Bürokratie jetzt! Keine Fördermittel mehr ohne Verfassungstreue

In der heutigen Landtagssitzung könnte ein Thema wichtig werden, welches für sächsische Politiker eine Änderung bei der Altersversorgung umsetzt. Der SZ-Artikel „Landtag plant neue Politikerrente ab 62“ (1) sorgte deshalb gestern für viel Gesprächsstoff.

So ganz nebenbei steht aber auch ein zunächst harmloser klingendes Thema auf der Tagesordnung, wie man einer Pressemitteilung der CDU Sachsen vom 09.12.2010 entnehmen kann:

„Auf Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP wird der Sächsische Landtag auf seiner Sitzung am kommenden Dienstag eine Aktuelle Debatte zum Thema „Demokratie in Sachsen verteidigen – Extremismus von Rechts und Links konsequent bekämpfen!“ führen. Hintergrund ist die derzeitige öffentliche Debatte darum, dass sich Organisationen, die staatliche Mittel erhalten, zur Demokratie bekennen und nur mit Partnern kooperieren, die ebenso auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.“ (2)

Bereits am 6.12. hieß es dort in einer anderen Pressemitteilung:

„Wer öffentliche Steuergelder bekommt muss auf dem Boden der Verfassung stehen. Die finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand von einer Erklärung der Verfassungstreue anhängig zu machen ist daher nicht nur legitim, sondern auch geboten.“ (3)

Wir hatten kürzlich erst den Fall, dass das „Alternative Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz“ (AKuBiZ) aus Pirna den Sächsischen Förderpreis für Demokratie von 10.000 € nicht annahm (4), weil er mit der Bedingung verbunden war, eine „antiextremistische Grundsatzerklärung“ unterschreiben zu müssen. In einem Interview (5) erklärte der Verein, dass man dies zunächst weniger aus Protest, sondern aus rein praktischen Gründen getan hatte: Als kleiner Verein mit wenig Personal konnte das AKuBiZ überhaupt nicht garantieren, die damit verbundene Arbeit tatsächlich bewältigen zu können. Man müsste sich regelmäßig neu über Änderungen informieren, was Definitionen der Verfassungstreue betrifft, welche Organisationen aktuell bedenklich sind und man müsste eben alle seine Partner daraufhin untersuchen.

Und nun sollen also nicht nur Preisträger von einer solchen Anti-Extremismus-Klausel betroffen sein, sondern alle Vereine? Zumindest, sobald sie Fördermittel beantragen? Da Vereine kaum ohne solche auskommen, wäre das eine weitreichende Veränderung. In einem Artikel von freiepresse.de kann man zwar lesen, es wäre nur relevant, „wenn Organisationen Fördergeld für Demokratie- und Anti-Rechtsextremismusprojekte beantragen wollen“ (6), aber in den beiden Pressemitteilungen der CDU klingt das viel allgemeiner – eher so, als müsste nun auch jeder Sportverein eine entsprechende Erklärung unterschreiben.

Wenn es nur darum ginge, dass ein Verein bestätigt, selbst verfassungstreu zu sein – das wäre ja noch vermittelbar. Aber sämtliche Partner dementsprechend untersuchen zu müssen, schafft erstens ein unschönes Arbeitsklima und zweitens haben gerade kleinere Vereine sicher noch genügend anderen Papierkram zu erledigen. Denken unsere Politiker der CDU und FDP eigentlich nach, bevor sie ihre genialen Ideen veröffentlichen?

Und selbst wenn es nur darum ginge, dass Vereine nur ihre eigene Verfassungstreue bestätigen sollen – was soll das eigentlich bringen? Inwieweit schadet das den wirklich extremistischen Vereinigungen?

Nur mal theoretisch: Angenommen, ich selbst wäre in einem Verein von Neonazis … zunächst einmal würden wir uns sicher nicht „Verein der Neofaschisten Musterhausen e.V.“, sondern etwas unverfänglicher benennen. Wir würden auch in die Vereinsstatuten nicht schreiben: „Wir lehnen die Verfassung der BRD ab …“ Unsere Berater hätten uns dafür sicher etwas Passendes formuliert, weshalb wir offiziell irgendwie noch ins verfassungstreue Raster passen.

Und es würde uns garantiert viel Freude bereiten, bedenkenlos diese „antiextremistische Grundsatzerklärung“ zu unterschreiben. Warum auch nicht – was haben gerade wir schon zu verlieren? Wir sind doch sowieso ständig von Verboten bedroht, da kann man es schon aus Jux unterschreiben. Mit dieser Unterschrift wird man außerdem regelrecht reingewaschen und kann nun immer seine Verfassungstreue bestätigen. Außerdem – selbstverständlich sind wir verfassungstreu! Wir arbeiten eng mit dem Verfassungsschutz zusammen! Viele unserer Mitglieder sind dort angestellt. Ohne uns wären die ihren Job los, weshalb einer von denen uns damals auch politisch korrekte Vereinsstatuten entwarf … Außerdem sind wir doch nicht extrem! Wir befassen uns nur mit Pflege alten deutschen Brauchtums, mit germanischer Kultur und Geschichte, mit Runenforschung, Jugendarbeit… Es würde uns doch auch einen regelrecht zynischen Spaß bereiten, jetzt erst recht Fördermittel aller Art zu beantragen. Und warum nicht auch einmal für ein antiextremistisches Projekt? Ein anti-linksextremes natürlich …

Einen höheren Arbeitsaufwand wegen der Untersuchung von Partnern auf extremistische Einstellung hat man in diesen Kreisen sicher auch kaum, da man dort kaum Partner braucht. Man ist wahrscheinlich eher froh, wenn man von Anderen in  Ruhe gelassen wird.

Insofern kann man sich fragen: Wem nutzt dieses geforderte Bekenntnis zur Verfassung? Und wem schadet es? Es nutzt praktisch niemandem. Lediglich gewissen Politikern, die sie sich anschließend selbst auf die Schultern klopfen können, weil sie auch heute wieder so unglaublich viel gegen Extremismus getan haben.

Selbst wenn es nur bestimmte Förderungen betreffen sollte: Es schadet massiv den normalen Vereinen, die bisher ohnehin schon verfassungstreu waren und nun lediglich noch mehr bürokratischen Aufwand haben.

Quellen:

1 – sz-online, 13.12.10, Landtag plant neue Politikerrente ab 62
2 – CDU Sachsen, Flath/Zastrow: Keine Fördermittel ohne Verfassungstreue
(Nachtrag: Artikel nicht mehr online)
3 – CDU Sachsen: Keine öffentlichen Mittel ohne Erklärung der Verfassungstreue
(Nachtrag: Artikel nicht mehr online)
4 – (hier im Blog):„Sieger-Projekt nimmt Demokratiepreis nicht an
5 – (kein link gefunden) ich hatte das in einer gedruckten Ausgaben der DNN oder der SZ gelesen.
6 – freiepresse.de: Opposition bekräftigt Kritik an Extremismus-Klausel

Presse:

DNN, 13.12.10: Extremismus-Klausel: Vereine hoffen auf Einlenken

Update, 15.12.10: An der Klausel wird festgehalten. Zumindest soll es aber nur bei Förderprogrammen angewandt werden, die Demokratieprojekte unterstützen und gegen Extremismus gerichtet sind.  (MDR-Sachsen, Jan. 2016: nicht mehr online)