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Wir sollten ganz Deutschland zum Kurort erklären!

Kurort Dresden: Das berühmte Gradierwerk in Pieschen
Kurort Dresden: Das berühmte Gradierwerk in Pieschen

Das würde zumindest vieles vereinfachen. Heute hat der Dresdner Stadtrat beschlossen, für Dresden eine Kurtaxe zu erheben. Das mag auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen, denn in Touristenführern werden weder berühmte Dresdner Heilbäder oder Thermalquellen erwähnt und auch andere kurortverdächtige Sachen wie Gradierwerke oder wenigstens eine Kneippanlage* sind hier unbekannt. Dresden ist auch nicht gerade für seine besonders reine Luft bekannt, sondern wurde stattdessen schon einmal als „deutsche Feinstaub-Hauptstadt“ bezeichnet. Aber für Reisende, die häufig in Deutschland unterwegs sind, dürfte das kein Grund sein, die hier möglicherweise bald als Kurtaxe geforderten 1,30€ pro Übernachtung nicht zu zahlen. Denn als Tourist hat man sich längst daran gewöhnt, dass in allen möglichen Orten Kurtaxe gefordert wird, obwohl häufig nicht zu erkennen ist, wofür man das eigentlich bezahlt. Was manche Orte zum Kurort macht, bleibt oft ein Rätsel.

(* Allerdings haben wir die Kneipenanlage „Neustadt“ – vielleicht bemerkt keiner den kleinen Beschreibungsfehler …)

Und warum insofern nicht auch Dresden? Was soll hier mit dem Geld gemacht werden, wenn wir schon nichts Kur-kompatibles vorzuweisen haben, was damit erhalten werden könnte? Es soll allgemein in die Stadtkasse fließen und dann der Kunst und der Kultur zukommen. So war das mit der Kurtaxe zwar nie gedacht, aber man kann ja mal etwas Neues ausprobieren und wie schon gesagt: Als Tourist ist man vieles gewöhnt. Außerdem ist es auch gerade für den Tourismus gut, wenn Dresden irgendeine Absonderlichkeit vorzuweisen hat, und wenn es nur der Status als Kurort ohne vorhandenen Grund ist. Und interessanterweise müsste auch niemand einen Nachteil davon haben, denn erst 2010 wurde ja die Mehrwertsteuer für Beherbergungen, also für Hotels, Ferienwohnungen und so weiter auf 7% gesenkt, was die Vermieter aber praktisch nirgends als Preissenkung an ihre Kunden weitergaben. Insofern sollte es nun schon drin sein, hier die 1,30 € mit abzuzweigen. Man kann es sich bei den gängigen Übernachtungspreisen ausrechnen, wie geringfügig das ins Gewicht fallen würde.

Absehbar ist aber, dass andere Städte unsere bahnbrechende Dresdner Idee bald kopieren werden und dass Deutschland in wenigen Jahren flächendeckend nur noch aus Kurstädten bestehen wird. Berlin hat zum Beispiel definitiv das Zeug dazu – in welcher Großstadt kann man sonst noch so eine unglaubliche Stille auf einem Flughafen genießen? Insofern fände ich es verwaltungstechnisch allerdings einfacher, Deutschland gleich insgesamt zur Kur-Bundesrepublik zu erklären. Die Kurtaxe könnte man dann als Pauschale mit den Steuern erheben. Experten haben berechnet: Das würde pro Jahr 320.000 Arbeitsstunden für das Kurtaxe-Formular-Ausfüllen, sowie 24,3 Tonnen Papier und 16,8 Millionen Kugelschreiber sparen.


 

Nachtrag, 09.10.2014: Nun wurde die Kurtaxe ber Gerichtsurteil doch wieder gekippt und das zieht einige Probleme hinter sich her: Nach Kurtaxe-Urteil: Stadt verhängt Haushaltssperre

11 Comments

  1. Oft sind es die kleinen Missverständnisse, einzelne Buchstaben, die das Leben kompliziert machen. So wie bei „Kneippanlage“ und Kneipenanlage ist es mit vielem. Beim Wort „Auto“ (selbst) erschließt sich der Sinn besser, wenn man die fehlenden Buchstaben „mobil“ ergänzt. Ähnlich ist es bei der Kurtaxe, nur muss man hier die drei fehlenden Buchstaben in der Mitte ergänzen, um auf „Kulturtaxe“ zu kommen.

  2. Stimmt. Eigentlich ganz einfach – bei eventuellen Beschwerden können wir uns insofern auf einen angeblichen Schreibfehler berufen 🙂

  3. Naja, wir sind jetzt Kurort. Und wie ich bei einem Dresdner Hotelmanager auf Facebook sah, sammeln sich in den Dresdner Hotels dicke Ordner mit Rückerstattungsanträgen von Gästen, die sich die gezahlte Kurtaxe zurück erstatten lassen wollen. Die Dresdner Stadtverwaltung will ja auch beschäftigt sein 😉

  4. Wie jetzt? Dürfen wir uns dann „Bad Dresden“ nennen? Würde ja prima zu diesem verschlafenen Nest passen.

  5. @Jonas Namensvetter: Ich hoffe das „Bad Dresden“ wird nicht zu einem Anglizismus. Ähnlich „L.E.“ für Leipzig, das auf die „schöne neue Welt“ jenseits des großen Teichs abzielt …

  6. Das mit dem Anglizismus „bad“ hätte dann aber früher kommen müssen – damit hätte man vielleicht Michael Jackson-Fans anlocken können, als der noch lebte 😉

  7. Ja, stimmt auch wieder – hatte ich gestern ebenfalls registriert, allerdings auf cdstarts.de. Vielleicht lässt sich noch was draus machen.

    Nebenbei: Ich finde ja bei solcher posthumer Musik-Resteverwertung immer wieder beeindruckend, was die Produzenten da noch so alles an Hinterlassenschaften des Künstlers finden. Mir fällt auf: Yoko Ono hat schon lange kein vergessenes Tape von John Lennon mehr in irgendeiner Schublade wieder entdeckt 😉

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