Warum eine breitere Carolabrücke kein Planfeststellungsverfahren erzwingt

Wie breit darf die neue Carolabrücke in Dresden werden? So wie es aussieht, ist die Breite doch kein so großes Problem, wie zunächst befürchtet. Wahrscheinlich ergibt sich überhaupt kein Problem.


Warum der Neubau (unabhängig von der Finanzierung betrachtet) ein Problem werden könnte, ergab sich aus den zwei grundsätzlich möglichen Vorgehensweisen beim Wiederaufbau. Die Stadt Dresden beschrieb das zunächst so:

Die Brücke kann mit moderaten Änderungen als Ersatzneubau wiedererrichtet werden – das würde am schnellsten gehen – oder mit mehr Gestaltungsspielräumen in einem Planfeststellungsverfahren, was zusätzlich drei bis sechs Jahre in Anspruch nehmen würde.

Also sprach das klar für einen schnelleren Ersatzneubau. Aber moderate Änderungen sind eine vage Beschreibung. Was bedeutet das konkret? Ab welchen Änderungen würde eine Planfeststellung alles verlängern und verteuern? Gibt es dazu eindeutige gesetzliche Vorgaben?

Ein Artikel der Sächsischen Zeitung brachte dazu mehr Klarheit. Hier war angegeben, dass der Ersatzneubau bis zu 20 Prozent breiter werden dürfe. Breiter würde die Brücke bei gleicher Spuranzahl wie vorher werden, weil neue gesetzliche Anforderungen sowohl für KFZ- als auch für Rad- und Fußwege breitere Spurbreiten vorgeben.

Bisher war die Brücke etwa 33 m breit (einige Quellen geben auch 34 m an). Bei 33 m alter Breite ergeben zwanzig Prozent mehr 39,6 m. Kritiker – zu denen sich die linke Hälfte des Stadtrates umgehend entwickelte – verkündeten sofort, dass damit keine 4 KFZ-Spuren möglich seien. Umgehend brachen die ideologischen Grabenkämpfe aus, ohne die in Dresden nun mal keine Brücken gebaut werden können.

Die zu hohe Breite zeigte sich in Grafiken von Beispielquerschnitten [1], in denen sich die Ersteller nur an den Maßen aktueller gesetzlicher Anforderungen orientierten. Das sind noch keine Planungsunterlagen, sie zeigen aber mögliche prinzipielle Varianten. 4 Spuren für Autos würden zu einer 41 m breiten Brücke führen.

Doch die Breite überschritte man mit 4 KFZ-Spuren nur bei einer 3-zügigen Brücke. Würde die Brücke stattdessen nur 2-zügig gebaut, könnten die 20% eingehalten werden, denn damit käme man mit 4 KFZ-Spuren nur auf 39 m und das Problem der Planfeststellung bliebe aus.

Quelle: [1] (Ausschnitt)

Doch selbst mit 3 Brückenzügen gibt es kein Problem, denn die 20% spielen nur unter bestimmten Bedingungen eine Rolle. Darauf wies unfreiwillig einer der schärfsten Vierspurgegner im Stadtrat hin.

Am 19.6. stand im Stadtrat als Tagesordnungspunkt 7 [2] die Grundsatzentscheidung zum Wiederaufbau der Carolabrücke auf dem Plan. Die Diskussion dauerte länger als 2 Stunden. Der ehemalige Grüne und nun fraktionslose „Dissident:In“ Johannes Lichdi empörte sich zunächst wie gewohnt über die „fossile Rechte“ und wies im weiteren Verlauf seiner Blutdrucksteigerung darauf hin, dass auch schon geringere Verbreiterungen planfeststellungspflichtig wären, die Brücke dürfe höchstens 34, vielleicht 35 m breit werden. Das stünde im Redeker Gutachten genauso drin. Aber die fossile Rechte sei wohl unfähig, zu lesen …

Nun gut, Lichdi halt. Aber das war möglicherweise eine wichtige Information. Sind die 20% also doch nicht möglich?

Nein, ganz im Gegenteil. Das erwähnte Gutachten findet man bei den Tagesordnungsunterlagen [3]. Vielleicht hätte Lichdi es selbst mal lesen sollen. Denn es sagt aus:

Die Schaffung regelkonformer Verkehrsanlagen, d. h. ein Ersatzneubau unter (bloßer)Anpassung des Brückenbauwerks an aktuelle Regelwerke und Standards sowie Sicherheits- oder Verkehrsbedürfnisse bedarf grundsätzlich auch dann keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung, wenn er mit einer Verbreiterung des Brückenquerschnitts einher geht. Dies sind gerade diejenigen Fälle, die der Gesetzgeber mit § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG verfahrensfrei stellen will. Die Verbreiterungen sind daher jedenfalls in dem Umfang verfahrensfrei möglich, den die aktuellen Regelwerke und Standards vorgeben. Eine starre Grenze gibt es nicht bzw. nur insoweit, als sie aus den technischen Regelwerken folgt.

Was es mit den 20 % auf sich hat, wird im Absatz danach beschrieben. Die spielen nur dann eine Rolle, wenn man z.B. weitere Fahrbahnen einfügen will oder mit sonstigen Maßnahmen eine Kapazitätserweiterung erreichen will. Aber das ist bei uns gar nicht geplant. Es soll alles nur so werden wie vorher, lediglich mit besseren Rad- und Fußwegen. Die neue Brücke darf also so breit werden, wie es die Gesetze bei gleichbleibender Spurmenge vorschreiben.


[1] Wiederaufbau der Carolabrücke – Grundsatzentscheidung zum Verfahren für einen zeitnahen, zeitgemäßen und zukunftsfähigen Brückenbau, Anlage 4 Beispielquerschnitte

[2] 12. Sitzung des Stadtrates, Aufzeichnungen der Livestreams, 19.06.2025 (TOP7 ab 1:12:53)

[3] 12. Sitzung des Stadtrates – TOP 7 – Anlage 2 Gutachten

2 Comments

  1. Bleibt die Frage: Wozu 4 Spuren?

    Der Verkehr hat sich seit 1990 mehr als halbiert und spätestens mit der Öffnung der Waldschlößchenbrücke ist da überhaupt kein Grund für 4 Spuren gegeben.

    Nach der Brücke müssen sich die Autos dann auch wieder für die zweispurige Antonstraße einordnen? Was soll der Vorteil sein?

    Mehrere Spuren machen auch den Verkehr nicht schneller – der steht einzig an den Kreuzungen.

    Und warum war die alte Carolabrücke überhaupt vierspurig? Ach, weil das die direkte Verbindung nach .CZ war – damals, bevor es Autobahnen um Dresden ringsrum gab.

    Total sinnvoll das wieder so in Beton zu gießen! /s

    …aber mit breiterer Brücke und mehr Material, wird der Bau bestimmt schneller und billiger!

  2. Darum geht es in meinem Artikel gar nicht. Hier geht es nur um die Frage, ob bei gleichbleibender Spurmenge die gesetzlich vorgeschriebene Verbreiterung zu einem Planfeststellungsverfahren führen müsste.

    Aber trotzdem zu Deinem Thema: Ja, kann schon sein, dass 3 Spuren reichen. Die Verengung auf nur eine Spur würde man dann in Richtung Rathenauplatz vornehmen. Ist aber für die folgende Frage egal: Was passiert, wenn dort ein Unfall stattfindet? Sowas kam auch dort immer mal vor. Mit nur einer Spur ist in der Richtung dann alles blockiert. Bei zwei Spuren nicht, mit 2 Spuren kommen auch Rettungsfahrzeuge besser entlang. Oder was ist, wenn durch sonstige Ereignisse zeitweilig mehr KFZ-Verkehr dort entlang muss?

    Warum weiterhin 4 Spuren? Weil man so flexibler ist.

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