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Pussy Riot: Online-Petitionen werden allmählich langweilig

Wie viele Online-Petitionen werden eigentlich täglich ins Netz gestellt? Keine Ahnung. Wie viele Leute unterzeichnen diese Petitionen? Wahrscheinlich eine ganze Menge. Ich habe den Verdacht, dass der Großteil davon Facebook-Nutzer sein dürften. Das muss man sich als Außenstehender im Ablauf etwa so vorstellen: Da kommt ein lustiges Katzenfoto – haha, gefällt mir, klick! Video mit einem Radfahrer, der auf die Fresse fliegt. Haha.  Ein Aufruf, eine Petition für oder gegen xyz zu unterzeichnen. Aufregung beim Facebook-Nutzer. Die da oben schon wieder mit ihren Machenschaften! Die Merkel, Putin, die Amis, völlig egal … klar unterschreibe ich das! Jetzt werden sie mal sehen, was sie davon haben … Und schon kommt das nächste lustige Katzenfoto, haha …

(Ich möchte ausdrücklich anmerken, dass dies nicht die mit mir dort befreundeten Nutzer betrifft. Aber wenn man bei anderen manchmal Stichproben macht, kommt man zu deprimierenden Ergebnissen.) 

Machen wenigstens zehn Prozent der Leser vor dem Unterzeichnen eine kleine Gegenrecherche, wie berechtigt die Petition eigentlich ist? Prüft wenigstens nur ein Prozent der Petitions-Unterzeichner, zu welchem Ergebnis die Petition später führte? Ich denke nicht.

Aktuelles Beispiel: Amnesty International fordert: „Freiheit für Pussy Riot!“ Im Text stehen so aufrüttelnde Dinge wie

– Pussy Riot hätte „ein ‚Punkgebet‘ aufgeführt, um gegen Präsident Putin und die zunehmende Unterdrückung der Opposition zu protestieren“.

– Das Urteil sei „ein herber Schlag nicht nur gegen die drei jungen Frauen, sondern gegen die Meinungsfreiheit in Russland generell“.

Klingt schlimm, aber wenn man sich diesen Artikel in der FAZ durchliest, wird man das möglicherweise ein wenig anders sehen. Amnesty International behauptet auch

„Unabhängig davon, wie man zu dem Protest in der Christ-Erlöser-Kathedrale steht, ist die strafrechtliche Verfolgung dieser Aktion als ‚Rowdytum‘ und die Verhängung einer Freiheitsstrafe in diesem Zusammenhang nach internationalen Menschenrechtsstandards nicht zu rechtfertigen.“

Ähmm … doch, man kann das durchaus als Rowdytum einstufen und die Freiheitsstrafe ist durchaus zu rechtfertigen. Das Verfahren hätte sich in Deutschland ebenfalls ereignen können, denn bei uns wird es ähnlich bestraft. Hier einmal ein solches Beispiel aus Deutschland. Und dass die Haftbedingungen für Frauen in Russland etwas härter sind als in Deutschland – darüber hätten sich die Damen von Pussy Riot ja auch vorher informieren können. Internet und Google soll es sogar unter dem Diktator Putin geben.

Und wer nun noch ein stellenweise etwas ekliges Video sehen möchte, sollte einmal nach dem Video mit dem Suppenhuhn suchen. Nein, das ist keine Pornografie, sondern die Dokumentation von Pussy-Riot-Kunstaktionen.

12 Comments

  1. Ahoi!^^

    Jaja, der „Welt“ einfach alles nachzuplappern geht aber in Ordnung. Ist ja schließlich se seriöse und vor allem ganz und gar objektive Zeitung, in der nur anständige Journalisten „wohnen“.

    Fragen wir doch einfach mal jemanden, der sich (noch) besser damit auskennt: http://www.internet-law.de/2012/08/waren-die-mitglieder-von-pussy-riot-auch-in-deutschland-hinter-gittern-gelandet.html

    Nur meine zwei Eurocents
    Fidel

    P.S. Ich habe die Rechtshinweise nicht gelesen. Komme ich jetzt auch in den Knast? 😉

  2. Ich habe die Rechtshinweise nicht gelesen. Komme ich jetzt auch in den Knast?

    Blödsinn. Es geht darum, dass man als Blogbetreiber für Kommentarinhalte verantwortlich ist, weshalb ich hier darauf hinweise, dass ich bestimmte Kommentarinhalte ggf. ohne weitere Erklärung löschen würde.

  3. der “Welt” einfach alles nachzuplappern geht aber in Ordnung. Ist ja schließlich se seriöse und vor allem ganz und gar objektive Zeitung

    Wenn die Argumentation nachvollziehbar und die Fakten belegbar sind (siehe Video) dann zitiere ich durchaus auch mal die „Welt“.

    Fragen wir doch einfach mal jemanden, der sich (noch) besser damit auskennt

    Und? Kommt dort wirklich ein anderes Ergebnis heraus? Kann Thomas Stadler definitiv ausschließen, dass bei vergleichbaren Fällen in Deutschland auch Gefängnisstrafen verhängt werden würden? Da ein wirklich vergleichbarer Fall in Deutschland nicht vorliegt, ist jede Spekulation darüber, wie ein deutsches Gericht dann tatsächlich entscheiden würde, etwas vage (zumal auch unterschiedliche Richter unterschiedlich entscheiden könnten). Aber es wäre aufgrund unserer Gesetzeslage theoretisch denkbar, dass auch in Deutschland ein solcher Fall ähnlich bestraft würde.

  4. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil! 😉

    ErsttäterInnen kommen idR mit einer Geldstarfe UNTER 90 Tagessätzen weg. Das von Dir verlinkte Urteil bezog sich auf einen Wiederholungstäter.

    Außerdem liegt es durchaus nahe, dass Pussy Riot es in erster Linie auf Vladimir Putin, und nicht auf die Kirche abgesehen hatten.

    Ich sehe es (eben)so, dass Pussy Riot gerade ziemlich hoch gehängt wird.

    Erst vor wenigen Stunden hatte ich einen Artikel (auf/in facebook) gepostet, der einen anderen Aspekt zu Pussy Riot be- und mir einleuchtet.

    Ich sage nur Regensburger Domfotzen: http://www.spiegelfechter.com/wordpress/8500/pop-aktion-und-uberlegenheitskult

    Fidel

  5. Das Wörtchen „Ersttäter“ hatte ich durchaus gelesen. Das Problem daran ist, dass diese Vergleicherei mit Deutschland hier immer schwieriger wird, wenn wir uns nun bereits mit juristischen Auslegungen zu befassen beginnen. Wie definiert man denn Ersttäter? Ist es jemand, der schon mal wegen ähnlicher Vergehen nur erwischt, oder wegen solcher auch bestraft wurde? Im ersteren Fall wären Pussy Riot keine Ersttäter mehr, ansonsten schon. Hier begebe ich mich auf völliges Glatteis. Und solange es keinen wirklich vergleichbaren Fall in Deutschland gibt (die kürzlichen Nachahmer waren ja lächerlich), können wir da sonstwas hinein interpretieren. Uns bleibt der Vermutungs-Spielraum: Prinzipiell könnte man auch bei uns dafür Strafen bis zu einem Höchstmaß bekommen, aber wahrscheinlich würde ein Gericht das in der Praxis wohl nicht so anwenden.

    Fakt ist aber: Im vorliegenden Fall gilt ohnehin das russische und nicht das deutsche Recht. Die Mädels haben eine bescheuerte Aktion gemacht, die nur auf Krawall ausgerichtet war. Mit politischer Oppostion hat solcher Quatsch wenig zu tun, denn eine brauchbare Aussage bzw. Kritik war da ja nicht zu finden. Das Strafmaß mag übertrieben sein, aber sie hätten sich vorher informieren können, was ihnen dümmstenfalls passiert. Warum soll ich mich für ein paar – Entschuldigung aber – dumme Mädels aus Russland engagieren?

    Danke für den Hinweis auf Spiegelfechter – bin heute noch nicht zum Lesen gekommen.

  6. Also, wenn das Video auf Viddler.com authentisch ist, dann würde ich meinen: 2:1 für Putin.
    Das Strafmaß ist der einzige Pluspunkt für PR – oops, witzig dass sich „Pussy Riot“ als PR abkürzen lässt 😉 … mehr als PR-Aktionen waren es auch nicht.
    Die anderen beiden Punkte gehen an Putin für den Negativ-Effekt der Aktionen, weil sie mehr oder minder Selbstdarstellungen der Akteure/“Aktösen“ sind und weil sie weder ästhetisch noch intelligent gemacht waren. Auch wenn das auf viel Halbwissen meinerseits basiert.
    Naja, „Aufstand der M**en“ eben 😉 … wirkt für mich alles wie ne Mischung aus den sexuellen Elementen der 68er und Jeff Koons & Cicciolina …

    Persönlich finde ich die Aktionen der ukrainischen Aktivistinnen von Femen etwas ansprechender, auch wenn ich – wenn ich eine Frau in der Ukraine wäre 😉 sicher andere Politik-Kunst-Aktionen machen würde … vermutlich weniger aggressiv.
    Doch naja, ich bin weder eine Frau noch lebe ich in der Ukraine oder in Russland … also, halte ich mal lieber den Mund bzw. die Bälle flach 🙂

  7. Der Hannah-Arendt-Preis

    für politisches Denken ist kein akademischer, sondern ein öffentlicher Preis. Es werden Personen geehrt, die das „Wagnis Öffentlichkeit“ angenommen haben und das Neuartige in einer scheinbar sich linear fortschreibenden Welt denkend und handelnd erkennen und mitteilen. Über die Vergabe des Preises, der mit 7.500 Euro dotiert ist, entscheidet eine internationale Jury. Das Preisgeld wird von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Senat der Freien Hansestadt Bremen gestiftet.

    Das Wagnis Öffentlichkeit bestand bei Pussy Riot darin barbusig auf einem Kirchenaltar zu tanzen.
    Im heutigen Russland kann man Protest gegen Putin anders anbringen. Die Gören haben nicht unbedingt Gefängnis in Sibirien verdient, eine Abreibung für die Kirchenschändung schon. Diese Preisverleihung schadet dem Preis und disqualifiziert die Preisvergeber.

  8. Aber barbusig in der weltweit bekannten russischen Kälte aufzutreten, ist doch auch irgendwie ein Wagnis 😉

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