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Schmalspur-Antikapitalismus

Schon wieder ein Aufruf im Postfach, eine Protestaktion zu unterschreiben. Und schon wieder habe ich mich nicht daran beteiligt. „Monsantos Gift verbieten“ wurde vom Verein „Rettet den Regenwald e.V.“ gefordert (dessen Hauptanliegen ich selbstverständlich teile). Ich habe schon mehrfach darüber geschrieben, dass viele Petitionen und ähnliche Aktionen auf einseitigen oder sogar völlig falschen Behauptungen basieren. Das ist leider auch hier wieder so. Trotzdem werden solche Texte offensichtlich ohne jegliche Gegenkontrolle von vielen unterzeichnet. Wenn politische Bürgerbeteiligung sich immer mehr auf solche „Ich engagiere mich“-Quickies verlagert, die man schnell mal am Smartphone erledigen kann, dann gibt das schon zu denken, was die Funktionsmöglichkeit von Demokratie betrifft.

Monsanto will uns jedenfalls alle vergiften. Mit Glyphosat. Das wäre eigentlich ein Novum in der gesamten Geschichte der Weltwirtschaft, dass ein Unternehmen ausgerechnet seine eigenen Endverbraucher umbringen will. Klingt nach einer sehr undurchdachten Unternehmensphilosophie.

Gegen Glyphosat wird in letzter Zeit gern protestiert, vor wenigen Monaten erst übertrieb der BUND geringfügig mit der Behauptung, dass dieses Mittel Babys tötet. Für diesen Zweck veröffentlichte der Verein ein drastisches Video, welches dann aber so viel Kritik auslöste, dass er es wieder löschte.

Protest gegen Glysophat wirkt etwas undurchdacht, denn dieses Herbizid ist bereits eine deutliche Verbesserung gegenüber vorher eingesetzten Unkrautbekämpfungsmitteln. Aber eigentlich geht es bei diesen Protesten nie wirklich um Gylsophat, sondern um den Hersteller: Monsanto. Der Name ist längst wie ein rotes Tuch, sobald dieser Name fällt, kann man nicht mehr logisch argumentieren – Monsanto ist per Definition die Verkörperung des Bösen. Warum eigentlich? Weil sie uns auch mit ihrer Gentechnik alle vergiften wollen. Auch das ist nicht sehr durchdacht, denn nur weil etwas gentechnisch verändert wurde, wird man nicht automatisch dadurch vergiftet oder krank. Im Magen werden die immer gleichen vier Nukleinsäuren ohnehin verdaut, unabhängig von ihrer vorherigen Reihenfolge in der DNA. Die veränderten Gensequenzen müssten schon vorher etwas Giftiges erzeugt haben, um uns schaden zu können oder ein Gift müsste aus anderen Gründen wegen der Gentechnik mit verwendet worden sein. Als Monsanto 2013 seinen Rückzug aus der Gentechnik in Europa bekannt gab, waren Befürworter von Gentechnik regelrecht erleichtert darüber und hofften, nun vielleicht noch endlich wieder sachlicher über dieses Thema diskutieren zu können.

Ein Vorzeige-Unternehmen ist Monsanto tatsächlich nicht unbedingt, immerhin lieferte diese Firma im Vietnam-Krieg das negativ berühmt gewordene „Agent Orange“. Das soll hier in keiner Weise entschuldigt werden, allerdings ist es interessant, wie wenig sich Monsanto-Kritiker gegen die anderen damaligen Hersteller engagieren. Was man Monsanto sonst noch vorwirft, ist alles ausführlich im Netz beschrieben, teilweise ist es arg an den Haaren herbei gezogen – z.B. gibt es die Regelung, dass sich Käufer eines Produktes an die Lizenzbestimmungen des Herstellers halten sollen, auch in vielen anderen Industriebereichen und sie hat im Fall von gentechnisch verändertem Saatgut sogar nachvollziehbare Gründe.

Abgesehen davon ist es regelrecht lustig, was Kritiker abgesehen von „die wollen uns vergiften“ hauptsächlich immer wieder erwähnen, und was auch „Rettet den Regenwald e.V.“ im Protestaufruf wieder anprangert: Monsanto macht Gewinne!

„Einziger Profiteur dieses gefährlichen Geschäfts ist die Agroindustrie, die weiter fette Gewinne macht“

Das ist unglaublich, aber es stimmt. Firmen wie Monsanto wollen allen Ernstes Geld einnehmen. Das macht zwar auch jede andere Firma, das versuchen auch kleinere Unternehmen, das ist Ziel aller Selbständigen und das tun sogar die als Alternative zu Monsanto vorgeschlagenen Öko-Landwirte. Ich kann es nicht ändern, aber Gewinnorientierung ist die Grundlage der gesamten Wirtschaft, das ist der übliche Grund, warum man jeden Tag arbeiten geht. An der Stelle würde ich solchen Kritikern immer gern vorschlagen, sich einmal mit Grundlagen von Ökonomie und Marktwirtschaft zu beschäftigen, denn es gibt einfach ein paar Prinzipien, die hier für alle gelten – für große Unternehmen, für den kleinen Handwerker von nebenan und für den Biobauern. Ein paar Details: Man muss Gewinn machen, sonst ist man bald wieder weg vom Fenster. Man sollte versuchen, viel Gewinn zu machen (Gewinnmaximierung, ganz schlimm!), damit man z.B. Durststrecken übersteht, neue Investitionen tätigen und Konkurrenten unterbieten kann. Es kann nicht schaden, über die Erschließung neuer Marktbereiche nachzudenken, bevor es ein anderer tut. Auch nicht verkehrt ist, Konkurrenten oder andere ins Konzept passende Firmen gegebenenfalls aufzukaufen, bevor man selbst aufgekauft wird. Falls letzteres zu einer Monopolbildung führt, kann das zwar Probleme für die Kunden erzeugen, allerdings ist das nicht die ursächliche Schuld der Firma, sondern die des Wirtschaftssystems.

Man muss Marktwirtschaft bzw. Kapitalismus nicht toll finden, ich selbst denke auch gern einmal über Alternativen nach (bisher ist mir nur leider noch keine eingefallen, die auch halbwegs funktionieren würde). Ich finde es gut und wichtig, über so etwas nachzudenken. Was ich aber völlig ablehne und als geistlos empfinde, ist dieser Schmalspur-Antikapitalismus, bei dem man Kritik nur auf wenige auserwählte Firmen fokussiert und dabei ausblendet, dass die grundlegenden falschen Prinzipien unseres Wirtschaftssystems allgemein für alle Unternehmer gelten. Es ist zwar sehr bequem, nur ausgewählte Firmen zu kritisieren – die Welt wird dadurch überschaubarer und es ist für die Selbstbefriedigung auch besser, nur mal fix etwas gegen ein spezielles Unternehmen auf Facebook zu teilen, als sich grundlegende Gedanken über die Welt machen zu müssen.


Noch ein paar Worte zu der Protestaktion:

Was ist so schlimm an Glyphosat?

Denken wir uns den bösen Namen Monsanto kurz weg, stellen wir uns einfach einmal vor, ein Glyphosat-enthaltendes Produkt wie Monsantos Roundup käme von einer beliebigen anderen Firma. Letztlich ist das ohnehin längst Praxis – bereits 2010 stammte die Hälfte der Weltproduktion aus China. Erfunden hat es übrigens ein Chemiker in der Schweiz. Wäre Glyphosat auch so schlimm, wenn es von einem ganz anderen Hersteller käme?

Was macht Glyphosat? Es vernichtet Unkraut. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass wir Menschen in der Landwirtschaft, aber auch schon im Kleingarten ein Interesse dran haben, dass auf unseren Anbauflächen hauptsächlich die gewünschten Nutzpflanzen und weniger andere Pflanzen wachsen. Selbst im Ökolandbau hat man diesen Wunsch, auch hier muss man ökonomisch denken. Also wendeten Menschen schon immer sämtliche Möglichkeiten an, den unerwünschten anderen Pflanzen und auch unerwünschten Tieren das Leben schwer zu machen oder sie möglichst ganz zu eliminieren. Als ein sehr effektiver Weg dazu erwiesen sich irgendwann chemische Mittel, die wir heute bei der Pflanzenbekämpfung Herbizide nennen.

Selbstverständlich kann man Herbizide prinzipiell negativ sehen, da sie Schäden in der Umwelt, im Grundwasser und bei pflanzenfressenden Tieren auslösen können. Insofern sind Proteste dagegen sinnvoll. Es ist aber unter diesem Gesichtspunkt ziemlich unüberlegt, ausgerechnet gegen ein vergleichsweise harmloses Mittel wie Glyphosat zu protestieren, denn dieses Mittel hat andere, viel schädlichere Herbizide ersetzt. Glyphosat ist eine ziemlich interessante Erfindung, denn es ist zunächst schon einmal biologisch abbaubar. Das mag unter Umständen nicht so schnell ablaufen wie vom Hersteller in der Werbung versprochen, aber grundsätzlich funktioniert es. Für Tiere, die damit behandelte Pflanzen fressen, ist Glyphosat nicht giftig. Es behindert, kurz gesagt, einen biochemischen Stoffwechselweg, der in Pflanzen, aber nicht in Tieren vorkommt. Dadurch ist Glyphosat für Tiere (also auch für Menschen) prinzipiell ungefährlich. Dies stellte auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kürzlich fest, nachdem in 1.050 Studien kein Hinweis auf eine Gesundheitsgefahr festgestellt werden konnte (siehe auch „Bund hält Glyphosat für unbedenklich“, FAZ).

„Monsantos Gift verbieten“ enthält unsinnige Aussagen

Trotzdem wird in dem Protestaufruf behauptet, dass „wissenschaftliche Studien“ und „zahlreiche Untersuchungen die Giftigkeit für Menschen und Umwelt belegen, und das schon in geringsten Dosierungen“. Quellenangaben? Fehlanzeige. Wahrscheinlich gehen diese Aussagen auf die sehr kritisierte und inzwischen zurück gezogene Séralini-Studie zurück.

Der Aufruf beginnt in einer reißerischen Art, unter einem Bild mit Totenkopf steht:

Die giftigen Rückstände glyphosathaltiger Herbizide sind vom Acker auf unseren Tellern angekommen

Das ist zumindest arg übertrieben, denn unsere Lebensmittel werden schon lange auf Herbizid-Rückstände überprüft, also auch auf Glysophat. Z.B. hat die „Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg (…) in den vergangenen Jahren 127 Getreideproben untersucht, wurde dabei aber nur zweimal fündig (…). Andere Ämter ermittelten vergleichbare Ergebnisse.“ (Deutschlandradio)

Im soeben zitierten Artikel von Deutschlandradio wird allerdings auch eine Meldung von Ökotest erwähnt (nicht online, Ökotest-Magazin 2012, H. 9; S.46-49, Hinsch B: Gift im Korn), dass man in 14 von 20 Proben fündig geworden sei. Allerdings waren die gemessenen Werte so gering, dass sie in der Praxis völlig belanglos sind – der höchste gemessene Rückstand erreichte gerade mal ein 100stel der zulässigen Menge. Solche ungefährlichen Werte hindern aber nicht vor weiteren Horror-Meldungen. Da man mit modernen Messmethoden heute fast von allem überall geringste Spuren nachweisen kann, fand der BUND bald wieder Glyphosat, diesmal im Urin von Großstädtern. Wie dramatisch die hier gefundenen geringen Mengen sind, wurde in dem Artikel „Oh Schreck: BUND findet Pestizide im Urin von Großstädtern“ auf SciLogs beschrieben: Gar nicht.

Die Urin-Geschichte taucht trotzdem auch hier im Text der Protestaktion wieder auf. Ob Übertreibungen wie die vom Ökotest-Magazin die Quelle für die durchgängige pauschale Aussage „wir werden alle sterben“ sind, wird nicht geklärt, denn Primär-Quellenangaben für die Behauptungen finden sich auch in den Links unter „Hintergründe“ nicht.

Man liest weiter: „Ein gefährliches Gift breitet sich aus: Glyphosat, das weltweit häufigste Herbizid. Hauptproduzent Monsanto vergiftet damit die Umwelt und die Menschen, nicht nur in den Tropenwaldgebieten in Südamerika, inzwischen auch in Europa.“

Das klingt, als wären die Tropenwälder Südamerikas durch Glyphosat bedroht. Genaugenommen steht es zwar nicht so da, aber der Eindruck bleibt beim flüchtigen Lesen haften. Dabei wird aber Ursache und Wirkung vertauscht. Glyphosat kommt dort zum Einsatz, wo man bereits vorher die Tropenwälder vernichtet hat, um Ackerfläche zu gewinnen. Ich finde die Regenwaldvernichtung auch schlimm, aber Pestizide sind nicht deren Ursache. Sie werden lediglich später dort verwendet, wo vorher Regenwald war. Und es werden auch nicht alle Menschen in den betreffenden Gebieten vergiftet – entsprechende Vorwürfe beziehen sich nur auf Vorfälle in Kolumbien und Argentinien, bei denen Krankheiten (möglicherweise) auf falsch angewendetes Glyphosat zurück zu führen sind. Falsch angewendet, können allerdings fast alle Stoffe zur Gefahr werden.

Aus Südamerika wird viel Soja importiert, der durch Genveränderung resistent gegen Glyphosat ist. Im Protestaufruf steht dazu: „Auch Krankheiten bei Tieren, die Roundup-Ready-Gensoja fressen, nehmen rasant zu. Damit steigt auch die Menge der Medikamente, die man den Tieren bis zur Schlachtreife verabreicht. Dennoch werden importierte Futtermittel nicht auf ihre giftigen Rückstände kontrolliert.“

Dass die Futtermittel gar nicht kontrolliert werden, dürfte falsch sein, denn selbst die in gleicher Richtung kritischen Grünen im Bundestag sprechen nur von „unzureichenden Kontrollen“.  Aber selbst wenn es so wäre: Wenn man es nicht kontrolliert, woher will man als Kritiker dann eigentlich wissen, dass die angeblich rasant zunehmenden Krankheiten auf mit Roundup behandeltes Soja zurück gehen? Und wäre es wirklich glaubwürdig, dass ein Landwirt steigende Krankheitsraten bei seinen Tieren feststellt, seitdem er Soja aus Südamerika verfüttert, ohne dass er daraufhin umgehend auf anderes Futter umsteigt? Gibt es wirklich Nachweise, die einen Zusammenhang zwischen Tiererkrankungen und diesem Futter zeigen? Kann ausgeschlossen werden, dass solche Erkrankungen nicht auch andere Gründe haben können? Keine Quellen, keine Zahlen und keine Erklärungen dazu.

Als Kritiker sollte man sich auch überlegen, was man nun eigentlich kritisiert: „Inzwischen sind Monsantos Patente auf Glyphosat weitgehend abgelaufen und auch Chemiekonzerne wie BASF, Bayer, Dow und Syngenta machen damit Geschäfte.“ Ist das nicht eher gut, da doch so immerhin die durch einen Monopolisten entstehenden Preisdiktate entfallen? Seit Ablauf der Patente ist Glyphosat billiger geworden. Natürlich hatte das den (zunächst als Nachteil erscheinenden) Effekt, dass es dadurch von noch mehr Anwendern gekauft werden konnte, allerdings wird das dadurch aufgewogen, dass auf den behandelten Flächen ältere und giftigere Herbizide weiter ersetzt werden konnten.

Alternative Ökolandbau?

Der Protestaufruf stellt mit den abschließenden Worten seine Alternative zu Glyphosat vor: „Wir brauchen gesunde ökologische Lebensmittel für alle Menschen und auch gesundes und umweltverträgliches Futter für die Tiere!“

Selbstverständlich wäre es eine gute Sache, wenn wir unsere Nahrung mit nur minimalen Schäden für die Natur herstellen könnten, also z.B. mit so wenig Giftfreisetzung wie möglich. Eine ökologische Landwirtschaft als Alternative zu bisherigen Methoden klingt dafür ziemlich gut. Zwar ist bereits der Begriff „ökologische Landwirtschaft“ ein Widerspruch in sich, doch das ist ein eigenes Thema und egal, wie man es nennt: Landwirtschaft ohne Schäden aus Pflanzenschutzmitteln ist ein erstrebenswertes Ziel. Gut für die Natur wäre aber auch, wenn Landwirtschaft mit geringem Flächenverbrauch funktionieren könnte. Und da stellt sich die Frage, ob Ökolandbau durch seine (um ca. ein Viertel) geringeren Erträge pro Fläche eine Alternative für die gesamte Weltbevölkerung sein kann?

Wie bekämpft man eigentlich im Ökolandbau Unkräuter (die man hier „Beikräuter“ nennt)? Auf entsprechenden Internetseiten liest sich es so, als würde man nur durch unterschiedliche Fruchtfolgen und durch rein mechanische Methoden der unerwünschten Pflanzen Herr werden. Wenn man genauer forscht, stößt man aber bald darauf, dass es auch hier nicht ohne Gift abläuft, immerhin wird betont, dass man nur Mittel einsetze, die alle auf „naturstofflicher Basis“ hergestellt und nicht synthetisch sind. Ein verwendetes natürliches Mittel ist Schwefel (man findet Schwefel ja in der Natur) und genauso natürlich ist insofern auch Kupfer. Kupfer wird im Biolandbau eingesetzt und reichert sich dort im Boden an, wo es giftig für die Bodenbewohner ist. Glyphosat dagegen ist zwar biologisch abbaubar und ungefährlich für Tiere, aber trotzdem irgendwie nicht so „öko“.

Wirklich logisch ist das nicht und noch unlogischer wird es, wenn man ein anderes Gift betrachtet, welches im Ökolandbau eingesetzt wird: Bt-Toxin. Diese Toxine werden von Bakterien erzeugt, von Bacillus thuringiensis (daher auch „Bt“-Toxine). Die von Bacillus thuringiensis produzierten Proteine sind für manche Insekten giftig, gleichzeitig sind sie aber für Nutztiere und uns Menschen ungiftig. Bereits Anfang des 20.Jh erkannte man, dass sie die Ursache dafür waren, dass z.B. manche Maispflanzen von den Larven des Maiszünslers verschont blieben. Man versuchte daraufhin zu erkennen, was die Bakterien eigentlich produzieren. Das gelang zuerst in den 20er Jahren in Frankreich, so dass man bald unabhängig von den Bakterien wurde und nur noch gezielt den eigentlichen Wirkstoff auf den Feldern ausbringen konnte. Später kam dieses so hergestellte Pestizid allerdings in den Verdacht, am Bienensterben mit schuld zu sein, weil manche Partikel den Bienen die Atmungsorgane verklebten. Ein weiterer Schritt in der Forschung war es dann, als man erkannte, was die Bakterien eigentlich dazu bringt, die gewünschten giftigen Proteine herzustellen: Bestimmte Gen-Sequenzen. Diese Gen-Abschnitte übertrug man direkt in die Nutzpflanzen, z.B. in den Mais, so dass er seine Abwehrstoffe nun selbst produzieren konnte. Der bekannteste Vertreter dieser Maissorten ist MON810.

Solcher transgener Mais ist zumindest für den Schutz von Bienen und anderer Insekten ein klarer Vorteil, da das Bt-Toxin nun nicht mehr auf den Pflanzen versprüht werden muss, sondern nur noch direkt dort entsteht, wo er nur die Fressfeinde töten soll: In der Pflanze.

Wir halten fest: Wenn für Menschen ungefährliches Gift von Bakterien stammt, ist es „öko“, wenn dasselbe Gift aber – produziert durch dieselben Gene – vom Mais selbst stammt, ist es nicht „öko“. Es ist schwer zu vermitteln, warum Gentechnik unbedingt das Gegenteil von „Öko“ sein soll – vor allem, wenn sie auch noch positive Effekte für den Naturschutz hat – aber unglücklicherweise treffen wir bei MON810 auf ein altbekanntes Feindbild: MON steht für Monsanto.

Und das ist per Festlegung die Verkörperung des Bösen.

Da kann man nichts machen.

4 Comments

  1. Was läuft da grundlegend schief ?

    Frank :
    Man muss Marktwirtschaft bzw. Kapitalismus nicht toll finden, ich selbst denke auch gern einmal über Alternativen nach (bisher ist mir nur leider noch keine eingefallen, die auch halbwegs funktionieren würde). Ich finde es gut und wichtig, über so etwas nachzudenken. Was ich aber völlig ablehne und als geistlos empfinde, ist dieser Schmalspur-Antikapitalismus, bei dem man Kritik nur auf wenige auserwählte Firmen fokussiert und dabei ausblendet, dass die grundlegenden falschen Prinzipien unseres Wirtschaftssystems allgemein für alle Unternehmer gelten. Es ist zwar sehr bequem, nur ausgewählte Firmen zu kritisieren – die Welt wird dadurch überschaubarer …

    Die Hervorhebung ist von mir.
    Sie haben ja mit der Überschrift und diesem Text Ihr Anliegen klargemacht.
    Bevor ich jetzt z.B. auf Genmais eingehe, wüsste ich gern was in der Marktwirtschaft grundlegend schief läuft.
    Kein ernstzunehmender Mensch behauptet, daß Kapitalismus und Marktwirtschaft das Ideal für die Lösung aller Menschheitsprobleme sind, wie das die Sozialisten und Kommunisten von ihren Systemen propagierten. Daß der Kapitalismus nicht perfekt ist und nie sein wird beweisen alleine seine verschiedenen Ausprägungen welche er durchlaufen hat und noch durchläuft. Daß er aber eine gewisse Anziehungskraft und Vorteile hat, beweisen kommunistische Staaten wie China, Vietnam, Kuba, welche ihn mehr oder weniger umfänglich und erfolgreich adaptieren. (Diese Binsen hätte ich mir eigentlich sparen können – nur so als Bande.)
    Also : Was ist da grundlegend falsch ?

  2. … wüsste ich gern was in der Marktwirtschaft grundlegend schief läuft

    Naja, so Kleinkram wie ungerechte Verteilung des Reichtums oder durch Geldgier hervorgerufene Umweltschäden zum Beispiel. Überproduktion und Ressourcenverschwendung. Dass die Leute, die die ganze Arbeit erledigen, die wirklich notwendig ist, damit kaum jemals zu viel Geld kommen. Dass wir krampfhaft Dinge tun, die eigentlich gar keinen Nutzen haben, die zumindest niemand vermissen würde, wenn sie niemand machen würde … da gibt es schon den einen oder anderen Verbesserungspunkt.

    Ich gebe zu, dass Marktwirtschaft immerhin von sich aus funktioniert, ohne dass man da erst Konzepte entwerfen musste. Aber man wird ja mal über Verbesserungen nachdenken dürfen.

  3. Mensch Frank. Allein diesen Artikel zu lesen hat mich eine halbe Stunde gekostet. Ich wage gar nicht darüber nachzudenken, wie viel Arbeit das schreiben gemacht hat.
    Vielen Dank dafür.

    Zu diesem Nachtrag

    Naja, so Kleinkram wie ungerechte Verteilung des Reichtums oder durch Geldgier hervorgerufene Umweltschäden zum Beispiel.

    würde ich gern einige Worte sagen:

    Es ist immer richtig, schlechte Zustände oder bedrohliche Tendenzen aufzuzeigen und zu kritisieren. Aber wir sollten dabei nicht vergessen, dass der Kapitalismus die Gesellschaftsordnung ist, die den Menschen den meisten Wohlstand gebracht hat. Nicht nur den happy few in den reichen Ländern. Auch in den armen wird es besser. Die Armut geht zurück!.
    Alle anderen Gesellschaftsformen, sind schlechter. Besonders die, welche wir Dresdner eine gewisse Zeit im Selbstversuch erleben durften.

    Der Umwelt geht es im Kapitalismus besser als in allen anderen Ordnungen. Das heißt nicht, dass wir vor Umweltsauereien die Augen verschließen sollten. Aber wir sollten auch dahin wirken, dass diese Gesellschaftsordnung erhalten bleibt. Wegen der Umwelt!

    Es ist auch so eine urban legend, dass der Sozialismus gerechter ist. Das stimmt nämlich nicht. Die Unterschiede waren und sind dort genauso groß wie im Kapitalismus. Nur auf niedrigerem Niveau.
    Wie der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder herausgefunden hat, verfügten 1989, zum Ende der DDR, in der es bekanntlich kaum privaten Immobilienbesitz gab, zehn Prozent der Kontoinhaber über sechzig Prozent des Geldvermögens.

  4. So, nun sollte ich vielleicht doch mal antworten – Entschuldigung für die Verzögerung. Ich wollte hiermit eigentlich keine Diskussion über Alternativen zum Kapitalismus starten, denn ich habe ja schon geschrieben, dass mir noch keine eingefallen ist, die von sich aus funktionieren könnte. Ich gebe auch zu, dass Marktwirtschaft ein relativ robustes System ist, welches – von der wirtschaftlichen Seite aus gesehen – auch immer von sich aus funktioniert. Es ist auch ein ziemlich effektives System, welches durch den Konkurrenzdruck schnell Lösungen liefert. Aber dieser Druck und andere erzeugen eben z.B. auch Druck für die beteiligten Personen. Und da kann man sich ja z.B. schon einmal fragen, ob nur halb so viel Druck nicht vielleicht ausreichen würde? Dann hätten wir neue Smartphones vielleicht nicht ganz so schnell, dafür hätten aber die Beteiligten etwas mehr Ruhe und somit eine höhere Lebensqualität. Gegenargument: Wir würden aber auch Impfstoffe gegen Krankheiten nicht so schnell haben, wodurch mehr Menschen sterben würden. Das nur mal so als eines der Argumente, bei denen ich schnell in lange Diskussionen mit mir selbst verfallen kann.

    Mag auch sein, dass die ärmsten Chinesen jetzt etwas weniger arm sind als vor 20 Jahren. Aber grundsätzlich finde ich eben, dass man darüber nachdenken sollte, ob es nicht Verbesserungspotential gibt. Die Vergleiche mit der DDR bzw. dem Ostblock gefallen mir in der Beziehung nie, weil das immer nach der Logik abläuft: Du bist gegen Kapitalismus? Aha, also willst Du Sozialismus. Das hatten wir aber schon in der DDR und das ging ja gründlich schief.

    Das ist aber ein zu einfacher Vergleich, denn erstens muss eine Alternative zur Marktwirtschaft nicht unbedingt Sozialismus sein (obwohl ich eine soziale Ausrichtung gut fände), mir wäre egal, wie man das dann nennt, am besten sollte –ismus gar nicht mit im Namen vorkommen. Zweitens war das in der DDR nur eine Sache, die man zwar Sozialismus nannte, die es aber nicht war und die eher nur einfach ein ziemlich misslungener Versuch war.

    Mir ging es hier ja auch mehr um Leute, die keinen Blick für grundlegende Zusammenhänge haben und stattdessen denken, ein Engagement bzw. ein Ereifern gegen eine einzelne ausgewählte Firma sei völlig ausreichend oder sogar das allerwichtigste. Wir haben denselben Effekt ja auch im Bereich der Energiewende, wo man sich gern gegen die bösen großen Energieversorger echauffiert, die ja immer nur Geld einnehmen wollen dabei und ganz ausblendet, dass auch der „kleine Windmüller von nebenan“ ganz genauso Geld verdienen muss. Ich finde es verblüffend, wenn solche Weltverbesserer ignorieren, dass es auch in diesem Bereich Tendenzen zum größer-werden von Firmen gibt, dass größere kleinere schlucken, dass Banken hier ganz genauso Geld ihrer Anleger investieren (usw.). Ich finde es absurd, dass sich Leute z.B. über Vattenfall, also ein 100%ig staatliches Unternehmen des recht sozialdemokratischen Landes Schweden ereifern, wenn die Geld verdienen wollen und gleichzeitig denselben Effekt bei den Betreibern von Windparks ausblenden. Solche Beispiele finden sich auch in anderen Wirtschaftsbereichen.

    Übrigens weiß ich gar nicht mehr, ob das Schreiben selbst nun so lange gedauert hat, die Fertigstellung zog sich jedenfalls etwas hin. Der Text bezog sich ursprünglich nur auf diese Protestaktion, dann fing es an, sich thematisch weiterzuentwickeln und dann fiel mir ein, dass ich hier auch endlich einmal ein – schon seit einer Weile innerlich abgelegtes – Thema unterbringen könnte, was es dann sogar in die Überschrift schaffte 😉 Eigentlich finde ich es ja wichtig, halbwegs knapp bei einem klaren Thema zu bleiben. Aber zu knapp ist es manchmal auch ungünstig, weil Dinge dann zu schlecht erklärt werden. Und wenn sich andererseits Themen finden, die irgendwie noch mit dazu passen, warum soll man sie dann nicht mit hinzufügen? Ich habe eine Weile nachgedacht, ob ich das auf mehrere Teile oder Einzelthemen aufteile … hat eine Weile gedauert, bis ich mich dann zur aktuellen Form entschloss.

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