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Warum Dresdens Straßenmusiker zahlen sollen

2012-05-29_musikWelche Gründe treiben eine Stadtverwaltung dazu, für Straßenmusik plötzlich Gebühren zu erheben? Immerhin steht wohl kein Beamter früh auf und beschließt spontan: Heute verbiete ich mal etwas … vielleicht etwas kulturelles? Manche Beschlüsse wirken zwar durchaus, als wären sie so entstanden, aber wie kam es in Dresden zu der aktuellen Entscheidung?

Seit zwei Tagen hagelt es Kritik an der Entscheidung der Dresdner Stadtverwaltung, dass Straßenmusik und Straßenkunst in der Innenstadt künftig genehmigungspflichtig sein soll. 25€ pro Woche soll die Auftrittsgenehmigung künftig kosten, mit ihr verbunden sind verschiedene Auflagen und Verbote. Niemand findet das gut und in der morgigen Stadtratssitzung wollen das alle Fraktionen mit einem Eilantrag rückgängig machen.

Ich schrieb am heutigen Morgen an die Stadt, da mich der Anlass interessierte. Der Grund ist recht einfach – es ist derselbe, weshalb zu Hause manche Familienmitglieder gar nicht so begeistert sind, wenn sie sich das neue Björk-Album zwangsweise mit anhören müssen: Manche Leute wollen manchmal gar keine Musik hören, vor allem nicht mit hoher Lautstärke, manche halten die Beschallung auch nicht für Musik oder sind der Meinung, das klänge alles gleich. Geschmack ist nun einmal nicht genormt und dass Straßenmusik nicht immer mit hoher Kunst zu tun haben muss, ist bekannt. Selbst kurze Wartezeiten an Haltestellen können zur Qual werden, wenn sie von rumänischen Billig-Geigezersägern begleitet werden, die nur zwei Melodien kennen.

In Dresden gab es in den vergangenen Monaten ziemlich viele Beschwerden über Straßenmusiker – allein im Ordnungsamt rund 300 – dazu kamen noch Beschwerden, die in anderen Stellen eingingen, zum Beispiel im Straßen- und Tiefbauamt. In der letzten Zeit scheint es immer lukrativer geworden zu sein, in der Stadt Musik zu machen. Diesen Eindruck bestätigte auch ein Musiker in einem Artikel der DNN (was seine Befürchtung, viele Musiker müssten dann bald aufgeben, etwas zweifelhaft erscheinen lässt). Deshalb sollen die Auftrittsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Verbunden ist das mit einer zeitlichen Beschränkung. Nach einer Stunde müssen die Musiker den Standort wechseln. Damit sollen Anwohner, Gewerbetreibende und andere von ganztägiger Beschallung durch die Musiker verschont werden, die nur ein beschränktes Repertoire haben.

Man kann sich natürlich fragen: Muss in unserem überregulierten Deutschland schon wieder etwas geregelt werden? Kann man nicht wenigstens ein paar Dinge mal einfach so laufen lassen? Andere Städte haben zwar längst entsprechende Regeln, aber muss man alles nachmachen? Da aber alle anderen Städte darauf verweisen, dass sie diese Regeln erlassen haben, weil vorher Straßenmusik zur Belästigung ausartete, kann man zumindest darüber nachdenken. Dresden orientiert sich mit seinen Forderungen an den – anscheinend bewährten – Regeln anderer Städte: Verbot als besonders störend empfundener lauter Ausrüstung (u.a. Verstärker, Drehorgeln, Schlagzeug). Preislich läge Dresden im Mittelfeld:

In München zahlt man 10€/Tag und dort muss man sogar erst eine Art Casting bestehen. In Nürnberg kostet es 24€/Woche, CD-Verkäufe kosten pro Tag 10€ extra (in Dresden 2€). Stuttgart scheint kostenlos zu sein, hat aber dieselben Auflagen zu nicht erwünschten Instrumenten und zum Standortwechsel (zur vollen Stunde 30 Min spielen, danach Pause und Standortwechsel). In Bremen ist eine Genehmigung erforderlich, es gibt dieselben Auflagen (Standortwechsel, Instrumente), ähnlich ist es in Hamburg, in Mainz, in Düsseldorf oder in Kassel. In Köln müssen die Musiker ihren Standort nach spätestens 20 Minuten verlassen.

Da in all diesen Städten die Künstler trotz Auflagen oder gar Gebühren überlebt haben, dürfte es also nicht das Ende der Dresdner Straßenmusik und -kunst bedeuten, wenn Dresden das ebenso reguliert. Was ich ungünstig finde, ist die ausschließlich wochenweise geplante Gebühr: Was ist, wenn es ab dem zweiten Tag regnet? Dann könnte es tatsächlich passieren, dass sich der gezahlte Betrag nicht wieder einspielt. Insofern wären Tagessätze flexibler.

Aber was wird dann aus unserem als „Drehorgel-Rolf“ bekannten Rolf Becker? Das dürfte wohl das geringste Problem sein, denn er geht ohnehin in Rente (oder ist es bereits). Was wird aus Breakdance-Crews, die einen „Ghettoblaster“ – also einen Verstärker benötigen? Für die ist das leider ein Problem. Aber vielleicht lassen sich solche Details auch noch verbessern (wenn es nicht ganz gekippt wird), denn laut Antwort der Stadtverwaltung ist der Beschluss noch nicht in der endgültigen Fassung: „ Die Umsetzung des neuen Verfahrens ist jetzt angelaufen – bei Problemen sind auch Nachbesserungen bei einzelnen Punkten möglich – darüber wird dann informiert.“


Update 30.50, 21 Uhr: In der Sitzung des Stadtrates wurde die neue Verordnung  außer Kraft gesetzt. Über Inhalte der Verordnung soll aber in einer seiner nächsten Sitzungen beraten werden.

Update, 23.10.2014: Die Einschränkungen für die Musiker sind allerdings doch wesentlich drastischer, als ich zunächst dachte.

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  1. Update: In der Sitzung des Stadtrates wurde die neue Verordnung außer Kraft gesetzt. Über Inhalte der Verordnung soll aber in einer seiner nächsten Sitzungen beraten werden.

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