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ARD: Fehlende Medienkompetenz beim Weg in die digitale Zukunft?

„Digital und konvergent – Was schafft Relevanz?“ – so hieß das Thema, welches mir bei meinem heutigen Besuch des „Medientreffpunkt Mitteldeutschland 2014“ in der Media-City Leipzig beim MDR als das interessanteste erschien. Der Inhalt wurde so beschrieben:

Die Digitalisierung, fortschreitende Konvergenz und die damit einhergehende Veränderung der Nutzungsgewohnheiten stellen die Medienbranche vor ständig neue Herausforderungen. Die Frage nach der Relevanz ist auch für die Medien ein wesentlicher Faktor. Was wichtig ist und wird bedarf der ständigen Überprüfung, um im Wettbewerb um Aufmerksamkeit zu bestehen. Und die Politik ist gefordert, die notwendigen regulatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen (…)

Ich dachte, hier würde es also darum gehen, wie man sich als Medienproduzent der Aufgabe stellt, den ins Internet abgewanderten Nutzer weiterhin oder sogar besser zu erreichen, wie man ihm dort eigene Inhalte als interessant darstellen kann, wie man sich an veränderte Sehgewohnheiten anpasst, an die Mediennutzung über Portale wie YouTube … solche Fragen eben.

Auf der Bühne saßen neben Politikern und Vertretern von Medienanstalten unter anderem der ZDF-Intendant Thomas Bellut, ARD-Vorsitzender Lutz Marmor, der Konzernsprecher von ProSiebenSat1 Julian Geist und MDR-Intendantin Karola Wille. Es war also durchaus hochrangig besetzt.

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Gesprochen wurde dann über alles Mögliche, allerdings fragte ich mich stets, was das eigentlich mit dem Thema zu tun haben könnte? Saß ich überhaupt in der richtigen Veranstaltung? Aber doch, ich war am richtigen Ort. Hatte man den Programminhalt geändert? Ich blätterte in meinen Unterlagen die letzten Aktualisierungen durch: Nein, alles noch so wie geplant. Man sprach über die Qualität der aktuellen Europawahlwerbespots, verglich den öffentlich rechtlichen Rundfunk mit dem Privaten, immer wieder tauchte das Themen „Fernsehgebühren“, also die Haushaltsabgabe auf, es ging um Werbeeinnahmen, Wirtschaftlichkeit und Geldumverteilung, um das „ZDF-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts und Zusammensetzungen der Rundfunkräte, über Verfahrensfragen, über verschiedenste Datenschutz-Mechanismen, über Regulierungsverfahren, ohne jeweils allzu konkret zu werden …

… und ich fragte mich die ganze Zeit: Was hat denn das alles mit dem Thema zu tun? Ich dachte: Leute, Ihr redet hier über Verfahrensfragen, während Euch die jungen Zuschauer weglaufen! Kommt doch endlich mal zum Thema!

Was lief hier falsch? Mögliche Erklärungen:

a) Es lag an mir. Ich hatte entweder falsche Erwartungen an das Thema gehabt oder verstand nicht, dass die Aussagen durchaus irgendwie damit zu tun hatten. Aus Gründen der Wahrscheinlichkeitsrechnung räume ich ein: Das ist die logischere Variante.

b) Die Vertreter der Sender haben tatsächlich alle keine Ideen und weichen dem Thema lieber aus, indem sie besser über solche Dinge reden.

Doch dann, 25 Minuten vor dem geplanten Ende der Veranstaltung geschah doch noch das Wunder und der Moderator kam halbwegs zum Thema: „Wie reagieren wir auf die Konkurrenz wie zum Beispiel die von Netflix?“

Und sehr erstaunt war ich über die Antwort Herrn Marmors vom ARD: Gar nicht! Haben wir beim ARD im Prinzip überhaupt nicht nötig. Wie bitte?, dachte ich und fügte innerlich hinzu: aber hallo! Klar solltet Ihr Euch über solche und andere Entwicklungen mal ganz dringend Gedanken machen! Marmor erklärte seine Position am Beispiel des „Tatort“, damit sei man total erfolgreich, der „Tatort“ würde ja auch verstärkt in Kneipen angeschaut, man hätte zunehmende Zuschauerzahlen, man würde so auch junge Zuschauer erreichen, das sei auch in der Mediathek spürbar. Gut … der Tatort, das mag sein, dachte ich, aber man kann doch nicht alles nur an dieser einen Sendung fest machen. Doch außerdem, so die weitere Erklärung, wäre man auch sehr erfolgreich mit der Tagesschau, der kürzlich umgesetzte teure Umbau des Studios würde gut ankommen beim Zuschauer … aha. Die neue Gestaltung, die ich eigentlich wenig gelungen finde, zieht also die Internetgeneration an. Dann ist es ja gut.

ZDF-Intendant Thomas BellutDeutlich mehr Realitätssinn hatten da die Vertreter vom ZDF und vom MDR. Beim MDR hat man ein „crossmediales“ Jugendprojekt getestet, mit Internetplattform, welche u.a. mit Video- und Radiostream lief, das sei bei den Jugendlichen gut angekommen. Herr Bellut (ZDF) sieht durchaus ein Problem, jüngeres Publikum zu erreichen. Man will das hauptsächlich über eigene Jugendkanäle wie ZDFneo schaffen. Netflix sei ein Thema, aber ein viel wichtigeres sei das Problem mit dem Kartellamt.

Damit kam dann auch kurz vor dem Ende wirklich noch ein von allen beklagtes echtes Problem zur Sprache: Das Kartellamt hat bisher die Wünsche nach gemeinsamen Mediatheken für ARD und ZDF sowie für die RTL Gruppe und ProSiebenSat.1 nicht genehmigt. Das wurde von allen kritisiert, man sagte, das Kartellamt hätte eine völlig weltfremde Herangehensweise aus dem vergangenen Jahrhundert – die einzelnen deutschen Sender stünden immerhin mittlerweile in Konkurrenz zu weltmarktdominierenden amerikanischen Unternehmen wie Google, Apple und bald auch Amazon. Da könne es doch nicht sein, dass auf nationaler Ebene Bewertungen vorgenommen würden, obwohl diese längst im internationalen Vergleich stattfinden müsste. Claus Grewenig, Geschäftsführer des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT), schilderte, wie kompetent sich das Kartellamt üblicherweise zu entsprechenden Anfragen äußert: „Bringen Sie das mal aller paar Monate wieder als Thema, die Marktlage kann sich ja jederzeit wieder ändern.“ Beistimmendes Nicken der Gäste im Podium.

„Und? Haben Sie heute schon etwas neues erfahren?“, fragte anschließend beim Mittagsbuffet eine Frau ihren Kollegen. Ihn hatte ich auch in der gerade erlebten Veranstaltung gesehen. „Nein“, meinte er. „Absolut nichts.“

5 Comments

  1. „Beim MDR hat man ein „crossmediales“ Jugendprojekt getestet, mit Internetplattform, welche u.a. mit Video- und Radiostream lief, das sei bei den Jugendlichen gut angekommen.“

    Wurde gesagt, welches Jugendprojekt das gewesen sein soll? Kann mich an keines erinnern und habe beim Recherchieren nur eins in Planung entdeckt (http://www.flurfunk-dresden.de/2014/02/12/mdr-rundfunkrat-resolution-fuer-trimediales-jugendangebot/) sowie eines, bei dem ein bisschen getwittert werden musste (http://crossmedia.wasmitmedien.de/?p=230).

  2. Nein, das wurde nicht konkret genannt. Mir fiel dort auch nur ein, dass ich im Flurfunk einmal etwas über so etwas gelesen hatte – das dürfte wohl derselbe Artikel gewesen sein. Nebenbei: Ich finde ja immer solche bedeutungsvoll klingenden Begriffe wie „trimedial“ oder „crossmedial“ sehr amüsant 🙂

  3. Seltsam, dass der MDR so ein Geheimnis aus seinem „crossmedialen Medienangebot“ macht, wenn es doch angeblich so gut bei den Jugendlichen angekommen ist.

  4. Ach, das klang für mich eher so, als wolle man es lediglich noch nicht so großartig bewerben, solange es noch nicht fertig ist. Wäre für mich nachvollziehbar.

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