Blaues Wunder – wäre ein Fußweg nur für Radfahrer, einer für Fußgänger die Lösung?

Am letzten Sonntag wurden Radwege auf dem Blauen Wunder markiert. Sofort entfachte das in den sozialen Medien wieder große Diskussionen über „grünen Irrsinn“, Radfahrer sollten sich vielleicht erst einmal an die Verkehrsregeln halten … was man halt so liest, sobald jemand in einer Dresden-Gruppe etwas mit „Radwegen“ erwähnt. Leider schien der Montag den Kritikern Recht zu geben, denn die Änderungen lösten große Staus bei den PKW und Verspätungen im ÖPNV aus.

In vielen Kommentaren konnte man lesen, die Lösung wäre doch ganz einfach: Das Blaue Wunder hat zwei äußere Spuren nur für Fußgänger (Radfahren ist dort verboten). Man müsse lediglich folgendes festlegen: Eine Spur wird nur noch für Fußgänger benutzt, die andere nur noch für Radfahrer. Wieso hört nur niemand auf mich und meine kluge Idee?, fragten viele dieser Kommentatoren verzweifelt.

Ja, warum nur? Weil das alles schon seit langem durchdacht wurde. Und immer wieder verworfen, weil es Nachteile für alle Beteiligten ergeben würde. Hauptsächlich für die Fußgänger. Schauen wir es uns einmal im Detail an.

Der Pfeil zeigt die Flussrichtung der Elbe

Für die hier diskutierte Lösung gäbe es zwei Varianten. Variante 1: Radfahrer benutzen nur noch den Weg auf der Nordseite (stromab) und Fußgänger den Weg auf der Südseite. Variante 2 wäre logischerweise umgekehrt. Schauen wir uns zunächst Var. 1 an.

Sie zeigt sich schnell als die nicht machbare. Der gelb markierte Bereich ist der Fußweg an der Brückenzufahrt, der für die Radfahrer benötigt würde.

Dort münden mehrere Haus- und Geschäftseingänge. Der Weg ist schmal, was durch Laternenmasten noch mehr eingeschränkt wird. Die Anwohner, Geschäftsinhaber und deren Kunden störte es schon immer, wenn Radfahrer trotz Verbot dort auf dem Fußweg fahren. Diesen Weg kann man unmöglich zum offiziellen Radweg erklären. Die laut StVO erforderliche Mindestbreite von 2,5 m für gemeinsame Fuß- und Radwege ist hier nicht gegeben. (Auch die Fußwege auf der Brücke sind nicht breit genug für eine gemeinsame Nutzung.)

Deshalb müssten vom Körnerplatz kommende Radfahrer direkt hinter der Brücke zurück auf die Straße. Auch deshalb, weil rechts ein Treppenaufgang mündet, über den weitere Fußgänger unten von der Elbe kommen. Diese Stelle wäre aber als Rückfahrt auf die Straße gefährlich, weil Radfahrer hier durch das Brückenbauwerk für PKW-Fahrer schlecht sichtbar sind.

Doch selbst wenn man das lösen könnte, blieben die Radfahrer, die vom Schillerplatz kommen. Wie sollen die zur Nordseite der Brücke kommen? Bei Gegenverkehr quer über die Fahrbahn (roter Pfeil) wäre nur eine Option für echte hardcore-Biker mit guter Krankenversicherung.

Es bliebe wieder nur der Fußweg (blauer Pfeil). Was, wie erwähnt, ausscheidet. Nebenbei würde sich auch die Frage ergeben, wie man die ankommenden Radfahrer (weiße Pfeile) so leiten könnte, dass nicht nur geschulte Dresdner Insider, sondern auch erstmalig ankommende Fahrradtouristen sofort erfassen, warum und auf welchen Pfaden sie trotz erkennbarer Straßen plötzlich rüber auf den Fußweg sollen. Extra3 war für „Der reale Irrsinn“ lange nicht mehr in Dresden. Wäre schön, wenn das so bleibt.

Also bleibt nur Variante 2: Radfahrer auf der Südseite, Fußgänger nehmen die Nordseite. Das wäre schade für Radfahrer, denn so müssen sie die Seite mit den zwar historisch wertvollen, aber klappernden Holzplanken nehmen, während die andere Seite angenehm asphaltiert ist. Aber es wäre machbar. Ließe sich die Verkehrsleitung ankommender Radfahrer auf der Gegenseite am Körnerplatz organisieren? Da die Situation dort einfacher ist als am Schillerplatz, gehen wir mal von „ja“ aus.

Wie könnte die Verkehrsführung für Radfahrer aussehen, die vom Schillerplatz kommen? Direkt hinter der Fußgängerampel auf den Weg fahren, geht nicht. Denn auch dieser ist schmal, ähnlich wie auf der anderen Straßenseite. Auch hier verengen Laternenmasten mehrere Stellen. Hier müsste aber auch der Radverkehr aus der Gegenrichtung mit entlang kommen, denn eher kann er nicht zurück auf die Straße. Allein das dürfte sicherheitstechnisch kaum machbar sein, zumal unmittelbar daneben der KFZ-Verkehr fließt, der auch breite Busse und LKW enthält.

Dazu kommt noch, dass etwa in der Mitte dieses Weges ein Treppenaufgang für Fußgänger ist. Bis zur Ampel müssten sich also Fußgänger und Radfahrer beider Richtungen den Weg teilen. Das ist viel zu eng.

Die Auffahrt für Radfahrer auf der Schillerplatz-Seite könnte daher erst unmittelbar vor der Brücke angelegt werden, dort wo jetzt der Radweg beginnt. Das wäre relativ einfach möglich durch eine Absenkung der Bordsteinkante und eine Markierung.

Die Weiterführung wäre etwas unüblich, denn beide Radspuren müssten auf der (in Fahrtrichtung) jeweils linken Seite des Weges bleiben, um die entgegenkommende Spur nicht zu kreuzen. Keine Ahnung, ob so etwas zulässig ist. Wahrscheinlich nicht. Außerdem wäre ein Radweg hier ohnehin nicht zulässig, weil Geländer bei Radverkehrsführungen mindestens 130 cm hoch sein müssen. Das hat uns an der Albertbrücke das berühmte Doppelgeländer eingebracht. Diese Höhe ist hier nicht gegeben und aus Denkmalschutzgründen wird sich das auch bestimmt nicht ändern.

Aber nehmen wir an, der Denkmalschutz würde einem Umbau zustimmen. Die Radfahrer, welche dann vom Körnerplatz entgegen kommen, müssten bis zur Ampel fahren. Ein Leitsystem zu entwerfen, mit dem sie dort wieder in alle Richtungen in den laufenden Verkehr eingegliedert werden können, klingt nach einem herausfordernden Thema für eine Doktorarbeit.

Ein Problem bleibt für Fußgänger, die über die oben gezeigte Treppe zur Ampel wollen. Die müssen sich diese Strecke nun doch mit Radfahrern teilen. Wie könnte man das lösen? Eigentlich nur, indem man den Aufgang ganz sperrt. Das wäre schade darum. Die Fußgänger werden sich freuen.

Auf der Gegenseite, vor dem Körnerplatz, gibt es dasselbe Problem. Auch dort gibt es einen Treppenaufgang. Den kann man nicht einfach sperren, weil das sehr große Umwege für Fußgänger erzeugen würde.

Um Fußgänger nicht zu behindern, müssten vom Schillerplatz kommende Radfahrer am besten gleich hinter der Brücke wieder auf die Fahrbahn. Ein Glück, dass sie bereits auf der linken Wegseite sind. Leider gibt es hier ebenfalls ein sichtbehinderndes Element der Brücke. Sein Abstand bis zur Treppe ist etwas länger als am Schillerplatz – reicht das für eine sichere Fahrradeinfahrt? Das müssten Experten klären.

Aber die Fußgänger, die von hier aus starten (was nun nur noch in Richtung Körnerplatz geht), müssen mit dem Gegenverkehr der Radfahrer leben.

Wie sieht es überhaupt aus Fußgängersicht bei dieser Variante aus? Bisher ging es ja mehr um die Radfahrer. Leute, die vom Körner- oder Schillerplatz zum jeweils anderen wollen, müssten nur eine Fußgängerampel mehr nehmen und drüben ggf. wieder eine zweite zurück. Wäre machbar. Aber es kommen ja nicht alle von da. Manche kommen auch über die beiden Aufgänge an der Südseite. Für diese Leute würden sich die Wege verlängern. Vom Aufgang am Schillerplatz (blauer Pfeil) müsste man nun erst bis zur Ampel (weiß).

Wer nun sagt „die paar Meter“ sollte bedenken, was Fußgänger manchmal für riskante Manöver im Straßenverkehr einlegen, nur um ein paar Meter zu sparen. Wahrscheinlich hat jeder von uns auf dem Gebiet schon spektakuläre Beobachtungen gemacht. Oder selbst verursacht.

Auf der anderen Seite der Brücke spielt der Effekt eine noch größere Rolle. Von diesem Aufgang aus wäre der Umweg 380 Meter lang. Klar: Lächerlich kurz für alle Kommentarschreiber im Internet. Aber würden auch die Menschen da draußen im realen Leben das so sportlich nehmen? Wahrscheinlich nicht. Bestimmt werden einige sagen „ach komm, wir gehen gleich hier über die Straße. Ich sehe gerade kein Auto“. Auch nicht das, was gerade noch hinter dem Brückenbogen war.

Fazit: Wenn der Denkmalschutz einem Umbau des Geländers zustimmt und eine exotische Sonderregelung für Radwege auch Linksverkehr zulässt, wäre es für Radfahrer machbar. In einer Richtung entsteht mehr Wartezeit an Fußgängerampeln. Mit dem benötigten Radfahrer-Leitsystem am Schillerplatz darf gern ein Experte in der Fachwelt berühmt werden. Die Nachteile hätten die Fußgänger.

Zum Abschluss noch das ultimative Argument, weshalb das alles gar nicht machbar ist: Diesen Blick vom Blauen Wunder in Südrichtung hätten Fußgänger dann nie wieder. Damit haben wir hier einen drohenden Verlust wertvoller historischer Blickbeziehungen vorliegen! Im Zusammenhang mit Brücken ist das in Dresden bekanntlich ein absolutes No-Go.


Quelle der Karten: Themenstadtplan Dresden

4 Comments

  1. Vielen Dank für den interessanten Artikel.

    Meiner Meinung nach ist das Problem aber gar nicht der Radweg. Das Problem ist die Verteilung der Autos Richtung Schillerplatz. Vorher gab es drei Spuren (Linksabbieger, Geradeaus, Rechtsabbieger). Jetzt teilen sich Linksabbieger und Geradeausfahrer eine Spur. Die Rechtsabbiegerspur war jeden Morgen komplett frei. Die Anzahl der Autos, die links abbiegen bzw. geradeaus fahren wollten, erschien mir fast 50-50. Wenn also der Radweg ganz nach rechts gezogen würde (kein gefährliches Kreuzen des Radwegs durch Rechtsabbieger mehr), die Rechtsabbiegespur und Geradeausspur zusammengelegt werden würden und nur die Linksabbiegerspur separat bliebe, könnte man mehr Autos an die Kreuzung heranführen, hätte das gefährliche Kreuzen des Radwegs umgangen und würde signifikant Wartezeiten verkürzen (vorausgesetzt eine neue Ampelschaltung – erscheint mir aber als lösbares Problem). Man könnte sogar einen grünen Abbiegepfeil machen und damit die geteilte Spur zusätzlich entlasten.

  2. Ja, ich denke auch, dass die Zusammenlegung der Spuren Linksabbieger/Geradeaus das Problem ist. Bisher war es so, dass mit jeder Grünphase drei etwa gleich große Menge PKWs fahren konnten, von jeder Spur aus eine. Die Grünphase war immer etwa so lang, dass die PKW, die sich ab Brückenende auf den 3 Spuren gesammelt hatten, durchkamen. Danach konnten sich die Neuankömmlinge wieder auf drei Spuren verteilen, was bis zum nächsten Grün etwa abgeschlossen war.

    Die Verteilung müsste dadurch jeweils etwa gedrittelt gewesen sein: 33% fuhren nach ganz links zur Tolkewitzer Str, die 33% der Mittelspur verteilten sich zur Hübler- & Kretschmerstr. und der Rest fuhr nach rechts. Diese Verteilung ist aber nur eine Schätzung, ich habe das nicht gezählt.

    Nun müssen jedenfalls die ehemals 67% von links & mitte auf die eine linke Spur. Anscheinend hat man das durch eine längere Grünphase auszugleichen versucht. Deshalb ist die Rechtsabbiegerspur immer schnell leergefahren. Und es hat die Grünphasen für die Querverbindung kürzer gemacht. Ich hatte mich am Montag gewundert, warum sich der Verkehr auf dem Käthe-Kollwitz-Ufer so weit zurückstaut, obwohl dann auf der Brücke in Richtung Körnerplatz kaum jemand war.

    Wie man es besser machen könnte – da bin ich momentan vorsichtig mit Erklärungen. Ich tendiere momentan dazu, dass man die Radspur lediglich auf Länge der Brücke ziehen solle. Danach müsste man sich einfach wieder so in den Verkehr einordnen, wie wir das die ganzen letzten Jahre auch taten. Vor allem im letzten Jahr, seitdem es nur noch die zwei breiten Fahrspuren gab, lief ja eigentlich alles sehr gut. Ich habe inzwischen schon von mehreren Radfahrern die Meinung gelesen, so hätte man es einfach lassen sollen.

    Sollte man die Radspur rechts an der Straße weiterführen? Könnte man machen, aber wie kommt man dann als Radfahrer in Richtung Hüblerstr. & Tolkewitzer Str. weiter?

  3. Danke für den ausführlichen Bericht. Ich finde nicht, dass der Zustand vor dem Verkehrsversuch (zwei breite Fahrspuren) besser war, als der während des Verkehrsversuchs. Die Kfz hatten häufig eine sehr hohe Geschwindigkeit im Bereich der Kreuzung Schillerplatz und überholten meist auch bei der Einfahrt in die Hüblerstraße mit überhöhter Geschwindigkeit. Ich hatte auch jedesmal Bedenken beim Einsortieren in die Geradeaus-Spur Richtung Schillerplatz, dass mir ein Kfz hinten reinrast. Durch die roten Streifen scheint mir der Radverkehr wesentlich präsenter auf der Brücke und in Richtung Schillerplatz. Ich denke, dadurch sind die Kfz auch langsamer. Das ist alles jetzt subjektiv, ich bin gespannt, was die Auswertung vom Versuch in einigen Wochen/Monaten ergibt. Die Auffahrt vom Körnerplatz auf die Brücke muss dringend mit einem früher startenden Radweg nachgebessert werden. Zurzeit rasen die Kfz nach wie vor auf den zwei Fahrspuren vom Körnerplatz Richtung Blasewitz auf die Brücke.

  4. Was ich nicht verstehe ist, dass ich jahrelang mit dem Fahrrad mit wechselnden Regelungen auf den Seitenflächen gefahren bin. Auch als Fußgänger habe ich das Blaue Wunder jahrelang benutzt. Ein wirkliches Problem gab es damit nie. U.u. musste man vom Rad absteigen und die Seite wechseln. Oder als Fußgänger musste man eben mit einer eingeschränkten Breite des Fußweges leben. Aber das war alles kein Thema und wie man sieht nutzen weiter Radfahrer eine der Fußgängerseiten weil man einfach trotz Radweg nicht mit, zwischen und neben dem Verkehr über die Brücke fahren möchte.
    Jetzt haben insbesondere die wenigen Fußgänger ohne Ende Platz während sich alle anderen über die Brücke quälen. Für mich ist das nicht nachvollziehbar.

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