Warum man im „Klo-Kino“ so wenig sehen kann

„Wo iss’n nun eigentlich dieser komische ‚Trichter‘ von der Künstlerin?“, fragen sich gegenwärtig manche Dresdner. Andere fragen sich „ist das hier ein neuer Fußgängertunnel?“, wenn sie vom Altmarkt zum Karstadt gehen. Und manche fragen auch: „Wo geht’s denn da unten hin? Ist hinter der Scheibe irgend etwas?“. Manche dagegen wissen Bescheid: „Das hier ist das Seetor!“

Nein, dieser Eingang ist nicht das Seetor, sondern das ist das Kunstwerk „Trichter“ von Franka Hörnschemeyer. Hier war nur früher mal das Stadttor „See Thor“, als Dresden noch eine Stadtmauer hatte. Im „Trichter“ kann man einen Blick in die Dresdner Kanalisation werfen. Theoretisch. Denn leider sieht man nichts, weil die mannshohe Glasscheibe ständig beschlagen ist. Und zwar so vollständig beschlagen, dass man auch bei dichtestem Herangehen absolut nichts erkennen kann.

Trichter, Hörnschemeyer
Vom Altmarkt kommend, Blick Richtung Karstadt: Die Mauer rechts im Vordergrund ist der "Trichter"
Trichter, Hörnschemeyer
Nein, das ist kein Fußgängertunnel
Trichter, Hörnschemeyer
Ein Blick durch die Scheibe ...
Trichter, Hörnschemeyer
... ist leider absolut unmöglich.

Frau Hörnschemeyer (oder demjenigen, der dieses Detail umgesetzt hat) war durchaus bewusst, dass Abwasser immer etwas warm ist und zu beschlagenen Scheiben führen würde. Deshalb sollte ursprünglich eine stärkere Scheibe aus Spezialglas eingebaut werden, um diesen absehbaren Effekt zu vermeiden. Als es dann aber zur Umsetzung kam, konnte die Firma nicht mehr liefern und man musste einfacheres Glas nehmen. Um den Beschlag zu vermeiden, wurde aber zusätzlich eine Heizung für die Scheibe mit eingesetzt.

Und die ist lediglich noch nicht angeschlossen. Weil noch nicht klar ist, wer überhaupt dafür zuständig ist, wer den Strom dafür bezahlen darf, wo der Schalter zum Auslösen hinkommen soll … ein Schalter? Wie jetzt – denkt hier etwa jemand, dass die Besucher wirklich immer solange warten, bis die Heizung auf Touren gekommen und die Scheibe wieder klar ist? Wäre stattdessen nicht ein Dauerbetrieb oder eine wärme- oder zeitgeregelte Heizung besser? Genau solche Fragen sind es jedenfalls, die alle noch unklar sind. Letztlich wird die Umsetzung wohl bei der Stadtentwässerung Dresden hängen bleiben. Und es ist sogar nachvollziehbar, dass die so etwas erst klären müssen – immerhin war man dort nicht darauf vorbereitet, mal spontan irgendwo eine Heizung einbauen zu müssen. Und entsprechende Stromkosten waren sicher auch nie eingeplant.

Wenn man sich einige Minuten neben den „Trichter“ stellt (für den der Volksmund längst einen anderen Namen gefunden hat), kann man lustige Unterhaltungen von Passanten mit anhören. Eine große Rolle spielen darin Bemerkungen über „die da oben“ und „unsere Steuergelder“. Außerdem scheinen die Leute eine große Bewunderung für Künstler zu hegen, denn Sätze wie „Künstler müsste man sein!“, kann ich mir nicht anders deuten.

Besser beantworten kann man aber inzwischen diese Frage: Ist das nun Kunst oder nicht? Auch wenn es abgedroschen klingt – Kunst kommt tatsächlich von „können“. Und da man über den „Trichter“ nicht direkt sagen kann, er sei gekonnt umgesetzt …

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Nachtrag 06.12.2011: Es ist doch Kunst, denn sonst hätte Franka Hörnschemeyer heute ja nicht einen mit 50 000 Euro dotierten Preis dafür erhalten.

Nachtrag 08.12.2011: Es gibt schon wieder Streit, zumindest ist die Dresdner Morgenpost eifrig bestrebt, welchen herbei zu führen: „Rücken Sie die Kohle raus!“ 

Nachtrag 2, 08.12.2011: Die Stadt Dresden hat einen Dokumentarfilm veröffentlicht, der den „Trichter“ erklärt

Nachtrag 19.12.2011: So sieht es übrigens hinter der Scheibe aus, seitdem die Heizung wohlige Wärme verbreitet:

(Klick vergrößert)

Die Kosten für diese Heizung dürften übrigens doch eher zu den geringsten Dresdner Problemen gehören: Reinigung (Treppe kehren, Scheibe putzen) und Heizkosten belaufen sich jährlich auf (und das ist ironiefrei gemeint) gerade einmal 7000 € im Jahr. Ich nehme an, dass die Reinigung hierbei der größere Posten ist, für die man Frau Hörnschemeyer aber nicht verantwortlich machen kann. Ich habe das Ganze hier zwar auch kritisiert, aber die durch die Heizung entstehenden Mehrkosten scheinen sich ja wohl doch mehr um eine Lappalie zu handeln, zumindest wenn man bedenkt, was uns andere Dinge kosten. Mir fällt spontan das Wiener Loch ein.

20 Comments

  1. Tja, das kommt davon, wenn man sich gerne Mr. Hankey ansieht und jede noch so hirnrissige Idee unter „Kunst“ firmieren kann.

  2. Ich habe weniger ein Problem mit dem Kunstwerk – ich finde, Kunst darf auch mal hirnrissig sein – aber wenn es so schlecht gemacht ist, dass die zugrunde liegende Idee nicht funktioniert, wähnt man sich schon in Schilda.

  3. Das ist keine Kunst, das ist Volksbildung 😉

    Dieses Abwasser könnte einen Teil unserer Energieprobleme lösen helfen. Zum einen durch die Wärme, zum anderen wohl auch durch die Fließgeschwindigkeit. Und die dritte Möglichkeit ist ja fast schon in Betrieb: Faultürme zur Gewinnung von Biogas.

    Insofern soll uns die beschlagene Scheibe nur zeigen: Abwasser ist warm.

  4. Das mit der Volksbildung sehe ich eigentlich auch so, denn die Kanalisation ist ja eine wichtige (und sogar interessante) Sache, von der man als Normalbürger kaum etwas mitbekommt. Und wenn man etwas davon sehen könnte, wäre das durchaus interessant.

    Allerdings wird von Fachleuten kritisiert, dass die Stelle gar nicht so interessant ist, weil dort kaum Abwasser durchkommt: Da wird (angeblich) nur das Abwasser durchgeleitet, welches vom Hotel Pullman Dresden Newa kommt.

  5. wollt ihr wirklich Abwasser sehen…geht nach Kaditz Scharfenberger Strasse…..da ist Abwasser,sogar zum riechen,anfassen……

    übrigens–> man redet darüber,miteinander,übereinander–>das bewirkt KUNST !

    grussi……

  6. Auch ich bin der meInung, dass hier sinnlos auf Teufel komm raus ein Projekt durchgedrückt wurde, um eine unbefriedigte Künstlerseele zu befriedigen, da dieses Objekt aber überhaupt nichts mit Kunst zu tun hat. Hier wäre es doch mal sinnvoll, nicht die Kulturkasse zu belasten, sondern die Erschafferin selbst an den Kosten zu beteiligen!!! Zumindest an den Folgekostenvertrag wie Wartung, Heizung, Reinigung.

  7. Heute war die Scheibe nicht beschlagen, sondern komplett verschmiert (Schweißfinger und plattgedrückte Nasen). Zu sehen gibts dahinter ja nix, bisschen gefliest, bisschen Betonklotze, und ein kleiner Rinnsaal.
    Jensi hat schon irgendwie Recht, Kunst ist was draus gemacht und drüber reden reicht da am Ende schon. Trotzdem, die Umsetzung ist schlecht und ich mich schauderts wenn ich mir überlege wieviel alternative (Kunst-)-Projekte davon hätten finanziert werden können.

  8. Na toll – die Dresdner Morgenpost titelt in ihrer üblichen sachlichen Weise: „50.000-€-Preis für Klo-Kino – Erster Politiker fordert von Künstlerin: ‚Rücken Sie die Kohle raus!'“ Hier der Artikel

    Kurzform:

    Da die Besucher das Werk nicht zu verstehen scheinen, will die Stadtverwaltung es besser erklären: Anke Hoffmann vom Presseservice derStadt: „Es sind zwei Hinweisschilder vorgesehen, die das Kunstwerk erklären. Ein Dokumentarfilm wird derzeit für die Veröffentlichung im Internet vorbereitet.“ Der Film soll etwa zwölf Minuten „Trichter“-Erklärung bieten. Wie viel Film und Schilder kosten, wollte das Rathaus noch nicht verraten auch nicht ob die bisher veranschlagten 300000 Euro fürs Kunstwerk reichen.

    CDU-Stadtrat Sebastian Kieslich hat Franka Hörnschemeyer aufgefordert, das gerade kassierte Preisgeld für den „Trichter“ nach Dresden zu stiften: „Die Kosten waren bereits von ursprünglich 180000 Euro gestiegen, das Werk heftig umstritten und sorgte auch nach der Einweihung für Gesprächsstoff – so musste eine Scheibenheizung eingebaut werden, um den Durchblick zu gewährleisten. Deshalb fordert Kieslich nun: „Das Werk war immer umstritten und wurde deutlich teurer. Deshalb sollte die Künstlerin zur Befriedung das Preisgeld stiften. Dresden hat der Künstlerin den Preis erst möglich gemacht, da das Werk in der Stadt und an so zentraler Stelle steht.“

    Ist Kieslichs Idee gerechtfertigt? Eigentlich war es ja so, dass zunächst die Stadt (2002) selbst einen internationalen künstlerischen Wettbewerb zur Gestaltung des „Seetores“ in Dresden ausgelobt hat. Man kann aber nicht erst selbst einen Kunstwettbewerb durchführen, dabei einen später zu bauenden Siegerentwurf auswählen und anschließend dem Künstler in Rechnung stellen, dass keiner sein Werk versteht. Das ist nicht logisch. Dann hätte man ein anderes auswählen sollen. Wenn Besucher nichts mit dem Bauwerk anfangen können und verwundert sind, dann ist es schon die Aufgabe der Stadtverwaltung, hier ein paar Erklärungstafeln anzubringen. Das wäre aus meiner Sicht sogar von vornherein notwendig gewesen. Insofern ist es jedenfalls Unfug, was Kieslich verlangt.

    Andererseits sind aber Mehrkosten entstanden und fallen noch an (z.b. für die Scheiben-Heizung). Deshalb könnte man nun schon darüber nachdenken, ob eine Beteiligung von Frau Hörnschemeyer so völlig abwegig ist. Das bedeutet nicht, dass ich das verlange (wenn Hörnschemeyer keinen Preis bekommen hätte, würde das Geld ja trotzdem bezahlt. Wahrscheinlich ist es längst in irgendeinem Budget mit eingeplant und es ist fraglich, ob der Kunst-Preis dort überhaupt mit gebucht werden kann).

    Ich habe mich ja im Artikel gefragt, ob das nun Kunst ist. Nur mal angenommen:

    1. es wäre als Architekturwettbewerb ausgelobt und von einem Architekten entworfen worden
    2. Der Architekt hätte das Detail mit der Heizung übersehen, so dass der Stadt oder der Stadtentwässerung Zusatzkosten entstehen
    3. Der Architekt hätte nun einen Architektur-Preis, also Geld dafür erhalten

    Würden wir dann auch sagen, es sei absolut vermessen, dass der Herr Architekt sich doch nun bitte etwas finanziell beteiligen möge? Nicht unwichtig wäre dabei, das halbwegs höflich zu tun. „Rücken Sie die Kohle raus“, wäre etwas unverschämt – allerdings bezweifle ich, dass Kieslich das so gesagt hat.

  9. 50:50 wäre wohl okay … so als nette Geste seitens Frau Hörnschemeyer. Mehr jedoch auf keinen Fall. Du sprachst es schon an, Frank … erst ein Werk wählen, dann noch nen Preis und dann wieder Geld zurück – das ist albern. Allerdings vielleicht auch etwas medienverzerrt rübergekommen … oder eben Dresden wie es leibt und lebt 🙂

  10. Das Klo-Kino ist und bleibt der grösste Schwachsinn aller Zeiten. Und ob es Kunst ist oder nicht, haben mal wieder ganz andere entschieden als diejenige die es betrifft. Und genauso hat irgendjemand auch immer der Künstlerin das Preisgeld zugeschustert, Keiner hat eine Ahnung wer den Preis unter welchen Kriterien gestiftet hat. Und der Hammer ist doch die Reaktion der Politik: erst sich rigeros einsetzen, dass so eine Sch… gebaut wird und dann das Geld zurückfordern. Wer macht sich denn da mehr lächerlich? Ich kann nur einem meiner Vorredner zustimmen: wenn jemand so was sehen will, soll nach Kaditz gehen!

  11. Kunst, über die so viel und kontrovers geredet wird, muss man erstmal schaffen zu erschaffen. Nicht mal 1 Euro/Einwohner Investition ergeben zig Diskussionen über den Kunstbegriff. Und wir haben für ganz anderen Blödsinn genug Geld – wenn die „Bürger“ sich mal so über das Wiener (Geld)Loch aufregen würden…

  12. @ Peter Macheli: würde auf jeden Fall eine sehr kontroverse Diskussion bei den Einwohnern hervorrufen, wenn man unser berühmtes „Wiener Loch“ einfach zur Kunst erklären (oder unter Denkmalschutz stellen) würde. Die BILD- und MoPo-Schlagzeilen sehe ich schon vor mir 🙂

    @Anonymus: Der „größte Schwachsinn aller Zeiten“ ist es ganz bestimmt nicht. So dumm finde ich die Idee nicht. Sie wurde nur nicht sehr konsequent umgesetzt.

    Übrigens hat Herr Kieslich meine Anfrage sogar beantwortet: http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-143-44573–f319590.html#q319590
    Ich werde aber noch mal einige Details nachfragen. Mache ich heute oder in den nächsten Tagen. Frau Hörnschemeyer hätte ich übrigens – wenn ich nun schon mal dabei bin – auch gern gefragt (was Herr Kieslich ihr gegenüber geäußert hat), aber ich habe keinen öffentlichen Kontakt gefunden.

  13. Ich war heute mal wieder dort und habe fotografiert, was man inzwischen hinter der – nun beschlagfreien – Scheibe sehen kann. Siehe Nachtrag im Artikel.

  14. Ich hab ja echt nichts gegen Kunst, aber dann sollte es auch korrekt ausgeführt werden und nicht erst mit zig Fehlern.

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