genossenschaften umgewandelt wurden, haben sich eigentlich als Erfolgsmodell gezeigt – sollen wir die nun etwa wieder abschaffen? Und sollte man dazu nicht erst einmal die dort Arbeitenden nach ihrer Meinung fragen?

Aber egal, stellen wir uns einfach vor, man würde das so umsetzen: Wir führen einen Reset in der Landwirtschaft durch, bei der alle großen Bauernhöfe, alle Genossenschaften und GmbHs aufgelöst werden – egal, ob das rechtlich überhaupt machbar wäre – und lassen anschließend nur noch kleinbäuerliche Strukturen zu. Was würde dann passieren?

Dann würden diese kleinen Produzenten unter denselben ökonomischen Bedingungen weiterarbeiten müssen, wie vorher. Also unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Das bedeutet, dass sie weiterhin im Preiskampf gegeneinander stünden. Manche Produzenten würden aus unterschiedlichen Gründen aufgeben und ihre Flächen oder Ställe würden andere kaufen. Es würden also spätestens dadurch wieder größere und kleinere Produzenten entstehen. Bei größeren Produzenten würde sich schnell der Effekt positiv bemerkbar machen, dass sich Investitionen für Maschinen und Automatisierung bei großen Flächen oder Tiermengen besser rentieren als bei kleinen. Die Großen hätten also bald wieder dieselben Produktionsvorteile wie vorher. Nicht ohne Grund ist dieser allgemeine Effekt in der Wirtschaft zu beobachten, dass wenige große Produzenten effektiver sind als viele kleine.

Was hätte man also gewonnen? Gar nichts. Wie könnte man das verhindern? Das ginge nur, wenn man die ökonomische Grundlage ändert, also die Marktwirtschaft oder anders gesagt, den Kapitalismus abschafft. Und darum geht es bei der Demo ja letztlich auch: Um Kapitalismuskritik.

Damit hätte ich auch gar kein Problem. Warum sollte man nicht über Alternativen zum Kapitalismus nachdenken? Das mache ich selbst auch gelegentlich. Allerdings gebe ich zu, dass mir noch keine Lösung eingefallen ist, die mir wirklich schlüssig erscheint. Stattdessen muss ich auch zugeben, dass der Kapitalismus ohne ständige 5-Jahres-Pläne einfach so vor sich hin funktioniert. Und er ist eindeutig die Gesellschaftordnung mit dem besseren Hosensortiment (es kann sein, dass dieser Gedanke von Woody Allen stammt).

Aber was ich immer ziemlich geistlos finde, ist dieser Schmalspur-Antikapitalismus wie heute in Berlin, bei dem die Protestierenden nur gegen ausgewählte einzelne Wirtschaftsbereiche oder manchmal sogar nur gegen einzelne Firmen sind. Damit hat man zwar leicht überschaubare Feindbilder, aber man ist nie gezwungen, sich wirklich über grundlegende Mechanismen Gedanken zu machen. Endgültig lächerlich wird es, wenn die Teilnehmer solcher Demonstrationen von der Regierung fordern, den Kapitalismus abzuschaffen. Ob es heute in Berlin solche Plakate gab, weiß ich nicht, aber bei ähnlichen Demos sieht man solche Forderungen immer wieder einmal. Ja, soll Frau Merkel das machen? Erwartet man ernsthaft, dass ausgerechnet die CDU eine Alternative zum Kapitalismus ausarbeiten wird? Nein, diese Lösung muss man schon selbst mitbringen. Sobald jemand einen brauchbar erscheinenden Vorschlag dazu erarbeitet, der ohne Mauern und Gulags auskommt, können wir gern darüber reden. Aber wer nur solche undurchdachten Forderungen stellt, größere Betriebe in einem einzelnen Wirtschaftsbereich zu verhindern, der sollte nicht erwarten, dass man ihn ernst nimmt.


Ich hatte eingangs geschrieben, es ergäben sich alle möglichen Fragen zu den gestellten Forderungen. Damit der Artikel nicht so ausufert, nehme ich hier nur einen Satz:

Wir wollen ökologisch hochwertige und gesunde Lebensmittel von Bauernhöfen mit fairen Preisen und Marktbedingungen weltweit!

Es ist irgendwie unlogisch, sich erst antikapitalistisch zu geben und gegen Großunternehmen zu sein, dann aber wieder Marktbedingungen zu fordern. Diese führen unter anderem zwangsläufig dazu, dass größere Produzenten kleinere schlucken. Was also will man denn nun?

Was sagt uns „Marktbedingungen weltweit“? Soll der deutsche Biobauer in direkter Konkurrenz zum indischen Bauern bestehen können? Muss er genauso billig verkaufen können? Oder soll der Inder so teuer sein wie der Deutsche? Wie sollen sich die anderen Inder dann noch einheimische Produkte leisten können? Oder geht es um die deutschen Landwirtsschaftssubventionen, die angeblich afrikanischen Bauern die Preise unterbieten? Das wird auch durch amerikanische Exporte nach Afrika getan – ganz ohne amerikanische Subventionen. Dass afrikanische Kleinbauern da nicht mithalten können, liegt gerade an ihrer uneffektiven kleinbäuerlichen Produktionsweise. Schön, dass die nun auch wieder in Deutschland gefordert wird. Die Subventionen in Deutschland dienten eigentlich immer nur genau dazu, dass deutsche Landwirtschafts-Produkte weltmarktfähig bleiben. Ob man sie inzwischen abschaffen kann, wäre allerdings eine berechtigte Frage.

Im selben Satz „faire Preise“ und „Marktbedingungen“ zu verlangen, ist ein Widerspruch in sich. Entweder man will Marktbedingungen, dann bedeutet das Preiskampf, da setzt sich der billigste Anbieter durch, oder man setzt „faire Preise“ durch, dann kommt ein Instrument zum Einsatz, was den freien Markt reguliert. Subventionen, Zölle, Produktionsmengenbegrenzungen, was auch immer.

Und was soll „ökologisch hochwertig“ sein? Ökologie ist die Teildisziplin der Biologie, welche die Beziehungen der Lebewesen untereinander und mit ihrer unbelebten Umwelt erforscht. Was hat das mit dem Wert von Nahrungsmitteln zu tun? Selbst wenn man vereinfacht „ökologisch hochwertig“ mit „hohe Artenvielfalt“ gleichsetzt: Denken die „Wir haben es satt“-Demonstranten, Bio-Bauern hätten das primäre Interesse, dass auf ihren Feldern eine hohe Artenvielfalt in Form vieler Blumen, großer Vogelschaaren oder ständiger Reh- und Wildscheinherden zu sehen sei? Nein, auch der Bio-Bauer muss das ökonomische Interesse haben, das dort möglichst viele Nutzpflanzen überleben. Wildschweine im Kartoffelfeld stören auch den Bio-Bauern.

„Gesunde Lebensmittel“ – denken die Demonstranten ernsthaft, unsere Lebensmittel wären ungesund? Vermuten sie, dass Produzenten konventioneller Lebensmittel ihre eigenen Kunden umbringen wollen? Ein solches Geschäftsmodell klingt nicht sehr durchdacht. Unsere Lebensmittel sind nicht ungesund – egal, ob „Bio“ oder „konventionell“. In Deutschland und anderen Ländern sorgen Lebensmittelschutzgesetze für hohe Standards bei unseren Lebensmitteln.

Man könnte hier noch weiter kritisieren und z.B. fragen, was „Agrogentechnik“ sein, aber ich verweise hier nur auf die im Anhang erwähnten Artikel, die noch weitere Gedanken und Informationen zu diesen Themen enthalten.


Gegenaktion: „Wir machen Euch satt!“

Blog „Denkwürdigkeiten“: Grüne Woche diffamieren!

Ein früherer Artikel von mir zum Thema „Schmalspur-Antikapitalismus“

21 Comments

  1. Danke, Frank.

    Das schönste Plakat , das ich gefunden habe, war handgemal, und es stand

    ICH BIN SO SATT; ICH MAG KEIN BLAT drauf, zusammen mit einem gemalten Schaf.

    Das ist dann schon schwer entfremdet, wenn man ein Schaf nicht von einer Ziege unterscheiden kann, und zudem noch mit einem bekannterweise verlogenen Vieh demonstriert, welches einem Vater seine Söhne aus dem Haus jagt.

    Das „Tischlein Deck Dich“ aus diesem Märchen fanden die Teilnehmer der WHES aber wohl alle machbar, davon leben sie….

    LG Brigitta

  2. An solchen Plakaten sieht man immerhin, dass sich auch wirklich nur Fachmänn*innen an der Demo beteiligen 😉

  3. Es geht weder um einen Reset, noch um normale Betriebe, es geht um große (!) Mastanlagen und um eine Entkoppelung von Land vom Menschen durch einen finanziellen Ansatz, der Konzerngesteuert ist. (Bin kein Redner, kann sicher wer eloquenter erklären)
    Die Demo kenne ich quasi vom ersten Moment an, die letzten Jahre war ich dann nicht mehr da – evtl. sind die Verschwörungstheoretiker mehr geworden, das wäre schade, die normalen Verbraucher aber, die dem Protest zustimmen sind exakt auf der Seite derer, die auf der WMES Demo plötzlich auf anderer Seite (?) stehen. Ich fände es schön, da keine Gräben aufzuziehen und gegen bestimmte Gruppen zu wettern, sondern zu sehen, dass hier eine Bewegung für die -nenn ich es eben unromantische, normale Landwirtschaft – entstanden ist, die von vielen getragen wird! Das ist doch wunderbar. Ich finde, wenn man ganz genau hinhorcht und sieht findet man immer, was einem nicht gefällt, va. wenn es um Meinungen einzelner in großen Mengen geht, der Protest ist aber meiner Auffassung nach im Großen und Ganzen genau für alle Bauern und Höfe, die ich so kenne, da sind auch Schweinemastbetriebe dabei – normale Höfe eben mit allen Vor- und Nachteilen. Ich finde es sozusagen furchtbar, dass diese Demo sich so gewandelt haben soll, dass jetzt diejenigen, die in Schutz genommen bzw. gestärkt werden sollten (hier bitte keine Wortklauberei) sich auf den Schlips getreten fühlen. Das Miteinander Reden ist, wie auf der WMES Demo bemerkt, tatsächlich das Wichtige. Vielleicht können nächstes Mal einige etwas auf der WHES Bühne sagen. (Bin eh immer fasziniert, wie so viele Landwirte Zeit haben, auf die Demo zu zuckeln, sei es die eine oder die andere). Ich finde, WMES gehört zu WHES. Falls sich das geändert hat ist was schief gelaufen, und das ist schlecht.

    PS: Ich bin kein Veganer. Ich habe mir auch schon den Mund fusselig geredet. Ich ignoriere diese Gruppe nun, und es geht mir super und ich kann mich auf anderes konzentrieren. Fleisch esse ich trotzdem nur regional und sehr wenig, und ja, ich stehe auf Naturschutz und Umweltkram, aber mehr im selber Machen.

  4. @ Susanne Günther: Ja, das ist auch ein schönes Transparent. Vor allem, wenn „bio-vegan“ als Alternative angegeben wird 🙂

  5. @ ich esse gerne: Dass beide Seiten, also WMES und WHES miteinander reden sollten, sehe ich auch so. Aber genau das scheint die WMES-Seite ja zu wollen.

  6. Flüchtlinge vor der Haustür, Selbstmorde wegen unmenschlichen Arbeitsbedingungen, vergiftete Meere, und du behauptest wirklich, dass Kapitalismus funktioniert? Das ist nicht nur ignorant, sondern auch hochgradig egoistisch. Schäm dich!

    Und dann auch noch den Leuten das Wort im Mund rumdrehen. Lies nochmal den Satz: Wir wollen ökologisch hochwertige und gesunde Lebensmittel von Bauernhöfen mit fairen Preisen und Marktbedingungen weltweit! Ist es so schwer, darauf zu kommen, dass es sich hier möglicherweise um eine Aufzählung handelt, und das Wort fair als Attribut für sowohl die Preise als auch die Marktbedingungen gültig ist?

    Wie so viele deiner Artikel halte ich diesen mal wieder für einen, den du auch mit einem Satz hättest zusammenfassen können: Mit diesem linksgrünversifften Gesindel habe ich nichts zu tun. Kann man als Meinung gelten lassen, aber Reflexion ist was anderes.

  7. Lieber McNesium, oder sollte ich besser MacGeifer sagen?, ich habe nicht geschrieben, dass mir die Auswirkungen des Kapitalismus gefallen. Ich habe nur geschrieben, dass er von sich aus funktioniert. Wenn ich schlechte Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung so toll fände (die es aber auch in der DDR und allgemein im Ostblock gab), dann würde ich ja kaum schreiben, dass ich auch selbst gelegentlich über Alternativen zum Kapitalismus nachdenke.

    Und fast schon niedlich finde ich, dass mir hier die Meinung unterstellt wird, mit „linksgrünversifftem Gesindel“ wolle ich nichts zu tun haben. Bei den kürzlichen Pegida-Themen hier im Blog wurde mir von Pegida-Anhängern umgekehrt vorgeworfen, ich befände mich genau auf dieser „linksgrünversifften“ Seite.

    Inwiefern habe ich denn im zitierten Satz etwas verdreht? Ich habe nur aufgezählt, was daran alles Blödsinn ist. Was ist denn z.B. ein „ökologisch hochwertiges“ Nahrungsmittel? Oder noch einfacher: Was ist „ökologisch“?

  8. Zunächst Gratulation zum gelungenen MacGeifer-Wortspiel. Was den Kapitalismus angeht, haben wir offenbar verschiedene Ansichten über die Bedeutung von „funktionieren“. Du meinst wahrscheinlich „dahinsiechen“, obwohl das ja auch nicht stimmt, denn wenn man der aktuellen Oxfam-Studie glauben darf, gehört in nicht allzu ferner Zukunft einem alles, und alle anderen haben gar nichts. Ob das ein „funktionierendes“ Gesellschaftssystem ist, wage ich zu bezweifeln. Nun gut.

    Wir sind uns alle einig, dass die DDR nicht funktioniert hat. Das ist jetzt aber mehr als ein Vierteljahrhundert her, darum brauchst du das nicht ständig betonen. Für dich ist alles, was links von der CDU sitzt, immer noch Stasi. Komm mal in der Gegenwart an!

    Dass Pegida dir das Gegenteil vorwirft, brauchen wir hier nicht weiter zu besprechen. Über deren Geisteszustand wurde bereits alles gesagt.

    Was du verdreht hast, habe ich schon im ersten Kommentar erläutert. Ob das mutwillig oder nur nicht gut mitgedacht war, musst du selbst entscheiden. Was Ökologie ist, hast du dir selbst bereits erklärt.

    Darum möchte ich dir nur noch ein Beispiel für ein ökologisch hochwertiges Nahrungsmittel geben: das Hackfleisch aus dem Netto schrumpft in der Pfanne auf 50% der Größe in der Packung zusammen, mit dem Hack aus dem Vorwerk Podemus passiert das nicht. Das liegt daran, dass das Hack aus dem Netto unter anderem mit Wasser gestreckt ist. Das ist natürlich für den Konsumenten nicht ungesund, aber für die Viecher, die zu ihren Lebzeiten mit diversen Chemikalien gefüttert werden, damit alles schön ansetzt.

    Aus einer etwas globaleren Abstraktionsebene betrachtet: das was uns landläufig als Nahrungsmittel angedreht wird, ist zu großen Teilen entweder komplett synthetisch hergestellt oder mit viel Aufwand so gestreckt, dass es gerade noch den gesetzlichen Ansprüchen genügt, um überhaupt auf dem Markt zugelassen zu werden. Dass Nahrungsmittel eigentlich Produkte natürlichen Ursprungs sein sollten, wird nur auf dem Verpackungsdesign suggeriert. Wenn man sich nicht wirklich große Mühe gibt, frisst man heutzutage hauptsächlich irgendwelches Zeug, was mit dem Begriff auf der Packung eigentlich nichts zu tun hat.

    Ja, es gibt Auswege, zum Beispiel der Einkauf bei Podemus und Co. Aber wo das Essen in der Kantine und beim Dönermann herkommt, kann man nicht beeinflussen. Man kann dem nicht einfach entkommen, wenn man sich dem gesellschaftlichen Zusammenleben nicht völlig versagen will. Darum müssen härtere gesetzliche Regelungen her, die verhindern, dass das Hack aus dem Netto nur zu 50% aus Hack besteht.

    Und weil auf den Plakaten auf der Demo kein so langer Erläuterungstext stehen kann, steht da eben nur „ökologisch hochwertig“. Mit ein bißchen drüber nachdenken und etwas gutem Willen kommt man aber ziemlich leicht selbst drauf.

    Man muss es aber auch wollen, und nicht nur das Gefolge der DDR auf die Straße phantasieren.

  9. Zuerst: Ich mag das Angebot in der Fleischtheke bei »Podemus« (und ja: das Hackfleisch ist gut). Aber Podemus hat für mich den Status einer Feinkost-Abteilung. Ich suche mir gezielt heraus, was für meine Familie und mich gut und bezahlbar ist. Podemus ist oft der Lieferant unseres Sonntagsessens.

    Im Podemus und in anderen BIO-Läden gibt es aber auch völlig bizarre Angebote wie Mondwasser oder esoterisch aufgeladene Produkte, die vom Preis-Leistungs-Verhältnis her für mich und für 98 % der Dresdner einfach inakzeptabel sind.

    Wollte man eine Großstadt wie Dresden oder einen Industriestaat wie Deutschland nur aus BIO-Landwirtschaft ernähren, würde das zum Kollaps führen. Die Ackerflächen würden dafür gar nicht ausreichen und es wäre m. E. auch unbezahlbar. Es muss also beides geben: einen Teil intensiv betriebene Landwirtschaft und einen Teil »biologisch« betriebene. Beide(!) müssen kontrolliert werden.

  10. @ stefanolix: Diese eigenartige Anfälligkeit von Bio-Kunden für esoterische Produkte ist mir auch schon oft aufgefallen. Ich hatte dazu auch schon einmal einen Artikel. Warum zumindest ein Teil der „Bio“-Anhänger auf solchen Unsinn herein fällt, liegt vielleicht daran, dass man ja auch an „Bio“ manchmal ein wenig glauben muss. Und wer bereits die Bereitschaft dazu mitbringt, ist möglicherweise auch bereit zu weiteren modernen Glaubensrichtungen.

    Abgesehen davon sehe ich das genau wie Du, dass dieser „Bio“-Markt nur etwas für Reiche ist. Das ist keine Alternative für den normalen Anteil der Menschheit. Außerdem würde man so tatsächlich auch mehr Flächen benötigen und insofern sollte sich der „Bio“-Anhänger eben auch einmal überlegen, was das mit dem alten Gedanken des Naturschutzes zu tun haben könnte. Wenn man „Bio“ nur als „ich will gesund leben“ auslegt, ist es reiner Egoismus.

  11. @ mcnesium: Wo betone ich denn „ständig“, dass die DDR nicht funktioniert hat? Das habe ich hier einmal erwähnt. Wenn Du mehr als 5 Erwähnungen davon in meinen Blogartikeln oder Kommentaren im ganzen letzten Jahr findest, bekommst Du ein Bienchen. Und für mich ist alles, was links von der CDU sitzt, immer noch Stasi? Wie bitte? Wie kommst Du denn auf so etwas? Und wo siehst Du, dass der Kapitalismus „dahin siecht“? Das ist doch nur eine zweckoptimistische aber realitätsfremde Behauptung Linker. Ja, es gibt den Effekt, dass Reiche immer reicher und Arme mehr werden. Allerdings ist auch nachweisbar, dass die Armen trotzdem mehr haben als noch vor einigen Jahrzehnten. Dank kapitalistischer Produktionsweisen können sich auch Arme heute mehr leisten als früher. Natürlich müssen wir den Effekt sehen, dass irgendwann durch immer mehr Automatisation kein Mensch mehr in der Produktion benötigt werden wird. Also müssen wir uns etwas ausdenken, wovon Menschen dann noch Geld einnehmen können bzw. ob Geld dann seine Funktion als Tauschmittel verliert. Aber das ist ein anderes Thema. Zumindest lohnt es sich, über Alternativen nachzudenken. Die sollten dann aber bitte auch funktionieren!

    Dein Beispiel mit dem Hackfleisch, was nur zu 50% aus solchem besteht – wieso ist das mit höherem Anteil „ökologischer“? Wieso muss ein Nahrungsmittel überhaupt natürlich sein? Es gibt seit Jahren Überlegungen und Versuche, Nahrungsmittel komplett synthetisch in irgendwelchen Bioreaktoren herzustellen. Wenn das gelänge und wir keine flächenverbrauchende Tierhaltung und Pflanzenproduktion mehr bräuchten – wäre nicht gerade das ökologisch oder zumindest gut für den Naturschutz? Immerhin könnte die nicht mehr für die Landwirtschaft benötigte Fläche wieder renaturiert werden. Ich denke, ich würde so etwas genau aus solchen Gründen kaufen.

  12. Betrachtungen auf der globaleren Abstraktionsebene oder Was darf ein BioReaktor

    mcnesium : … noch ein Beispiel für ein ökologisch hochwertiges Nahrungsmittel geben: das Hackfleisch aus dem Netto schrumpft in der Pfanne auf 50% der Größe in der Packung zusammen, mit dem Hack aus dem Vorwerk Podemus passiert das nicht. Das liegt daran, dass das Hack aus dem Netto unter anderem mit Wasser gestreckt ist.

    Ach Du liebes Bisschen! Das war eine Aktion von foodwatch im März 2012!
    Was wirklich drin war in der Packung und warum stand hier. Und wer Lesen kann ist klar im Vorteil, auch beim Einkauf.

    mcnesium : Aus einer etwas globaleren Abstraktionsebene betrachtet: das was uns landläufig als Nahrungsmittel angedreht wird, ist zu großen Teilen entweder komplett synthetisch hergestellt oder mit viel Aufwand so gestreckt, dass es gerade noch den gesetzlichen Ansprüchen genügt, um überhaupt auf dem Markt zugelassen zu werden. Dass Nahrungsmittel eigentlich Produkte natürlichen Ursprungs sein sollten, wird nur auf dem Verpackungsdesign suggeriert. Wenn man sich nicht wirklich große Mühe gibt, frisst man heutzutage hauptsächlich irgendwelches Zeug, was mit dem Begriff auf der Packung eigentlich nichts zu tun hat.

    Da ist wohl einer auf seiner globaleren Abstraktionsebene gegen die harte, vertikal aufragende Realität, genannt Verbraucherschutz-Ministerium, Lebensmittelkontrolle usw., gerannt, weil er sie offensichtlich nicht wahrnehmen wollte. Und ist nun wohl geschädigt …
    Wer so pauschal über unsere Lebensmittelindustrie incl. Bäcker, Fleischer, Brauer usw. schreibt hat entweder nicht mehr alle Latten am Zaun oder schreibt bewusst böswillig.

    Frank : Wieso muss ein Nahrungsmittel überhaupt natürlich sein? Es gibt seit Jahren Überlegungen und Versuche, Nahrungsmittel komplett synthetisch in irgendwelchen Bioreaktoren herzustellen. Wenn das gelänge und wir keine flächenverbrauchende Tierhaltung und Pflanzenproduktion mehr bräuchten – wäre nicht gerade das ökologisch oder zumindest gut für den Naturschutz? Immerhin könnte die nicht mehr für die Landwirtschaft benötigte Fläche wieder renaturiert werden. Ich denke, ich würde so etwas genau aus solchen Gründen kaufen.

    Gibt es doch schon : Ich meine, der Bierbrau-Kessel ist ein gutes Beispiel. Insulin- und die Hefeproduktion sind wohl weitere.
    Und selbst wenn es gelänge ein Produkt welches dem Roggenmehl entspricht in einem Reaktor zu erzeugen bleiben die Fragen
    – Welche AusgangsStoffe kommen da rein
    – Wer darf das machen
    – Wer kontrolliert (siehe oben)
    – Was wohl die Grünen, foodwatch, PodemusFans dazu meinen.
    Um das mal von der „globaleren Abstraktionsebene“ aus zu sagen :
    Fleisch aus einem BioReaktor möchte ich nicht auf dem Teller haben.

  13. Was den Kapitalismus angeht, haben wir offenbar verschiedene Ansichten über die Bedeutung von „funktionieren“. Du meinst wahrscheinlich „dahinsiechen“

    Wann ging es uns besser als gestern Nachmittag?

  14. @ stefanolix: Im Teil 2 des Videos, also bei der „Wir haben es satt““-Demo erinnert mich die dort zu sehende Themenvielfalt und die damit verbundene Ziel- und Planlosigkeit sehr an eine andere Demo, die immer Montags stattfindet 😉

  15. Wollte man eine Großstadt wie Dresden oder einen Industriestaat wie Deutschland nur aus BIO-Landwirtschaft ernähren, würde das zum Kollaps führen.

    So ein Experiment haben die gerade durchgezogen.
    Das ist dermaßen schief gegangen, dass es demnächst bei uns wiederholt wird.
    Wetten dass?

  16. Dahinsiechender Kapitalismus?
    So einen Schmarrn kann wahrscheinlich nur verbreiten, wer nicht jahrzehntelang den ‚Segnungen‘ des Sozialismus in den Farben der DDR ausgesetzt war, so wie ich.
    An anderer Stelle habe ich es schon beschrieben, wie man als kleiner Arbeiter in der DDR behandelt und veralbert wurde. Da ging es nicht nur um das bessere Hosensortiment. Es ging darum, daß sich die ’sozialistische Gesellschaft‘ zunehmend als dysfunktional erwies.
    In den letzten Jahren der DDR fuhr ich mit meinem klapprigen Zweitakter Kilometer um Kilometer durchs Land, nur um zwei oder drei Kästen Bier und Limo zu ergattern. Mein Pech, ich habe Mitte Juli Geburtstag. Wenn es dann mal ein paar Tage warm war, standen im KONSUM in unserem Dörfchen nur noch ein Kasten Selters und eine Kiste Rhabarber-Süßmost herum. Da hätten auch ‚antikapitalistisch-ökologisch‘ eingestimmte Geburtstagsgäste einen Flunsch gezogen, wenn ich sie mit so einem Verschnitt bewirtet hätte.
    Das Problem besteht schlicht darin, daß all die antikapitalistisch, ökologisch, Fairtrade – Bio, Öko – oder sonstewie beflissenen AKTIVISTEN nie im real existierenden Sozialismus zurechtkommen mußten. Sie nörgeln und kritisieren und theoretisieren … Mit den PRAKTISCHEN AUSWIRKUNGEN einer sozialistischen Plan-Wirtschaft jedoch mußten sie nicht leben, so wie ich.
    Sie hatten immer einen Supermarkt in der Nähe, in dem man mit dem Geld anderer Leute (der deutschen Arbeiter, die mit ihren Steuern NGO’s, Alternative, Aktivisten und sonstige Leistungsverweigerer finanzieren) gut und reichlich einkaufen konnte, was das Herz begehrte.
    Im Jahr 1990, als das Thema Wiedervereinigung aktuell wurde, habe ich mal den Vorschlag gemacht, einen Bezirk der DDR mit Mauer und Stacheldraht zu umgrenzen und im Zustand von Sommer 1989 ‚einzufrieren‘. Als Rückzugsgebiet für aufrechte SED-Genossen, Ostalgiker, sozialistische Utopisten und sonstige Spinner.
    Der Gedanke war möglicherweise gar nicht so schlecht. An Bewohnern würde es, gerade heute gar nicht mangeln. Zumindest nicht, wenn man den klitzekleinen HAKEN konsequent durchsetzt, den ich für die MINI-DDR eingeführt hätte: MAN KOMMT JEDERZEIT HINEIN, ABER NICHT MEHR HERAUS!

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