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Energiewende: Dezentralität ist nicht besser

2013-11-4_strommast„Die Energiewende funktioniert nur dezentral“ oder „die Erneuerbaren schürfen ihren Vorteil gerade aus der Dezentralität“ – geradezu mantraartig tauchen solche Aussagen im Zusammenhang mit der Energiewende immer wieder auf. „Dezentral ist besser“. Aber stimmt das?

Das Problem mit der Dezentralität beginnt schon beim Begriff: Was ist denn eigentlich zentral und was dezentral? In der allgemein verbreiteten Auffassung scheint „zentral“ für Großkraftwerke wie Atom- und Kohlekraftwerke zu stehen, „dezentral“ dagegen für kleinere Anlagen, die sich möglichst direkt beim Verbraucher befinden.

Direkt beim Verbraucher sind auch Stadtwerke wie z.B. die sechs Heizkraftwerke bei uns in Dresden – sind diese also dezentral? Aber eigentlich sind sie ja bei uns Stadtbewohnern im Zentrum des Verbrauchs – sind sie insofern nicht eher zentral? Sind die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz umgekehrt also dezentral, weil sie ja weit weg von größeren Stadt- und Industriezentren sind?

Oder geht doch um die Größe, weil in Großkraftwerken an einer Stelle (zentral) viel Energie erzeugt wird? Dann würden Kleinanlagen logischerweise die Dezentralität verkörpern. In dem Fall sollte man einmal die Grenze definieren, ab welcher Leistung eine Anlage als „zentral“ eingestuft werden muss. Ansonsten könnte das beim Beispiel der Dresdner Heizkraftwerke zu dem absurden Fall führen, dass wir ein „zentrales“ Heizkraftwerk haben (Nossener Brücke, elektrische Leistung 270 MW) und fünf „dezentrale“ mit Leistungen von jeweils etwa 2 MW bzw. 1x 10 MW (HKW Nord). Sehr logisch klingt das nicht, zumal die Kraftwerke alle dasselbe tun und gleichmäßig in der Stadt verteilt sind. Aber da Dezentralität ja aus irgendwelchen Gründen als das Bessere gilt, wären die kleinen HKW positiver als das eine große. Was aber an fünf Kleinanlagen besser sein soll, obwohl sie weniger als 10% der Energie der Großanlage erzeugen, das erschließt sich nicht ganz. Immerhin benötigen auch die kleinen Anlagen jeweils ein komplettes eigenes Gebäude und notwendige technische Grundeinrichtungen in entsprechend mehrfacher Ausführung. Letztlich ist eine große Anlage dadurch schon einmal ökonomischer als viele kleine. Warum sollte eine so definierte Dezentralität dann besser sein?

Bestes Beispiel: Photovoltaik

Kleine Solaranlagen auf Eigenheimdächern gelten als Inbegriff der Dezentralität und sind das beste Beispiel, warum Dezentralität die schlechtere Lösung ist.

Wenn man die etwas unsinnig erscheinende Definition „große Leistung=zentral“ gelten lässt, dann wäre auch ein großer Windpark oder ein großes Solarfeld zentral. Ist ein großes Solarfeld aber schlechter als viele einzelne Solarpanels auf unterschiedlichen Dächern? Nein, ganz im Gegenteil: Für eine optimale Energieausbeute mit PV-Technik ist es wichtig, dass das Panel möglichst exakt nach Süden ausgerichtet und im perfekten Anstellwinkel montiert ist. Auf einem Solarfeld ist es überhaupt kein Problem, alle Panels in diesem Anstellwinkel und in perfekter Südausrichtung zu montieren. Auf Hausdächern dürfte diese Möglichkeit dagegen fast nie gegeben sein, denn Hausdächer haben bestenfalls zufällig einmal diesen Winkel und stehen vor allem selten perfekt nach Süden ausgerichtet. Selbstverständlich gewinnt man auf diesen Hausdächern trotzdem noch Energie, aber eben nicht so viel wie bei perfekter Aufstellung. Eine große (zentrale!) Solaranlage hat deshalb eine höhere Ausbeute als gleichviel auf unterschiedlichen Hausdächern installierte PV-Panels – ein Solarfeld ist also energietechnisch effektiver als die dezentrale Lösung.

Große Solarfelder sind nicht nur von der Ausbeute her besser als viele Kleinanlagen, sie sind auch grundsätzlich die ökonomisch bessere Variante. Wenn ein Solarfeld errichtet wird, können die immer gleich anfallenden Arbeitsschritte der Montage hintereinander weg erledigt werden, Transporte können jeweils größere Materialmengen bewegen – man erreicht also pro zu installierender Leistungseinheit einen geringeren Arbeits- und Transportaufwand als bei Kleinanlagen. Da man üblicherweise für größere Materialmengen Rabatte erhält, wird es bei der Großanlage zusätzlich billiger – je größer sie Anlage ausfällt, desto besser. Auch hier gibt es klare Pluspunkte bei der großen „zentralen“ Lösung.

Und letztlich sprechen auch technische Aspekte dafür. Für eine sichere Energieversorgung ist es wichtig, dass die Energiequellen regelbar sind – die Stromerzeugung muss immer an den Verbrauch angepasst werden. Bei Photovoltaik kann das gegenwärtig nur so umgesetzt werden, dass die Module komplett abgeschaltet werden. Auf einem großen Solarfeld kann diese Regelung prinzipiell durch Abschaltung einzelner Baugruppen stufenweise viel genauer angepasst werden als in Kleinanlagen. Auch der durch Nichteinspeisung entstehende finanzielle Verlust wäre für den Betreiber (unter Marktbedingungen) bei der Großanlage durch die nur teilweise Abschaltung geringer als die Komplett-Abschaltung einer Kleinanlage.

Seit Herbst 2012 ist vorgeschrieben, dass bei PV-Anlagen eine von den Netzbetreibern gesteuerte Netzabtrennung ermöglicht werden muss. Jede PV-Anlage braucht dafür ihre eigene Regeltechnik. Diese Baugruppe fällt finanziell umso weniger ins Gewicht, je größer die gesamte Anlage ist – ein Solarfeld hat hier wieder Vorteile gegenüber Kleinanlagen. Je kleiner die PV-Anlage ausfällt und je geringer somit der Gewinn ist, desto ungünstiger wirken sich finanziell der erforderliche Arbeitsaufwand für das Nachrüsten der benötigten Technik sowie der notwendige Kauf dieser Technik aus. (Zumindest würde das unter normalen Bedingungen so sein – in der aktuellen Praxis wird es über die EEG-Umlage und die Netzentgelte vom Stromkunden finanziert.)

Die meisten Kleinanlagen werden aber gar nicht geregelt. Die Forderung nach Fähigkeit zur Netzabtrennung betrifft nur Anlagen ab einer Leistung von 10kWp. Die meisten PV-Anlagen auf Hausdächern liegen unter dieser Leistung, da die nutzbare Fläche zu gering ist (für 10 kWp sind typischerweise 100 Quadratmeter notwendig). Diese vielen dezentralen Kleinanlagen können also nichts zur Netzstabilität beitragen, was aber für das Gesamtkonzept der Energieversorgung zwingend notwendig wäre. Selbst wenn man die technischen Vorgaben ändern würde, bliebe ein wesentlich höherer Steueraufwand für die vielen Kleinanlagen. Dezentralität ist also – zumindest unter den aktuellen technischen Vorgaben – auch unter diesem Gesichtspunkt schlechter als die Energieversorgung aus großen „zentralen“ Quellen.

Andere Beispiele

Grundsätzlich ist unabhängig von der konkreten Energieerzeugungs-Technologie zu hinterfragen, ob viele kleine Anlagen durch den höheren Gesamtaufwand nicht prinzipiell unökonomischer sind im Vergleich mit einer Großanlage. Einige Gründe wurden hier bereits genannt. Aber es gibt auch völlig andere Aspekte.

Energieerzeugung durch Holz-Verbrennung hat in Kleinanlagen z.B. den Nachteil der höheren Staubemission pro erzeugter Leistungseinheit. In den vielen kleinen Blockheizkraftwerken sind aus Kostengründen meist keine Staubffilter enthalten. In vergleichbaren Großkraftwerken, die Holz, Brennmaterial mit Holzanteil oder Kohle verbrennen, sind Filter dagegen Vorschrift.

Biogas: Kleinanlagen haben oft Leckagen, durch die das Treibhausgas Methan in die Umwelt gelangt. In Großanlagen, wie zum Beispiel den Faultürmen der Dresdner Kläranlage, ist es angesichts des ohnehin höheren Investitionsvolumens dagegen kein Problem, diese von vornherein besser abgedichtet zu bauen, Sensoren und Überwachungstechnik mit zu integrieren und sogar technisches Personal zur Wartung vor Ort zu haben. Die hier erwähnte Großanlage ist sogar in der Lage, ohne Subventionen rentabel zu arbeiten*, während die üblichen Biogasanlagen zu reinen Marktbedingungen nie existieren könnten.

(* Das liegt allerdings in diesem konkreten Fall auch am verwendeten anderen Rohstoff)

Wasserkraft: Vor der Abschaltung der acht Atomkraftwerke im Jahr 2011 betrug der Anteil der Wasserkraft am deutschen Strommix gerade einmal 3,2% (Angabe 2009/10). Bis dahin gab es in Deutschland 7700 Wasserkraftanlagen. 350 von diesen 7700 erzeugten 95 % des Wasserkraftstroms. Die anderen 7350, die alle weniger als 1 MW Leistung haben, erzeugten also gerade einmal 5 % des Wasserkraftstroms. Das heißt, dass diese 7350 kleinen Wasserkraftwerke gerade einmal 0,16% zum Energiemix beisteuern konnten. Würde man sie alle abschalten, wäre überhaupt kein Unterschied in der Stromversorgung zu bemerken. Das Problem an diesen kleinen Anlagen ist, dass sie für wasserlebende Tiere eine große Gefahr darstellen. Angler und Naturschützer beklagen schon lange, dass die flach im Wasser liegenden Rotorblätter der Turbinen sehr viele Fische schreddern. Aus Naturschutzgründen (und auch aus Gründen der Effizienz) wäre es viel sinnvoller, die Fördermittel für Kleinwasserkraftanlagen besser in die Modernisierung großer Anlagen zu stecken, was einen wesentlich höheren Gewinn der Energieausbeute erzielen könnte. In den letzten Jahren wurden stattdessen aber weitere Kleinanlagen in Betrieb genommen oder alte revitalisiert. Ein Leipziger Unternehmen erhielt 2013 sogar den mitteldeutschen Innovationspreis in der Sparte Umwelt für die Entwicklung einer Anlage, die man nun auch noch in die – bisher verschonten – niedrigsten Staustufen einbauen kann. Erzielbare Leistung: Gerade einmal zwischen 40 und 120 kW.

Dass 2012 und 2013 der Anteil der Wasserkraft am Strommix auf 3,4% steigen konnte, dürfte noch nicht einmal an diesem weiter erfolgten Ausbau liegen, sondern an den acht abgeschalteten AKW.

Bei Windstrom wäre zu hinterfragen, ob dort ein – wie auch immer definiertes – Prinzip der Dezentralität überhaupt vorhanden sein kann. Eine Windenergieanlage baut man schließlich nicht im Vorgarten des Verbrauchers, sondern dort, wo man eine hohe Windausbeute ermittelt hat. Und um dieses Potential möglichst gut nutzen zu können, errichtet man an diesen Stellen dann üblicherweise so viele Anlagen, wie möglich. Das entspricht eher dem Prinzip des Braunkohlekraftwerkes, welches man auch dort errichtet, wo der Rohstoff reichlich vorhanden ist.

Dass dezentrale Energieerzeugung besser wäre als alles andere, ist in der Praxis nicht zu sehen. Das Mantra wird uns aber trotzdem noch eine Weile erhalten bleiben.

17 Comments

  1. Toller Artikel – ein „Augenöffner“. Die Fakten sind ja eigentlich bekannt und verfügbar, aber (um mal „Bild“-Reklame zu zitieren…): „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht“!

  2. Selten ist die Welt nur schwarz und weiß. Wo ein Pro ist oft auch ein Kontra.

    Du hast Dir mit dem Artikel viel Mühe gegeben und ich teile Deine Skepsis hinsichtlich der brachialen, sogenannten „Energiewende“. Allerdings kommt mir persönlich der Artikel eher wie ein neu eingesammeltes Argument (oder eben Blickwinkel) zur weiteren Verstetigung der eigenen Meinung rüber.

    Ich grummel ein wenig mit dem ach so eindeutigen Grundtenor. Dezentrale Energieerzeugung (jenseits der Definitionsfrage, wo Dezentralität beginnt) hat einen entscheidenden Vorteil: Wenn ein einzelner Energieerzeuger aus welchen Gründen auch immer ausfällt, ist die Energieversorgung generell trotzdem sichergestellt.

    Je konzentrierter oder zentraler Energieversorgung organisiert ist, desto anfälliger ist sie nicht nur für mögliche technische Ausfälle und Terrorakte. Umso erpressbarer ist sie auch im (möglicherweise legitimen) Streikfall.

    Und Produktionseffizienz hin oder her (Da hast Du sicher recht): Je „zentraler“ desto oligopoler/monopoler und desto wettbewerbsfeindlicher. Siehe Tankstellen. Ich wollte nur mal die Gegenargumente bringen, die mir in Deiner Argumentation (zumindest erwähnt) fehlen.

    Andere Argumente haben sich mir auch nicht ganz erschlossen. Ich bewohne z.B. ein Haus mit einem Flachdach bzw. Pultdach. Hier könnte man Solaranlagen perfekt ausrichten. Vorausgesetzt, man senst (öko-)-logischerweise ein paar Bäume in Dresden-Blasewitz um.

    Kurz meine Meinung zusammengefasst:
    Je zentraler, desto effizienter in der Erzeugung. Richtig.

    Je dezentraler, desto sicherer hinsichtlich der Versorgungssicherheit und möglicherweise desto effizienter für die Gesellschaft. Weil wettbewerbsfreundlicher, wenn richtig organisiert.

  3. Wie sieht es bei Strom“verlusten“ bei langen Leitungen aus?
    Das würde dafür sprechen, den Strom am Ort des Verbrauchs zu erzeugen.
    Dann könnte man auch ruhig größere Kraftwerke in Gegenden mit vielen Verbrauchern einsetzen. Wobei Hendrik meiner Meinung nach gute Argumente für Kleinkraftwerke liefert.
    Ein schönes Beispiel für die Macht von Kleinkraftwerken in Bürgerhand sind die Elektrizitätswerke Schönau, die sich so gegen ein Monopol durchsetzen konnten.
    Ich kann deren Film „Das Schönauer Gefühl“ sehr empfehlen. Die DVD ist kostenlos über deren Netzseite bestellbar.

  4. Ich glaube das kommt vor allem aus 2 Missverständnissen:

    1. Die meisten Leute glauben, dass aus ein paar Solarpanels auf dem Dach ein ganzes Haus betrieben werden kann – man also unabhängig vom Energieversorger ist.
    2. Die meisten Leute glauben, dass die PV Anlage direkt mit der Steckdose im Haus verbunden ist und man deshalb seinen eigenen Strom erzeugt.

    Daher kommt der romantische Gedanke, dass dezentral besser ist, weil es ja so schön Robin Hood mäßig ist und die großen, fiesen Tagebaubagger und Kernkraftwerke damit völlig aus der Welt zu schaffen sind und man nicht mehr für die Profite der fiesen Großkonzerne sorgen muss.

    Da hilft nur Bildung, wozu du hier gut beigetragen hast.

  5. Gut nachvollziehbarer, ich will das gar nicht wegwischen, eher Hendrik ergänzen: Je konzentrierter, desto undemokratischer (wobei das natürlich auch genauer zu definieren wäre)? Bei großen Anlagen mit hohen Umsätzen fällt es meines Erachtens leichter, Probleme (z. B. Umwelt, bei Unfällen) unter den Teppich zu kehren. Ist schon oft genug geschehen …

  6. @Hendrik:

    Allerdings kommt mir persönlich der Artikel eher wie ein neu eingesammeltes Argument (oder eben Blickwinkel) zur weiteren Verstetigung der eigenen Meinung rüber

    Ja, die Gefahr besteht immer, wenn man sich ein Thema vornimmt, mit dem man sich schon ein paar Mal befasst hat. Das war für mich einfach noch ein offenes Thema, was mir im Rahmen der Energiewende immer öfter auffiel.

    Dezentrale Energieerzeugung (…) hat einen entscheidenden Vorteil: Wenn ein einzelner Energieerzeuger aus welchen Gründen auch immer ausfällt, ist die Energieversorgung generell trotzdem sichergestellt

    Das ist prinzipiell richtig, aber können die vielen kleinen dezentralen Quellen ein Kohlekraftwerk ersetzen? Oder meinetwegen auch nur ein größeres Wasserkraftwerk oder unser HKW Nossener Brücke? Die kleinen sind ja meist gar nicht nach oben regelbar, sondern speisen in der Praxis einfach alles ein, was sie gerade liefern können. Und der Ausfall eines größeren KW ist doch schon seit Jahrzehnten kein Problem, weil man das deutsche bzw. europäische Verbundnetz hat. Dieses Netz ist ja aus diesem Blickwinkel auch Dezentralität. Allerdings gut funktionierende.

    Anfälligkeit für Streiks oder Terrorakte … nun ja, das beantwortet sich eigentlich mit durch den letzten Absatz. Ja – je verteilter die Quellen, desto schwieriger wäre das System angreifbar. Aber einen entsprechenden Terrorfall gab es eigentlich noch nie und wenn das jemand vor hätte, würde er vielleicht eher Knotenpunkte im Stromnetz angreifen – aber, sehr geehrte Mitarbeiter vom BND und der NSA, ich will hier keine Tipps geben 🙂

    Dass Monopole nicht wettbewerbsfreundlich sind, ist richtig. Aber – denken wir uns die wettbewerbsverhindernde EEG-Umlage mal weg – könnten viele dezentrale Kleinanlagen mehr Wettbewerb erzeugen? Im ertsen Moment vielleicht, aber ich denke, dass Betreiber von kleinen Anlagen da durch den höheren Aufwand/kWh eher Nachteile hätten und bald der ganz normale Marktprozess einsetzen würde, dass sie von größeren Betreibern „geschluckt“ werden. Das ist aber zugegebenermaßen nur eine Theorie und angesichts der Praxis momentan schlecht überprüfbar.

    Solaranlage auf Deinem Dach: Wenn Dachwinkel und Südrichtung stimmen, hättest Du eine genauso effiziente Ausbeute wie auf einem Solarfeld. Aber da das eben nur bei manchen Häusern so klappt, wäre die durchschnittliche Anlage auf dem durchschnittlichen Hausdach statistisch gesehen weniger effizient.

  7. @Paul: Ja, das Gefühl habe ich auch manchmal, dass Leute denken, das eigene Elektron aus der PV-Anlage vom Dach wäre – genau wie die eigene Tomate aus dem Garten – irgendwie besser als die schlechten Elektronen aus der Steckdose. Und dass man mit der eigenen PV-Anlage sich nicht selbst* versorgt, müsste eigentlich mittags beim Einschalten des E-Herdes klar werden – der verbraucht locker mehr als doppelt so viel, wie die typische PV-Anlage liefern kann.

    (* Sofern kein ausreichend leistungsfähiger Akku im Keller steht)

  8. @Wolf: Ja, das sind auch alles bedenkenswerte Argumente. Aber gerade die kleineren Biogasanlagen sind ein gegenteiliges Beispiel dafür, dass da auch Umweltprobleme existieren und sogar lange unentdeckt blieben. Es ist ja immer noch kaum bekannt, dass dort praktisch kein Klimaschutz entsteht, sondern dass sie sogar klimaschädlich sind. Ich könnte also als Gegenargument sagen: Wenige große Anlagen können viel einfacher wahrgenommen und kontrolliert werden.

  9. Zu den „guten“ und „schlechten“ Elektronen gab es mal einen netten Cartoon, den ich jetzt nicht auf die Schnelle finden konnte: da hat jemand in der Küche saubere Strom-Trennung betrieben, mit unterschiedlichen Steckdosen. Wasserenergie für den Wasserkocher, Solarenergie für die Lampe und Windenergie für den Fön. Alles ganz einfach und sauber getrennt. Dazu passt dann auch der Aprilscherz über ein Messgerät, das anzeigt, ob da gerade Atomstrom aus der Steckdose kommt …

  10. mit dezentralität ist doch nur gemeint, dass nicht alle auf einmal erwarten, dass der ganze strom statt aus den paar atomkraftwerken in süddeutschland jetzt aus den offshoreanlagen in der nordsee kommt. das feld mit den solarpanels IST dezentral. überall ein bißchen, hier mal etwas mehr als dort, und so weiter. genau wie beim internet. das ist auch dezentral, obwohl ein paar big player den großteil des traffics ausmachen. aber man ist nicht zwingend darauf angewiesen.
    für mich klingt das so als würdest du potentiellen anhängern der sogenannten energiewende einfach das wort im mund rumdrehen wollen.

  11. @mcnesium: Habe ich irgendwo im Text etwas gegen Energiewende an sich gesagt? Oder gegen Windstrom? Gegen Solarstrom? Mir ging es nur um diese seltsame Behauptung, Dezentralität sei irgendwie besser. Widerlege mir einfach eines meiner Argumente. Das Internet ist tatsächlich dezentral, das hat aber mit dem vorliegenden Fall gar nichts zu tun.

  12. ich brauch keine deiner argumente zu widerlegen, denn ohne dass ich das fachlich im detail beurteilen könnte, sind sie sicher alle nicht falsch. mir ist nur aufgefallen, dass du dich mehr an dem begriff dezentralität aufhängst, statt darauf einzugehen, was damit eigentlich gemeint ist. darum auch mein vergleich mit dem internet.

  13. Ich hänge mich tatsächlich zunächst am Begriff auf, weil er ziemlich diffus ist. Einen verwendeten Begriff zunächst zu klären bzw. seine Unklarheiten aufzuzeigen, ist eine übliche und sinnvolle Methode, wenn man über ihn schreiben will.

  14. Gut das Tim das „Schönauer Gefühl“ anspricht- Die Internetseite ist ein Beispiel völliger Intransparenz. Woher die für ihre über 135.000 Kunden tatsächlich den (100% Öko-)Strom beziehen, ist trotz vieler Worte nicht herauszulesen. Mit einem Wort: viel Gefühl, aber wenig Fakten.

  15. „Wie sieht es bei Strom”verlusten” bei langen Leitungen aus?
    Das würde dafür sprechen, den Strom am Ort des Verbrauchs zu erzeugen.“

    „Je konzentrierter, desto undemokratischer “

    Ich nehm diese beiden mal als Einstieg. Weil mir scheint, dass einige sich noch nicht genug mit der Materie beschäftigt haben.
    Es wurde hier schon gesagt, dass es einen Unterschied gibt zwischen den Tomaten aus dem eigenen Garten und dem Strom aus der eigenen Solaranlage. Denn fast alle Solaranlagen (egal ob Haus oder Felder) verwerten den Strom nicht dezentral, sondern speisen den ins Netz.
    Das gleiche gilt für die Windenergie, noch einen Tick schärfer. Da sehen die Kraftwerke zwar schön dezentral aus, jedoch ist Windenergie ohne starke Zentrale überhaupt nicht funktionsfähig. Es gibt keine Technik, die straken Schwankungen dezentral auszugleichen (nicht zu reden von Speichern, um über die Flauten hinwegzukommen). Das geht nur über eine mächtige Zentrale.

    Darüberhinaus gibt es einige wenige Solar- und Windanlagen, die den Strom dezentral herstellen und verbrauchen. Diese Anlagen haben aber nichts mit kommerzieller Nutzung zu tun, sondern sind das Hobby der Betreiber. Wegen dem bei diesen Projekten exorbitant hohen Gestehungspreis ist die Zahl dieser Anlagen so gering, dass wir die nicht weiter in die Betrachtung einbeziehen müssen.

    Das heißt, egal wo und wie der Strom erzeugt wird, er geht immer durch lange Leitungen und wird immer von einer mächtigen Zentrale gemanagt.

    Und was das „undemokratisch“ betrifft, nu ja, ich sehe für mich keinen Vorteil, wenn ich gezwungen werde, teuren dezentralen Strom zu kaufen obwohl ich viel lieber billigen zentralen nehmen würde.

    +

    „Bei großen Anlagen mit hohen Umsätzen fällt es meines Erachtens leichter, Probleme (z. B. Umwelt, bei Unfällen) unter den Teppich zu kehren. Ist schon oft genug geschehen …“

    Stimmt. Von 49 bis 89 war das hier die Regel. Die neben dem Kraftwerk Mitte wohnten mussten die Windrichtung sehr genau beobachten, wenn sie riskante Manöver (z.B. Fenster öffnen oder Wäsche zum trocknen raushängen) durchführen wollten.
    Aber das ist vorbei. Die großen Versorger sind die saubersten. Klingt komisch, ist aber so.
    Die meisten Umweltschweinereien machen die Dezentralen. Schon vom Aufbau her, weil die für die Erzeugung der gleichen Energiemenge viel mehr Rohstoffe verbrauchen als die Großen.
    Und natürlich beim Betrieb. In den richtigen Kraftwerken gibt es ein Qualitäts- und Havariemanagement. Das ist kein Aufruf, sondern wird gelebt. DIN ISO 9000 (oder welches spezielle Qualitätssystem dort maßgeblich ist) sorgt dafür. Deshalb passiert dort nichts. Bei den dezentralen gibt es vielleicht den guten Willen. Deshalb lesen wir immer mal, wie viel Jauche aus den sympathischen Bio-Energieanlagen in die Landschaft läuft. In den USA werden jährlich 600.000 Fledermäuse von Windenergieanlagen getötet. Wie viele durch Kern- und Kohlekraftwerke?

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