Nun offiziell: Dresden wird bis 2035 nicht klimaneutral

In meinem letzten Artikel ging es um den Stadtratsbeschluss vom Dezember 2022 (ja, hier im Blog gab es eine lange Pause). Damals wurde beschlossen, dass Dresden bis 2035 klimaneutral werden soll. Ich hielt das für völlig weltfremd und war der Meinung, genauso gut hätte man bis dahin die Umstellung des innerstädtischen Verkehrs auf Teleporter beschließen können.

Als Grundlage für die weiteren Maßnahmen wurde damals die weitere Ausarbeitung des „Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes“ (IEK) gefordert, was im Aufgabenbereich von Eva Jähnigen liegt, unserer Fachbürgermeisterin für Umwelt und Kommunalwirtschaft. Absehbar war, dass es mit dem IEK noch ein wenig dauern könnte. Genauso lief es dann ab. Im Stadtrat wurde Jähnigen im gesamten letzten Jahr mehrfach fraktionsübergreifend dafür kritisiert, dass daran nichts vorwärts ging.

Am 23.2.24 schrieb Frau Jähnigen unerwartet auf Threads über ein „neues IEK“ und wie vielversprechend es sei:

Das neue Energie- und Klimaschutzkonzept zeigt auf, was Dresden kann: nämlich frühzeitig die Treibhausgasneutralität und damit auch Versorgungssicherheit mit bezahlbarer Energie zu erreichen.

Dabei verlinkte sie auf einen Artikel der DNN, der aber eine Überschrift mit einer ganz anderen Aussage trägt: „Klimaneutral bis 2035? Dresden schafft das nicht“. Warum schrieb Eva Jähnigen das nur auf Threads und nicht auch auf X (Twitter) und Facebook, wo sie jeweils etwa 10x so viele Follower hat? Wahrscheinlich wegen des Artikels. Da er kostenpflichtig ist, wird ihn kaum jemand lesen. Es wird nur die Überschrift hängen bleiben: Nein, wir schaffen das nicht.

Man kann das IEK auf ratsinfo.dresden.de komplett lesen. Schon ganz am Anfang wird darin das festgestellt, was schon vor 2 Jahren klar war: „Die Erreichbarkeit der Treibhausgas-Neutralität bis 2035 ist nicht realisierbar.“ Stattdessen sollen nun bis 2040 nur 90 % weniger Emissionen als 1990 und damit „nahezu Klimaneutralität“ erreicht werden. Das klingt etwas realistischer, aber immer noch sehr ambitioniert. Laut DNN soll das machbar sein

„mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien im Stadtgebiet. Bis 2027 sollen die Erneuerbaren 365 Gigawattstunden im Jahr liefern (…) und bis 2035 sogar 1440 GWh.

Das will man mit Photovoltaik auf allen nutzbaren Flächen in Dresden erreichen,

sei es in Form von Dächern, Hausfassaden, landwirtschaftlichen Flächen oder städtischen Parkplätzen,

Aber auch mitWindkraft. Im IEK (S. 151) ist angegeben, dass man im Stadtgebiet Dresdens fünf potentielle Standorte für insgesamt 21 Windenergieanlagen sieht:

Davon befinden sich 13 auf Waldflächen und acht auf Landwirtschaftsflächen.

Mit diesen Anlagen will man bis 2035 auf 315 GWh Stromproduktion im Jahr kommen. Aber 13 davon sollen auf Waldflächen stehen? Diese Waldfläche dürfte die Dresdner Heide sein, denn in den kleineren Dresdner Waldflächen scheitert es an den Abstandsregeln. Ich vermute, dass die Dresdner wenig Akzeptanz für Windräder in der Heide haben werden. Auch Naturschutzorganisationen könnten etwas dagegen haben. Die Standorte wurden laut IEK in einer Studie ermittelt, die 2021 durch die Sachsenkraft GmbH erstellt wurde. Leider ist diese Studie online nicht zu finden. Die Sachsenkraft GmbH erwähnt sie auch nicht auf ihrer Website. Es wäre schon interessant, etwas über die Standorte zu erfahren.

Auch der erstrebte Ausbau der Photovoltaik erscheint sehr optimistisch. In der letzten Version des IEK ging man noch von PV-Installationen aus, die nur auf städtischen Immobilien stattfinden. Nun werden bereits alle potenziellen Gebäude mit einbezogen. Bei denen hängt es aber davon ab, ob die Besitzer das auch wollen. In dem Fall hätten sie es wahrscheinlich längst getan.

Ob man also auf die 1440 GWh bis 2035 kommt, ist fraglich. 1440 GWh klingen außerdem nach einer beachtlichen Größe, sind aber zu wenig, um Dresden mit Strom zu versorgen (selbst wenn man die nötigen Speicher ignoriert, die noch ein Thema für sich sind). Allein das Heizkraftwerk Nossener Brücke kann aktuell 2.365 GWh pro Jahr erzeugen. Der Gesamtstromverbrauch im Stadtgebiet Dresden (*) lag in den letzten Jahren etwas über 2.600 GWh (IEK S.474, Quelle2 ). Wenn wir auf E-Autos und Wärmepumpen umsteigen sollen, wird der Stromverbrauch deutlich steigen.

Ich finde es gut, Verbesserungen anzustreben, aber dabei mit festen Zahlen für die kommenden Jahre zu planen, erscheint mir wenig sinnvoll. Aussagen wie „wir streben an“ und „im optimistischsten Fall könnte bis 2040 erreichbar sein, dass …“, wären realitätsbezogener. Die frühere Konzeptbeschreibung „Dresden auf dem Weg zur energieeffizienten Stadt“ fand ich insofern besser.

Realitätsferne wird vor allem deutlich, wenn es im IEK um die notwendigen Speicher geht. Der Ist-Zustand (IEK, S. 40): Wir haben praktisch gar nichts. Außer dem Pumpspeicherwerk Niederwartha, was aber stillgelegt ist und 2 Großbatteriespeicher, die nur 30 MWh haben und für ganz andere Zwecke gedacht sind. Daneben gibt es rund 2000 private Kleinspeicher zur Versorgung von Eigenheimen (ges. ca. 26 MWh). Beim Wunsch-Zustand (S. 64) wird dagegen alles aufgelistet, was irgendwie mit Speichern zu tun hat, egal ob es anwendbar ist. Da findet man sogar supraleitfähige Spulen, obwohl die nur im Sekundenbereich Energie liefern können. Fast alles andere wird nicht mehr gebaut (Pumpspeicher), hat zu geringe Kapazitäten oder ist erst im Forschungszustand. Man kann aber nicht mit Lösungen fest planen, die noch im Forschungszustand sind. Dann könnte man genauso gut schon Kernfusion einplanen.

Es wäre auch nicht verkehrt, uns Bürger auf die absehbaren Kosten hinzuweisen, bevor man es wieder Populisten überlässt. Die DNN schreibt dazu:

Für einige Maßnahmen hält das Papier bereits Preisschilder bereit: Der Umbau der Heizungsanlagen im Gebäudebestand wird 3,13 Milliarden Euro kosten, die energetische Sanierung der Gebäude 693 Millionen Euro. Die Transformation der Fernwärmeerzeugung auf Wasserstoff ist mit 1,5 Milliarden Euro eingepreist, Photovoltaik für Gebäude kostet eine ähnliche Größenordnung. Die Windkraftanlagen stehen mit Investitionskosten von 190 Millionen Euro in der Liste, Photovoltaik auf Parkplätzen, Ackerflächen und anderen Grundstücken wird 225 Millionen Euro kosten.

Im IEK geht es hauptsächlich nur um Stromverbrauch und Wärmebedarf. In einer Stadt gibt es aber noch viele weitere Emissionsquellen für Treibhausgase. Im letzten Artikel erwähnte ich schon das Thema Beton. Der ist grundsätzlich nicht klimaneutral, wird in Städten aber immer verwendet. Oder das Thema KFZ-Verkehr – das IEK geht darauf nicht ein. Wie der Verkehr klimaneutral werden könnte, wird im Dresdner Mobilitätsplan 2035+ erarbeitet. Und dann wird dieser und das IEK noch im Stadtrat diskutiert. Wahrscheinlich erst nach der Stadtratswahl im Juni. Es könnte sich also noch etwas hinziehen mit der Dresdner Klimaneutralität.


* Thema Stromverbrauch Dresden: Bei der Recherche zu diesem Wert findet man auch Quellen mit der Angabe, Dresden würde viel weniger, z.B. nur 231 GWh pro Jahr verbrauchen. In dem Fall ist mit „Dresden“ aber nicht das Stadtgebiet Dresden mit all seinen Bewohnern, Firmen usw. gemeint, sondern nur städtische Einrichtungen wie Verwaltungsgebäude, Museen, Theater, Schulen oder Kindertagesstätten.

5 Comments

  1. Ja, die bekannte gängige physikalische Einheit Terrawattstunde. Die ist schon völlig korrekt, denn es geht ja um Terra, also um unsere Erde. Daran sieht man, dass Fachleute an der Ausarbeitung des IEK beteiligt waren. Finde ich echt Mega 😉

    Terrawattstunde

  2. Ob eine Wärmepumpe eingebaut wird, hängt nicht vom Wollen der Hausbesitzer ab.
    Aber ob dort eine Solaranlage installiert wird, das hängt davon ab, ob die Hausbesitzer das wollen?

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