Kein Reisebericht, Teil 2

Aber eine Reiseempfehlung. Und zwar für Menschen, die motorisiert unterwegs sein wollen, aber gleichzeitig Freunde der „Wiederentdeckung der Langsamkeit“ bzw. des Stillstandes sind:

Urlaubsvariante „Warten an Schleusen“

Wundervolle Bedingungen findet man dafür auf der Mecklenburger Seenplatte, ganz grob angegeben südöstlich der Müritz. Manche Seen sind dort zwar für Motorboote gesperrt, aber auf einigen kann man auch mit einem solchen fahren. Und einige dieser Seen sind nicht durch Kanäle, sondern nur mittels Schleusen verbunden. Dort kann man unter Gleichgesinnten seinen Urlaub verbringen. Damit das alles reibungslos funktioniert, gibt es aber die Bedingung, ein möglichst großes Boot zu benutzen.

Es gab ja Zeiten, in denen die motorisierten Wasserwanderer nur mit „normalen“, also relativ kleinen Motorbooten unterwegs waren. So wie diese hier:

Natürlich ist der Komfort aus Platzgründen hier unglaublich eingeschränkt. Man kann unter Deck weder die Tischtennisplatte aufbauen, man kann nie den gesamten Kegelklub mitnehmen und an Deck kann man keine Runde mit dem Fahrrad drehen, um sich fit zu halten. Aber man kam mit diesen kleinen Motorbooten problemlos in die Schleusen, es passten stets zwei Boote nebeneinander und 5 bis 6 hintereinander, so dass bei jedem Schleus-Vorgang etwa 10 Boote durchkamen. Das waren schlimme Zeiten – ständig die Hektik: Ran an die Schleuse – nach bestenfalls kurzer Pause durch – und weiter! Glücklicherweise ist das heute anders. Die Leute nehmen verstärkt große Boote, und auch die Verleiher (die meisten Boote sind ja nur geliehen) unterstützen das in verantwortungsvoller Weise, da sie große Typen bewerben. So wie hier sollte es mindestens aussehen:

Nur so kann gewährleistet werden, dass die Schleuse mit etwa 4 Booten bereits voll ist und draußen eine schöne Warteschlange entsteht.

Wie man sieht, bleiben wir Paddler leider von dieser Entschleunigungs-Aktion ausgeschlossen, denn uns sortieren die Schleusenwärter gnadenlos in die verbleibenden Lücken ein. Deshalb dürfen wir immer gleich mit vorfahren* und schaffen am Tag sogar mehr als unglaubliche zwei Schleusen. Erholsam ist das freilich nicht.

(* Einmal sahen wir Kajakfahrer, die sich allen Ernstes hinten angestellt hatten und schwer genervt aussahen. Denen gab ich einen hilfreichen Tipp.)

Das ergibt dann schöne Schlangen vor den Schleusen von mindestens 15 Booten. Im Vorbeipaddeln kann man mittags Gesprächsfetzen aufschnappen wie: „… und wann waren Sie heute hier?“ „Ach, so gegen 9 Uhr …“. Auf diesem Foto muss man sich links außerhalb des Bildes noch etwa 10 Boote dazu denken:

Für die hier zu sehenden Boote hat die Wartefläche nicht mehr gereicht und sie mussten auf See ankern. Beim Zählen kamen wir auf etwa 25. Danach stellten wir fest, dass die am gegenüberliegenden Seeufer ankernden Boote anscheinend ebenfalls noch dazugehörten. So kann man schöne Urlaube verbringen! Wenn man dann tatsächlich nachmittags eine Schleuse geschafft hat, trifft man an der nächsten die alten Bekannten wieder. Zwischendurch kann man zur Abwechslung ein kleines Rennen starten, um wenigstens einen Miturlauber zu überholen. Da aber auf den meisten Seen Geschwindigkeitsbegrenzungen herrschen, sind das dann zaghafte Low-Speed-Rennen. Die Meisten fügen sich in ihr Schicksal.

Konsequent waren diese Niederländer, die zu zweit mit einem größenmäßig sehr angemessenen Hochseedampfer unterwegs waren. Die vielen Fahrräder auf Deck täuschen – ich konnte wirklich nur 2 Personen entdecken – die mitgeführte Fahrradmenge könnte an dem landesgemäßen Umgang mit diesen Dingen liegen.

Hier fuhr der Kapitän aus den Niederlanden ein in die Schleuse. Allein. Er hatte ja auch mindestens seit dem letzten Abend darauf gewartet.

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5 Comments

  1. Interessante Beobachtungen (wenn ich auch mal was Positives sagen darf)! Die Frage wäre, warum heute so viele große Boote unterwegs sind. Allgemeiner Anstieg des Lebensstandards? Protzerei? Fokussierung auf Platz und Komfort? Logik des Systems, also dass ohne Wachstum nichts geht?

    Jedenfalls führt das Wachstum dazu, dass keiner mehr flott vorwärtskommt und alle Nachteile haben. Bis auf die Kanufahrer, die sich sozusagen aus diesem System ausgeklingt haben.

  2. Ich nehme mal an, dass es zunächst daran liegt: Wenn man sich ein Boot leiht, sieht man sicher zunächst nur den Komfort durch den größeren Platz. Es können alle Familienmitglieder an Bord schlafen, alle können bei schlechtem Wetter unter Deck sitzen … Dass das auch Nachteile haben könnte, sieht man beim Buchen/Ausleihen ja noch nicht. Protzerei mag bei einigen auch eine Rolle spielen, ich denke aber, dass das nicht so die Rolle spielt. Und da sind dann noch Senioren mit anscheinend eigenem Boot, die offensichtlich genug Geld haben und es auch ausgeben.

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