Was kostet ein Livestream aus dem Dresdner Stadtrat?
Morgen wird in Dresden der Ausschuss für Allgemeine Verwaltung, Ordnung und Sicherheit auch über das Thema „Livestreaming von Stadtratssitzungen“ beraten (siehe ratsinfo). Liveübertragungen von dort wurden letztes Jahr zum Thema, als dem coloradio- und Dresdner Piratenpartei-Mitglied G. Schäfer sein Livestream aus dem Stadtrat verboten wurde (das ging auf die NPD zurück, die so auch endlich einmal einen Erfolg … nun ja … Minimalerfolg verbuchen konnte).
Von der Piratenpartei erschien dazu heute ein Artikel, aus meiner Sicht klingt er etwas künstlich aufgeregt, aber das soll nicht mein Thema sein. Mir geht es um die von der Stadt geschätzten Kosten für diesen Livestream:
„Die Anschaffungskosten für Kameras, geeignetes Mischpult und geeignete Laptops werden auf mindestens 10.000 Euro geschätzt. Aus Sicherheitsgründen würde das Streaming nicht über das Rechenzentrum der Stadt laufen, sondern externe Kapazitäten angemietet werden. Dies würde Kosten in Höhe von ca. 1.500 bis 2.000 Euro pro Jahr verursachen. Hinzu kämen Personalkosten für die Bedienung der Technik während der Sitzung, die Nachbearbeitung des Materials für Archivzwecke und die Wartung der technischen Komponenten. Da keinerlei Erfahrungswerte vorhanden sind, können diese Kosten kaum beziffert werden. Die Stadtverwaltung geht aber von mindestens 12.000 Euro Netto im Jahr aus.“
Ich behaupte, dass das wesentlich billiger ausfallen kann. Zunächst einmal müssen keine Geräte für mindestens 10.000€ angeschafft werden. Wenn ich das ausführen sollte, würde es folgendermaßen aussehen:
Kameraleute, die ständig Bildeinstellungen suchen müssen, sind komplett überflüssig, zumal sie auch stören. Was interessiert uns Bürger? Wir wollen wissen, wer gerade redet, was er sagt und wer das ist, der gerade etwas von hinten dazwischenruft. Eine Kamera wird also fest auf das Rednerpult gerichtet, eventuell mit Erfassung der Personen dahinter. Das muss nichts teures sein, eigentlich reicht da eine Webcam, die man vorn am Pult montiert. Selbst wenn man etwas Besseres nimmt und einen manuell regelbaren 3MOS-FullHD-Camcorder auswählt, ist man mit 500€ dabei. Je kleiner, desto besser, denn so stört es umso weniger. Für die Camcorder-Variante reicht ein einfaches 100€-Stativ, sie soll ja nicht bewegt werden. Der Ton wird vom Mikro am Pult genommen. Für die Zwischenrufer kommt in Gegenrichtung eine zweite Kamera zum Einsatz, die ebenfalls fest montiert ist und die Totale, also den ganzen Saal aufnimmt. Hier reicht ebenfalls eine bessere Webcam. (Ich würde auf jeden Fall erst einmal Webcams testen – die gibt es längst auch in HD und wenn sie WLAN haben, spart man sich auch noch die Kamera-Verkabelung. Der Ton aus dem Saal wird mit 2 Mikros (li/re) aufgenommen, aber viel leiser als der Redner. Wenn jemand dazwischenruft, ruft er ja ohnehin laut. Die beste Pegeleinstellung wird man sicher bald finden. Als Mischpult reicht ein kleiner 4- bis 6-Kanal-Mixer mit eingebautem USB-Interface. Durchaus brauchbare Geräte erhält man ab 150€. Der verwendete Computer muss auch nichts Besonderes sein. Die gesamte Ausrüstung muss einfach aufstellbar sein, da der Dresdner Stadtrat gelegentlich den Tagungsort wechselt.
Auf der entsprechenden Website würde ich zwei parallel laufende Videofenster einfügen lassen: Einmal das Bild vom Redner, 1x das vom Saal. Eventuell auch mit der Option, nur den Redner anzusehen. Auf eventuelle Zwischenrufer muss meiner Meinung nicht erst jedes Mal heran gezoomt werden (meist schafft man das auch gar nicht schnell genug). Es reicht, dass auf der Seite auch die Sitzverteilung mit Namen und Bild der Stadträte zu sehen ist – da kann man sich jeweils heraussuchen, wer soeben gestört hat. Wer sich für Stadtpolitik interessiert – und nur solche Leute werden den Stream ansehen – der wird ohnehin auch die wichtigsten Personen im Stadtrat kennen.
Nächster Kostenpunkt: 1.500 bis 2.000 € pro Jahr für das Streaming. Das kann ich nicht beurteilen, es fallen tatsächlich Kosten für einen externen Streaming-Server an. Der empfängt den einen vom PC erzeugten ausgehenden Stream und verteilt ihn so oft weiter, wie er von Interessenten abgerufen wird. Die Kosten dafür hängen von der gewählten Bandbreite der beiden Videostreams und hauptsächlich aber von der Menge der Zuschauer ab. Kostenlose werbefinanzierte Lösungen oder per Google+-Hangout würde ich aus Seriositätsgründen eher nicht in Betracht ziehen.
Dritter Kostenfaktor: 12.000 € Netto jährlich nur für Wartung, Archivierung und Pflege? Das ist fast eine halbe Arbeitsstelle und auch dazu behaupte ich, dass das völlig übertrieben ist. So oft tagt der Stadtrat gar nicht. Es muss jeweils nur Technik auf- und wieder abgebaut (und transportiert) werden. Der Betreffende kann – wenn er nun schon mit vor Ort ist, zwischendurch immer mit die Namen der Sprecher auf der Website eingeben und – falls doch nötig, die beiden Saalmikros regeln. Zu archivierende Videodateien berechnet der PC entweder bereits während des Streamings oder anschließend allein. Und archiviert werden im Stadtrat ohnehin bereits alle Sitzungen inhaltlich als Text – da dürfte es kein Problem sein, zusätzlich zu den pdf-Dateien nun auch noch eine Videodatei mit zu verlinken.
Ich hoffe, dass ich mit meinen Anregungen beitragen konnte, Dresdner Steuergeld zu sparen. Und von den Einsparungen könnte man doch bitte das große Schlagloch direkt hinter dem Blauen Wunder reparieren!
Was in der Rechnung fehlt: Wer sollte die ganze Abwicklung der Geschichte übernehmen, wenn sich damit nichts verdienen lässt? Es sollte also noch mal ein Quotient da rein, der den Verdienst des Anbieters berücksichtigt. Ist das vielleicht der Grund, warum bestimmte Posten aus Deiner Sicht „teuer“ sind?
Also möglicherweise findet sich auch jemand, der es kostenlos übernimmt, so rein aus Menschenliebe/politischem Engagement – ich würde aber denken, dass das der Stadtverwaltung zu suspekt wäre… Und wenn die Stadtverwaltung es selbst macht – dann wird es gleich noch viel teurer!
Schon klar. Wenn man es ausschreibt, muss logischerweise das Interesse, Geld einnehmen zu können, berücksichtigt werden. Das ist auch völlig in Ordnung. Aus reiner Menschenliebe oder so wird und muss das keiner übernehmen. Ich bin nur der Meinung, dass der Aufwand eigentlich sehr gering oder zumindest überschaubar sein könnte. Und das kann sicher einer der technisch ausgebildeten städtischen Angestellten mit übernehmen (falls das einer von denen liest, wird er hier aufstöhnen 😉 )
Hallo Frank!
Ich war gestern in der Sitzung des Ausschusses für allgemeine Verwaltung, der laut Ratsinformationssystem bzw. der inzwischen eingestellten Vorlage (V1986/12) über eben diese beschließen sollte.
Zu Beginn der Sitzung teilte Winfried Lehmann, der Leiter des Geschäftsbereiches und auch der Sitzung mit, dass man sich in der Verwaltung geirrt habe. Schließlich hieße es in der Beschlussfassung des Stadtrates vom 9. Februar, dass die Ergebnisse der Prüfung eben diesem zur Entscheidung vorgelegt werden müssten.
Die Vertreter von DIE LINKE und B’90/die Grünen waren einfah nur baff und beugten sich dem Vorschlag nur widerwillig. Mit der Hebung bzw. Verweisung in den Stadtrat allerdings, wird der Tagesordnungspunkt dann nur noch beratend und damit nicht-öffentlich behandelt.
Ich wollte schon mit einem weiteren Gast den Sitzungssaal verlassen, als Gerit Thomas (B’90/Die Grünen) den Ausschussmitgliedern vorschlug, mich in Sachen Livestreaming als „sachkundigen“ Bürger zu befragen.
Aus der Befragung von Kai Schulz, Pressesprecher der Landeshauptstadt Dresden, der die Vorlage der Stadtverwaltung vorstellte und erläuterte, heraus, erhielt ich die Gelegenheit im Ausschuss zu sprechen.
Die drei Hauptaspekte, die ich nannte, waren:
1. Barrierearmer Zugang (zusätzlich zum Video-Stream ein schmaler Audio-Stream)
2. Klärung einer Archivierung (für Menschen, die die Sitzung zeitversetzt anschauen/-hören möchten)
3. Datenschutz (Bildaufnahmen schwenkbarer Kameras bedeuten grundsätzlich einen größeren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte – auch unbeteiligter Personen – als dies eine Beschränkung auf eine Audio-Übertragung der Fall ist.
Auch ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass diese Vorlage trotz einjähriger Erarbeitung mit der „heißen Nadel“ gestrickt wurde.
Weder mit mir, noch mit dem ursprünglichen Antragsteller fanden erläuternde Gespräche statt.
Stattdessen wurde eine Variante mit drei schwenkbaren Kameras geprüft, die den Arbeitsaufwand und damit dem Preis pro Sitzung auf geschätzte 800€ aufbläht.
Dabei halte ich es, wie Du im Artikel schon schriebst, für möglich und sinnvoll, dass die Übertragung von Bild- und Audiosginalen vom „Mann am Mischpult“ mit ausgeführt wird.
Der weitere Geschäftsgang der Vorlage (V1986/12) geht über den Ältestenrat, mit dem die OB die (vorläufige) Tagesordnung des Stadtrates festlegt, direkt in die kommende oder darauffolgende Stadtratssitzung.
Ich rechne mit einigen Änderungs-/Ergänzungsanträgen der „Opposition“ und bin gespannt auf die möglichst kontroverse Diskussion in Stadtrat UND Gesellschaft.
Gruß Fidel