Verständlich schreiben mit der Uni Leipzig

Dieser Screenshot sorgt gerade für viel Spaß auf Twitter. Wobei man besser Twittx sagen sollte. Er stammt aus dem neuen „Genderleitfaden“ der Uni Leipzig. Wir Bloggxs sollten hier unterstützend beitragen, solche wichtigen Texte bekannt zu machen, denn Sprache entwickelt sich weiter. Auch wenn man solche Entwicklungen in der normalen Bevölkerung, also draußen im realen Leben, seltsamerweise nirgends bemerkt.

Der Text ist im Gegensatz zu sonstigen akademischen Texten sogar sehr unterhaltsam geschrieben. Mehrere Kommentatoren erklärten, sich beim Lesen eines verhaltenen Schmunzelns nicht erwehren zu können. Einige vermuteten gar ein Satire-Projekt dahinter. Doch mitnichten!

Die meinen das ernst.

Beschrieben werden zunächst die unterschiedlichen Sonderzeichen, die man zur geschlechtergerechten Sprache einsetzen kann. Da wäre zunächst das bekannte Sternchen. Neu ist, dass sein Gebrauch auch missachtend sein kann, was nichts anderes als Diskriminierung ist.

Eigentlich war es damals, als man „innen“ an Wörter anzuhängen begann, nur so, dass man ein optisch auffälliges Mittel brauchte, um das angehängte „innen“ sichtbar vom Wort abzugrenzen. Kein Mensch hat damals behauptet, das Sternchen wäre ein Symbol für geschlechtliche Vielfalt. Es war nur ein Mittel zur optischen Trennung, mehr nicht – genau wie das groß geschriebene Binnen-I. Die hier beschriebene Behauptung wurde erst später erklärt, als die Ansicht aufkam, es gäbe mehr als zwei Geschlechter.

Damals standen Binnen-I-Schreiber*innen plötzlich vor dem Problem, dass sie diese zusätzlichen Geschlechter alle unter den Tisch fallen ließen, weil sie mit „…*innen“ zwar nicht nur Männer, sondern auch Frauen ansprachen, aber eben nur die. Das generische Maskulinum hätte alle Menschen angesprochen, aber ich will hier nicht mit solchen Nebensächlichkeiten vom Thema ablenken.

Jedenfalls wurde dann schnell die Notlösung Erklärung erfunden, das Sternchen stünde für alle sonstigen Geschlechter. Ich vermute, dass Vertreter der vielen weiteren Geschlechter sich etwas diskriminiert fühlen, seitdem sie nur noch verkürzt in Form eines Sonderzeichens erwähnt werden. Eigentlich wollen sie bestimmt nicht als etwas sonderbares gelten … aber ich habe leider noch keinen von ihnen kennen gelernt, sonst hätte ich einmal nachgefragt.

Was mir unklar ist: Wenn das Sternchen bereits für geschlechtliche Vielfalt, also unter anderem auch für die Frauen steht – warum muss man dann eigentlich noch das „innen“ hintendran hängen? Aber egal. Es gibt auch andere Sonderzeichen für geschlechtergerechte Sprache. Allerdings haben die eine völlig andere Bedeutung:

Ich finde es gut, dass so auf soziale Unterschiede hi­ngewiesen wird. Aber warum nur auf solche zwischen den Geschlechtern? Werden damit nicht andere soziale Unterschiede, zum Beispiel zwischen arm und reich, ausgeblendet? Ich finde die Idee prinzipiell gut, denke aber, man sollte mit dem dynamischen Unterstrich an no_ch viel meh_r _Stellen Au_f_mers_amk_ei_t_ erzeugen, um Leser aus ihrer Missachtung sozialer Unterschiede zu reißen. Doch wieso eigentlich nur mit Unterstrichen? Man könnte mit anderen eingestreuten Sonderzeichen darauf hinweisen, dass alles immer T$eur€er wird, oder dass das LebѬen allg௹emein rät൯selhꙬaft bleibt und noch viele weitere Probleme @∩Ρra∩g∑Rn.

Schlecht ist allerdings, dass die anderen Geschlechter nun nicht mehr erwähnt werden. Soziale Unterschiede, gut und schön, aber das kann keine allumfassende Lösung sein. Eine Kombination sollte den Bürg%er*_x daher beim Schreiben empfohlen werden. Das erhöht sicher auch den sozialen Zusammenhalt, weil man sich dann öfter anruft um zu erfahren, was man in der letzten WhatsApp-Nachricht eigentlich meinte.

Was auch geht, sind Doppelpunkte. Die sehe ich aber kritisch.

Was soll diese Bemerkung, das könne die Lesbarkeit erhöhen? Soll das etwa andeuten, dass gegenderte Texte schlecht lesbar sind? Und kann das andererseits ein Argument sein, wenn es doch um eine gute Sache geht? Ist es akzeptabel, dass der Kampf dafür durch solche Kompromisse am Ende überlesen wird? Und wieso wird dem Doppelpunkt keine zusätzliche Bedeutung von den Philosoph:innen zugeordnet? Der muss doch irgendeine erweiterte Bedeutung bekommen! Den Doppelpunkt lehne ich daher ganz klar ab. Besser erscheinen mir gendergerechte Pronomen.

Ich finde es gut, dass xier Uni die Debatte durch xiers Beitrag so bereichert. Aber wieso „die“ Debatte? Man sieht: Ich lerne dazu. Für meine nächsten Texte werden x Le_ser* möglicherweise etwas mehr Zeit brauchen. Bei gleicher Zeilenzahl. Ich identifiziere mich übrigens mit dem Pronomen wrupp.

X Rechtschreibkontrolle können xier Studierxs en Uni Leipzig übrigens von they PC löschen.


Quelle: https://t.co/Gb3TgnYy3v?amp=1

11 Comments

  1. Mal abgesehen davon, dass das big picture aus Orwells 1984 übernommen wurde, die Uni Leipzig hat auch im Detail nichts Neues erfunden.
    Der Plot geht zurück auf das aktive Sprachhandeln von Professx Lann Hornscheidt. Zwar gibt es einige Ignoranten, sog. „alte weiße Männer“, die damit nicht klarkommen. Aber die haben keine Ahnung, die hohe die Qualität des Hornscheidtschen Neusprech ist ja schon nachgewiesen durch die sagenumwobenen „Anfeindungen von Rechts“.
    Wenn diese Sprache jetzt von der Humbug-Universität nach Leipzig diffundiert, ist das in diesem Sinne eine doppelplusgute Nachricht.

    https://www.lannhornscheidt.com/

  2. Gendergerechtes Stottern

    Wrupp: Dieser Screenshot sorgt gerade für viel Spaß auf Twitter. Wobei man besser Twittx sagen sollte. Er stammt aus dem neuen „Genderleitfaden“ der Uni Leipzig.

    Man muß gar nicht bis nach Leipzig schauen. Die TU Dresden hat diesen undatierten Leitfaden Gendergerechte Sprache herausgegeben. Darin findet sich folgende Passage:

    Mit dem Unterstrich entsteht eine Leerstelle und damit ein Raum für alle, die sich in einem zweigeschlechtlichen System nicht verorten können oder wollen. Die Kritik am Gender Gap ist, dass die Identitäten jenseits der binären Matrix eben als Leerstelle dargestellt werden. Damit werde ihre Existenz visuell negiert. Die befürwortende Position betrachtet den Gap eher als kreativen Freiraum.

    2017 gab es 200 Professuren für Geschlechterforschung in Deutschland, welche über 60 Geschlechter jenseits von männlich oder weiblich gefunden haben. Leider haben sie nicht erforscht, wieviel Personen das betrifft. Immerhin soll die Sprache von über 100 Millionen an die Bedürfnisse dieser Leute angepaßt werden.
    Aber zurück zu o.e. Gap, er ist also entweder kreativen Freiraum oder visuell negierte Existenz. Menschen, welche ihr Geschlecht selbst gewählt haben, haben also auch hier die Wahl. Der TU-Leitfaden macht keine Vorschläge zur Aussprache und bzgl. Pronomen empfiehlt er nur, auf Possessiv-Pronomen zu verzichten. Deshalb nochmal zurück zum Leipziger Genderleitfaden den man auf der Webseite des Student_InnenRat der Universität Leipzig findet. Was sagen eigentlich die Studenten, d.h. die männlichen Studierenden dazu, daß sie in obiger Bezeichnung nur im Singular stehen? Und warum heißt es nicht StudierendenRat, zumal das kürzer wäre? Vor etlichen Jahren hat man das Studenten-Werk in Studierenden-Werk umbenannt mit der Begründung, damit würden auch die Studentinnen erfaßt. Die Leipziger Philosophen schreiben:

    Eine weitere Variante der gendergerechten Sprache ist es, alle Geschlechter unsichtbar zu machen. …
    Nominalisierung des Partizips I
    Hinweis: Das Partizip I hat im Standard-Deutschen eine spezifische Eigenbedeutung.
    Beispiele Studierende (vom Partizip: studierend), Lehrende, Philosophierende

    Das klappt auch z.B. bei Konsument und Referent; Absolvierende hingegen sind Unsinn, Probandierende klingt ziemlich bescheuert und inhaftierte Delinquenten kann man schlecht Delinquentierende nennen.
    Der Leipziger Student_InnenRat hat u.a. ein Kulturreferat:

    Traditionell veranstaltet das Kulturreferat die Semesterauftakt-/ und -abschlusspartys, die nicht nur für Erstis und Erstinen ein Highlight darstellen, sind sie doch gespickt mit den feinsten Bands und DJs im Umkreis, …

    Die Referendierenden dort haben offensichtlich nicht verstanden welche Botschaft in Student_InnenRat steckt. Sie sollten besser von Erst_Inen schreiben. Und es gibt auch DJinnen!! Wie man sieht gibt es da noch Einiges zu tun.
    Sehr schön finde ich das individuelle Pronomen. Man kann es frei wählen wie sein Geschlecht. Frank hat sich für wrupp entschieden. Ich bin noch am Überlegen weil die Leipziger Philosophen schreiben:

    Die Verwendung eines Genderzeichens kann durch eine kurze Pause im Sprechen des Wortes hörbar gemacht werden. Im Gespräch kleiner oder konstanter Personengruppen können Pronomen in einer Vorstellungsrunde erfragt werden …

    Was ist, wenn in solcher Runde ein Rumpelstilzchen-Typ dabei ist? Ich habe mein Pronomen brav genannt und der verheimlicht seines. So klappt gendergerechte Kommunikation nicht! Was die Aussprache betrifft – Anne Will, ab 39:00min: „Ministerpräsident¬[Kunstpause]Innen“. Wie gekünstelt das ist sieht man daran, daß sie 30sec später von Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen spricht.
    Darf man sie zu den temporär bewußt Stotterer_Innen zählen?

  3. Das finde ich aber nicht in Ordnung, dass die Genderfachleute in Dresden eine andere Definition des Unterstrichs haben als ihre Kollegen in Leipzig. Man sieht: Da bestehen noch viele Gründe für weitere wichtige Forschungsarbeiten auf diesem Fachgebiet 🙂

  4. Anderes Geschlecht jährlich

    Das Nachstehende hat indirekt mit dem Thema zu tun.
    Ziemlich unbemerkt von der Öffentlichkeit haben die Grünen im April 2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes vorgelegt. Wesentlich ist dieses:
    „§ 45b Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamen
    (1) Jede Person kann gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem )deutschen Personenstandseintrag durch eine andere in § 22 Absatz 3 vorgesehene Bezeichnung ersetzt oder ge¬strichen werden soll. …
    (5) Eine erneute Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung kann frühestens ein Jahr ab Rechtskraft der vorangegangenen Erklärung abgegeben werden.“

    Der Personenkreis, der Obiges in Anspruch nehmen würde, wäre im Allgemeinen sicher überschaubar. Aber im Speziellen stelle ich mir das Chaos auf den Berliner Standesämtern vor.
    Nun könnte mir dieser Unfug egal sein, aber für Unbeteiligte kann er teuer werden. Dafür hat der Entwurf einen § 7 Ordnungswidrigkeiten:
    (1) Ordnungswidrig handelt, wer, ohne hierzu berechtigt zu sein, vorsätzlich oder fahrlässig …
    den zuvor geführten Vornamen oder den früheren Nachnamen verwendet oder sich auf die vorherige Ge-schlechtszuordnung bezieht.
    (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweitausendfünfhundert Euro geahndet werden.

    Beispiel : Ich spreche so einen Typ an und der zeigt mich an. Woher soll ich wissen, daß der gerade vom Amt kommt und, stolz wie Bolle, Geschlecht, Namen und Ausweis neu hat.

  5. Dadurch hat sich u.a. Joanne K. Rowling ihre Vorwürfe eingefangen, Trans-feindlich zu sein. Eigentlich ging es ihr nur um den Schutz von Frauen. Es muss vorgekommen sein, dass Männer in Läden oder Sporteinrichtungen nur erklären mussten, sie empfänden sich als Frau und schon durften sie in die Frauen-Umkleidebereiche.

    Übrigens ist es nicht sehr durchdacht von B. Kelle, ausgerechnet der Jungen Freiheit zu dem Thema Interviews zu geben. Das eröffnet Kritikern nur völlig überflüssige Ansatzpunkte.

  6. Birgit Kelle bewirbt im JF-TV Interview u.a. ihr neues Buch. Das ist im ÖRR nicht gern gesehen. Dort war sie, obwohl sie etwas zu sagen hat, wie folgt eingeladen:
    Anne Will : 2011
    Presseclub : 2012
    Markus Lanz : 2013
    Hart aber fair : 2015

  7. Lieber Frank!
    Hier noch ein paar kleine aber feine Beispiele, wie man mit dem falschen Gebrauch des Partizips das ‚Gendern‘ als lächerlich entlarvt:

    Andreas Hallaschka schreibt (für Hamburg):
    “ Wir wollen keine toten Radfahrenden in der Stadt „.

    Die Wahlleiterin für Berlin gibt bekannt:
    „In einzelnen Wahllokalen weichen die Zahlen jedoch ab, z.B. weil Wählende […] Stimmzettel nicht eingeworfen haben“

    Tote Radfahrende und Wählende, die keine Stimmzettel einwerfen.
    Eigentlich ein Fall für die Anstalt. Aber im Jahr 2021 geben sie in Deutschland den Ton an. (Zumindest von der Lautstärke her)

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