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Warum Tempo 30 auf der Waldschlösschenbrücke keinen Nutzen für Fledermäuse hat

Seit einem Monat ist auf der berühmtesten Dresdner Brücke wieder Tempo 30-Befehl für die Nachtstunden angeordnet. Jedes Mal, wenn ich dort entlang fahre – und das geschieht nun doch öfter, als ich vor der Eröffnung dachte – jedes Mal denke ich über den Sinn dieser Geschwindigkeitsbegrenzung nach. Aber da gibt es gar nicht so viel nachzudenken, denn einen Sinn hat Tempo 30 dort nicht. Okay, für die Stadtkasse vielleicht dank der Blitzer, aber für Fledermäuse eher weniger. Und das liegt nicht daran, dass es dort gar keine Fledermäuse gibt – doch, die gibt es. Selbst eine Kleine Hufeisennase könnte sich vielleicht einmal dorthin verirren. Auch wenn es unwahrscheinlich ist. Nein, es hat damit zu tun, dass der ursprüngliche Grund für die Geschwindigkeitsbegrenzung nie gebaut wurde.

Tempo 30 wurde für die Waldschlösschenbrücke per Gerichtsbeschluss festgelegt. Am 12.11.2007 beschloss das Sächsische Oberverwaltungsgericht diese Geschwindigkeitsbegrenzung, um so eine potentielle Gefährdung der Kleinen Hufeisennase auszuschließen, die durch den sogenannten „Falleneffekt“ entstehen könnte. Von diesem spricht man (*) in folgendem Fall: Insekten umschwirren in den Sommermonaten bekanntlich oft leuchtende Straßenlampen. Dort kann man gelegentlich beobachten, dass sich auch Fledermäuse einstellen und wiederum den Insekten nachjagen. Manche Nachtfalter sind aber in der Lage, die Ultraschall-Echoortung der Fledermäuse zu hören. In solchen Fällen versuchen die Falter, vor ihren Feinden zu fliehen. Manche der Insekten lassen sich dafür einfach zu Boden fallen. Dabei – so die Befürchtung – könnte dann auch einmal eine unaufmerksame Fledermaus ihrer Beute in Richtung Boden nachfliegen und dort unten versehentlich überfahren werden.

(* Sehr viele Biologen scheinen gar nicht davon zu sprechen. Das Wort „Falleneffekt“ sollte vielleicht besser „Falleffekt“ heißen, denn es taucht bei Google außerhalb des Themas „Waldschlösschenbrücke“ nirgends im Zusammenhang mit Fledermäusen auf.)

Das Problem ist nur: Die Straßenlaternen, die zum Zeitpunkt dieses Gerichtsbeschlusses auf der Waldschlösschenbrücke noch vorgesehen waren, wurden nie gebaut. Da bereits damals der Streit um die Aberkennung des Weltkulturerbe-Titels im Gang war, versuchte man 2008 mit einer etwas veränderten Variante der Brücke, der sogenannten „Burger-Variante“, die UNESCO umzustimmen. Das Ergebnis ist bekannt und von der Burger-Variante wurde nur das Beleuchtungskonzept übernommen. Die Peitschenleuchten, welche ursprünglich mehrere Meter über der Fahrbahn Licht spenden sollten, wurden durch seitlich im Geländer untergebrachte LED-Leuchten ersetzt.

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Allerdings kann dadurch nun auch keine Fledermaus mehr überfahren werden, wenn sie einem zu Boden stürzenden Insekt nachjagen sollte. Denn die Beleuchtung ist nicht mehr über der Fahrbahn, sondern mehrere Meter daneben. Von Autos droht dort keine Gefahr.

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Insofern wäre es nun fast logischer, nachts das Radfahren oder zu Fuß gehen auf der Brücke zu verbieten, aber ich will hier mal keine Ideen äußern, deren Umsetzung ich anschließend selbst anprangern müsste.

Wenn Tempo 30 in einer anderen Weise für Fledermäuse sinnvoll wäre, könnte man die Sache natürlich akzeptieren. Aber dann müsste halb Dresden, vielleicht sogar mehr, zur Tempo 30-Zone ausgewiesen werden, denn bei uns im Stadtgebiet leben ziemlich viele Fledermäuse. In der Stadt und den angrenzenden Landkreisen hat man schon 18 der in Sachsen vorkommenden Fledermausarten gefunden (je nach Quelle sind es auch 19 oder 20). Schlecht scheint es den Tieren bei uns nicht zu gehen. Wenn Tempo 30 für sie einen Sinn hätte, müsste man unter anderem alle Straßen rings um den Großen Garten mit 30-Schildern versehen, man müsste auf allen von Peitschenlampen ausgeleuchteten Straßen rings um die Dresdner Heide die Wiederentdeckung der Langsamkeit ermöglichen, am Elbhang entlang müsste man bis hinaus nach Pirna alles auf 30 begrenzen, denn in der Umgebung von Pillnitz hat die Kleine Hufeisennase ihr Hauptvorkommen.

Das ist mit Pirnaer Autofahrern aber definitiv nicht zu machen, so langsame Geschwindigkeiten kennen die gar nicht.

3 Comments

  1. Bei deinem Vorschlag, das ganze Stadtgebiet Tempo 30 zu machen, geh ich auf jeden Fall mit. Dann nimmt vielleicht doch der ein oder andere mal das Fahrrad, weil es dann damit schneller geht und die Gefahr kleiner geworden ist, auf die Haube genommen zu werden.

  2. Frank: … einen Sinn hat Tempo 30 dort nicht. Okay, für die Stadtkasse vielleicht dank der Blitzer, aber für Fledermäuse eher weniger. … Nein, es hat damit zu tun, dass der ursprüngliche Grund für die Geschwindigkeitsbegrenzung nie gebaut wurde.

    Ihre Worte in die Ohren der Zuständigen !
    Zumal das Gericht den Weg schon gewiesen hatte :

    Möglich sei es auch, die Wirkung der in Betracht kommenden Brückenbeleuchtung näher zu untersuchen und die am besten geeigneten Beleuchtungsmittel festzulegen. Denkbar sei auch die Anordnung von Beobachtungsmaßnahmen (sog. Monitoring). Gerade bei wissenschaftlicher Unsicherheit über die Wirksamkeit von Schutz- und Kompensationsmaßnahmen könne es sich anbieten, durch ein Monitoring weitere Erkenntnisse über Beeinträchtigungen zu gewinnen und dementsprechend die Durchführung des Vorhabens zu steuern.

  3. Und ich dachte immer, ich bediene ganz billige Klischees, wenn ich beim Anblick von PIR mit den Zähnen knirsche….

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