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Kommunalwahl Dresden: Wollten einige Kandidaten gar nicht gewählt werden?

2013-08-19_wahlkreuzDieser Gedanke drängte sich mir in den letzten Wochen auf. In einem meiner letzten Artikel erwähnte ich zum Thema Kommunalwahl in Dresden, dass es bei den Kandidaten jeder Partei eigentlich keine Spitzenkandidaten gibt. Der Listenplatz jedes Kandidaten hat keine Wertung. Jeder Kandidat einer Partei ist wahltechnisch gegenüber seinen Mitbewerbern gleichberechtigt und kann an ihnen „vorbei ziehen“, wenn er mehr Stimmen erhält.

Ich schrieb auch, dass es aus Wählersicht wichtig wäre, nicht nur nach Partei zu wählen, sondern sich anzusehen, wer die konkreten Kandidaten sind. Es gibt bei ihnen immerhin Unterschiede, warum sich jemand zur Wahl stellt, warum er überhaupt zur Politik kam und welche Themenschwerpunkte bzw. welchen Bezug zu seinem Stadtteil er hat. Eine naheliegende Frage für den Wähler wäre also:  Welchem Kandidaten geht es um die Themen, die mir wichtig sind? Das könnte sogar dazu führen, dass man sich für eine andere Partei entscheidet, als man normalerweise wählen würde, wenn der überzeugendste Kandidat in der anderen ist.

Insofern fand ich es ziemlich seltsam, dass erstaunlich viele der Kandidaten kaum etwas dafür vorbereitet hatten, damit Wähler sich über sie informieren könnten. Möglicherweise gingen sie davon aus, dass es reicht, an einigen Wahlkampfveranstaltung teilgenommen zu haben? Leider erreicht man damit aber nicht alle Interessenten, manche dieser Veranstaltungen waren übrigens so schlecht beworben, dass keiner etwas davon erfuhr*.

(Am 19. Mai gab es z.B. ein Kommunalwahlforum in Loschwitz mit 8 Kandidaten, zu dem nur 12 Zuschauer kamen. Es gab allerdings auch nirgends einen Hinweis darauf.)

Was wäre denn das einfachste, sich den Wählern vorzustellen? Ja, genau: Per Internet. Es sollte doch heutzutage kein technisches Problem mehr darstellen, sich eine einfache Internetseite einzurichten, auf der man sich kurz vorstellt und beschreibt, warum das „Wählt mich!“ wichtig ist. Was hat den Kandidaten bewogen, in der Stadtpolitik aktiv zu werden, wo liegen seine Schwerpunkte, wo seine Kompetenz? Das kann doch nicht so schwer sein.

Bei einigen Fraktionen haben das die Parteien selbst erledigt, am besten hatten das die CDU und DIE LINKE umgesetzt*. Beides ließ sich über Suchmaschinen auch leicht finden, wenn man nach einem Kandidatennamen googelte. Die Informationen über die Kandidaten hätten allerdings noch etwas ausführlicher sein können.

(* Die Seiten hier zu verlinken, lohnt sich m. E. nicht, da sie nun nicht mehr benötigt werden, also möglicherweise bald wieder aus dem Netz genommen werden)

Umgesetzt wurde es so auch von den GRÜNEN, allerdings war das Ergebnis mit einfachen Google-Suchanfragen nicht zu finden, man musste schon etwas Kreativität bei der Suche einsetzen. Bei der FDP haben einige Kandidaten immerhin eigene Internetseiten. Ziemlich katastrophal sah es beim „Bündnis Freie Bürger“ aus. Mehr als die Vorstellungen der Kandidaten von Listenplatz 1 waren hier nicht zu finden. Es wirkte, als hätte man sich beim Bürgerbündnis gesagt: „Mehr als Listenplatz 1 zu beschreiben, hat eh keinen Sinn, denn mehr als drei Leute bekommen wir sowieso nicht in den Stadtrat. Uns wählt wahrscheinlich wieder kaum jemand“. Wer so herangeht, muss sich nicht wundern, wenn dann genau dieses Ergebnis auch eintritt. Vielleicht hätte es durchaus mehr Stimmen für diese Fraktion gegeben, wenn man sich besser vorgestellt hätte? In meinem Wahlkreis gab es zusätzlich zu Listenplatz 1 fünf weitere Bewerber. Über keinen von denen waren Informationen zu finden.

Ich will jetzt nicht alle Parteien durchgehen, aber als ähnlich schlecht erwies sich die SPD. Leicht zu finden war da schon mal gar nichts, per Suchmaschine war die Kandidatenliste der Wahlkreise deutlich schwerer zu entdecken als die Liste der GRÜNEN.  Auf dem Ergebnis fand man zwar ein paar nette Bilder der Kandidaten, aber ansonsten: Null Informationen!

Wollten die nicht gewählt werden?

Oder gab es den parteiinternen Konsens, sich keine interne Konkurrenz zu machen, damit der Kandidat von Listenplatz 1 nicht gefährdet wird? Damit nimmt man aber dem Wähler einen Teil seiner Mitbestimmungsmöglichkeit. So gesehen könnte man es auch wieder abschaffen, dass der Wähler bei Kommunalwahlen konkrete Personen wählen darf, dann können wir auch wieder die Methode der reinen Parteiwahl, verbunden mit „Jeder nur ein Kreuz“ einführen. Oder ging man davon aus, dass der typische Wähler ohnehin nicht weiß, wie es funktioniert und dass er sowieso immer nur den obersten Namen ankreuzt? Dass man als Kandidat also nur auf das Glück hoffen kann, bei ausreichend vielen Stimmen nachrücken zu dürfen?

Das bleibt trotzdem eine verschenkte Möglichkeit gegenüber dem interessierten Wähler. Es ist ziemlich absurd, sich erst als wählbarer Kandidat aufzustellen und sich anschließend gegenüber den Wählern überhaupt nicht vorzustellen.

5 Comments

  1. Ich habe mich auch darüber gewundert, vor allem, weil mit ‚Kandidaten‘ meistens ‚Spitzenkandidaten‘ gemeint waren. Viele Leute klagten, dass sie die Kandidaten nicht kannten, und etwas über sie im Internet herauszufinden war schwer. Andererseits profitieren bei kleinen Parteien die Kandidaten, weil die Wähler eine Partei wählen – es ist unwichtig, wer reinkommt. Bei den großen hat mich die Unübersichtlichkeit irritiert – teilweise gab es 9 Kandidaten!

  2. Ich kann hier nur für B90/Grüne sprechen (WK 10, LP 4):
    Zuerst kommen die, die nach der Erfahrung die meisten Chancen haben und/oder bereits im Stadtrat sitzen und/oder unbedingt hinein wollen, danach die, die auch bekannter sind im WK und sich bei einem überraschenden Erdrutschsieg der Partei nicht gegen eine aktive Mitarbeit im Stadtrat zur Wehr setzen würden. Beachte: Die Arbeit muss ja, ist man erstmal gewählt, dann auch gemacht werden! Ja und den „Rest“ machen dann andere WK-Aktivisten aus (so wie ich). Dazu kommt, dass es Menschen im WK gibt, die zwar die Partei mögen, aber nicht den Herrn Müller, der auf der Liste ganz oben steht – viellecht weil er beim Bäcker immer vordrängelt. Der- bzw. Diejenige kann dann eben Frau Schulze wählen, die sich immer brav anstellt.

  3. @Jens: Also ich weiß ja nicht, aber zu Kandidaten, die sich

    nicht gegen eine aktive Mitarbeit im Stadtrat zur Wehr setzen würden

    würde ich spontan schreiben: Die sollten sich besser erst gar nicht aufstellen lassen. Aber weil Du es bist 😉 (ich wusste nicht, dass Du auch mit kandidiert hast) schlage ich als als Kompromiss vor: Wer sich tatsächlich nur als stille Reserve für erdrutschartige Siege betrachtet, obwohl er gar nicht viel Zeit für aktive Arbeit im Stadtrat hätte, der soll durchaus besser auf Eigenwerbung verzichten. In dem Fall wäre das okay.

    Aber im Falle von Frau Schulze könnte es ja sein, dass vielleicht gar nicht alle im Stadtteil wissen, dass die sich immer so brav beim Bäcker hinten anstellt. Für sie wäre etwas Eigenwerbung „Wählt mich! Ich stelle mich ordentlich an!“ nicht verkehrt.

    Ich gebe in dem Fall allerdings zu, dass Herr Müller den überzeugenderen Slogan hätte: „Ich stelle mich nicht so an. Vorwärts zu schnellen Erfolgen!“ 🙂

  4. Was soll ich denn über die Piraten schreiben? Ich habe auch nichts über Die Partei, Die Freien Wähler oder die AfD geschrieben. Aber ersatzweise kopiere ich gern zwei Kommentare von Google+ zu diesem Artikel hierher:

    Kommentar

    Sehr schöne Zeilen. Geh ich voll mit. Nicht mal die Piraten haben das gescheit gemacht. Los gegooglet zu den Namen auf der Liste und Leere vorgefunden.

    ich darauf:

    Ja, die Piraten lagen auch nur im Mittelfeld, was die Auffindbarkeit betrifft. Ich hatte noch überlegt, das zu erwähnen, aber man soll sich ja halbwegs kurz fassen :-)

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