Im Land der Masochisten: Wir sind an allem schuld! (Teil 2)

Im letzten Artikel ging es um den wahrscheinlich nur in Deutschland zu beobachtenden Hang, sich selbst für alles Übel in der Welt schuldig zu fühlen. Auch beim Thema Asylpolitik ist dieser Effekt zu beobachten. Wenn Asylbewerberzahlen steigen, sehen wir die Schuld daran gern zuerst bei uns selbst. Besonders logisch ist das aber nicht. Manchmal geschehen negative Dinge in der Welt auch ohne unser Zutun.

Menschen fliehen vor Krieg, weil wir Waffen liefern

Ein häufig gebrachtes Argument, warum wir uns nicht über steigende Flüchtlingszahlen beschweren sollten, ist: Die Menschen fliehen aus den Kriegen, für die wir die Waffen liefern. Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten. Deutschland ist immerhin einer der wichtigsten Waffenexporteure der Welt.

Ja. Aber.

Zunächst einmal fliehen gar nicht alle Menschen vor Kriegen. Vor allem aus Afrika emigrieren die meisten Menschen wegen schlechten Lebensbedingungen. Sie fliehen vor der Herrschaft grausamer Diktatoren oder aus Ländern, in denen Korruption, Vettern- und Misswirtschaft jegliche Entwicklung blockieren. Hier läuft tatsächlich eine Menge falsch, hier muss man auch klare Fehler bei den Industriestaaten sehen (aber nicht nur in Deutschland). Teilweise behindern Handelsbarrieren afrikanische Exporte, teilweise alimentiert unsere Entwicklungshilfe die falschen Herrscher. Einige Kritiker sehen die Entwicklungshilfe an sich sogar als eine wichtige Ursache für weitere Flüchtlinge und fordern deren Ende:

In den vergangenen 60 Jahren hat Afrika über eine Billion Dollar (…) erhalten; eine Reihe von Staaten bestritten damit 70 Prozent ihrer Staatsausgaben. Der Erfolg ist sehr gemischt – so gemischt, dass viele Ökonomen, darunter auch prominente Afrikaner, ein Ende der Entwicklungshilfe fordern. Ihre Begründung: Sie mache abhängig, töte die Eigeninitiative, anstatt Anreize zum selbständigen Handeln zu liefern, und speise nur die Korruption.

Obwohl man hier also auch in der Politik von EU-Staaten und anderen Industriestaaten Ursachen dafür sehen kann, dass Probleme in Afrika nur verschleppt werden – die Ursachen davon sind überwiegend in den betroffenen Ländern hausgemacht und nicht unsere Schuld. In einem aktuellen Artikel der FAZ beschreibt Asfa-Wossen Asserate, der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, das Problem so:

Die größten Exporteure von Migranten auf dieser Welt sind afrikanische Gewaltherrscher und Diktatoren, die ihrem eigenen Volk keine Hoffnung lassen auf ein menschenwürdiges Leben.

Das alles sind komplexe Themen, wozu schon viel geschrieben wurde. Das muss ich hier nicht wiederholen und kann es auch gar nicht, zumal man es für jedes afrikanische Land einzeln untersuchen müsste. Auch die Frage „Sind wir schuld, wenn afrikanische Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken?“ könnte man lange diskutieren und das würde mehrere Artikel füllen. Ganz kurz – ich bin der Meinung: Daran sind hauptsächlich die Schlepper schuld, die den Menschen solche gefährlichen Überfahrten teuer verkaufen. Auch wenn sich hier der Vorwurf aufdrängt, ich würde mir das Ganze etwas zu einfach machen – ich möchte mich hier auf das Thema beschränken: Menschen fliehen vor Krieg, weil wir Waffen liefern. Fragezeichen.

Waffen – die Ursache von Kriegen?

Sind unsere deutschen Waffen schuld, dass die Kämpfe in den aktuellen Krisengebieten ausgebrochen sind? Einmal ganz grundsätzlich betrachtet: Ist das Vorhandensein von Waffen ein Grund für das Ausbrechen von Kriegen? Muss man Angst haben, dass in der Schweiz ein Krieg ausbricht, nur weil es dort eine relativ hohe Zahl an Waffenbesitzern gibt? Nein, natürlich nicht. Ganz im Gegenteil: Wenn Leute sich umbringen wollen, erschlagen sie sich notfalls auch ohne Waffen. Das zeigte der Bürgerkrieg in Ruanda leider sehr deutlich. Dort erschlug man sich gegenseitig mangels echter Waffen mit einfachsten Mitteln. Macheten, Sensen, Dreschflegel, Rohre oder auch Schaufeln dienten dort zum Abschlachten, wenn nichts anderes greifbar war. Auslösend für Kriege ist zunächst der entstehende Wunsch, irgendeinen vermeintlichen Feind umbringen zu wollen. Anschließend besorgt man sich dafür die Werkzeuge, also die Waffen. Wenn es keine gibt, wird man erfinderisch. Beispielsweise bauen sich Kämpfer der Hamas ihre Sprengsätze und Raketen notfalls aus einfachsten Mitteln selbst, um ihren Feind Israel zu bekämpfen. Wenn der Wille zum Töten erst einmal da ist, machen vorhandene Waffen die anschließende Umsetzung zwar einfacher, aber sie sind nicht die Ursache. Ohne sie geht es notfalls auch.

Kriegsursachen durch Deutschland?

Und sind wir schuld an den aktuellen Kriegen? Nein, natürlich nicht. Die meisten Kriegsflüchtlinge kommen gegenwärtig aus Syrien. Kein logisch denkender Mensch wird auf die geradezu absurde Idee kommen, eine deutsche Schuld am Krieg in Syrien finden zu wollen. Diese Kämpfe haben ganz andere Ursachen und das hat sich seit dem Beginn durch die Eroberungen des IS in Syrien sogar noch geändert. Die nächstwichtigen Herkunftsländer von Kriegsflüchtlingen sind der Irak und Afghanistan. Sind wir schuld an den Kämpfen im Irak? Nein, selbstverständlich auch nicht. Man könnte zwar den Angriff der USA von 2003 als Ursache für die heutigen Zustände im Irak ausmachen, aber Deutschland positionierte sich damals klar gegen diese Politik. Für Gerhard Schröder wurde diese Ablehnung wahlentscheidend für seine Wiederwahl als Bundeskanzler. Wo ist da also eine deutsche Schuld? Und am Zustand in Afghanistan sind wir definitiv auch nicht schuld, bestenfalls können wir uns den Vorwurf machen, dass unser Militäreinsatz dort sogar zu harmlos gegenüber den Taliban war.

Deutsche Waffenlieferungen in Kriegsgebiete?

Deutschland, beziehungsweise deutsche Waffen sind auch deshalb nicht schuld an diesen Kriegen, weil sie gar nicht in diese Gebiete geliefert wurden. Man hat zwar in Krisengebieten schon deutsche Waffen gefunden, aber sie wurden nicht aus Deutschland dahin geliefert. Als man 2011 in Libyen bei den Rebellen einige G36-Gewehre aus deutscher Produktion entdeckte, gab das gerade deshalb so ein großes Medienecho, weil es so unerwartet war. Waffen haben es durch ihren Verwendungszweck aber nun einmal an sich, dass ihre Wege nicht immer eindeutig nachvollziehbar bleiben. In Libyen hatten die Rebellen diese Gewehre von der staatlichen Armee erbeutet, diese wiederum muss sie illegal über einen Zwischenhändler bezogen haben (wenn man dem Hersteller Heckler & Koch glauben kann). Durch solche Abläufe sind deutsche Waffen auch schon in andere Krisengebiete gelangt. Aber wie will man das 100%ig verhindern? Letztlich könnte man es nur über einen kompletten Ausstieg Deutschlands aus der Waffenproduktion realisieren. Das wäre sehr edel von uns. Und sehr naiv, denn die USA, Russland, Frankreich, China und viele andere Länder würden diese Nachricht freudig zur Kenntnis nehmen: Ein Konkurrent weniger!

Ein Grund, sich schuldig zu fühlen wäre immerhin, wenn man auf jedem Foto aus Bürgerkriegen immer wieder deutsche Waffen erkennen könnte. Aber ist das so? Absolut nicht. Was man stattdessen auf diesen Bildern ständig sehen kann, ist der Klassiker schlechthin, die AK-47, besser bekannt als Kalaschnikow. Die werden weltweit immer gern genommen, wenn es um das Erschießen geht. Verlangen wir deshalb von den Russen, dass sie sich schuldig fühlen müssen? Oder dass gefälligst sie die vielen Kriegsflüchtlinge aufnehmen sollten? Platz hätten sie in ihrem weiten Land sogar … nein, stattdessen pflegen wir lieber wieder unser deutsches Selbstmitleid: Wir sind schuld! Obwohl wir vom eingesetzten Waffenanteil her eher eine Nebenrolle spielen.

(Nachtrag: In DIE WELT erschien eine Übersicht, in welche Länder Deutschland in welchen Jahren Waffen geliefert hat. Man muss jeweils tief in „Übrige“ hinein klicken, um Lieferungen in ein Land zu finden, in dem heute Krieg herrscht. Teilweise beinhalteten solche Waffenlieferungen lediglich Ersatzteillieferungen für harmlose Geräte oder Fahrzeuge.

Auch Blogger Stefanolix hat nach deutschen Waffenlieferungen in aktuelle Krisengebiete gesucht und nicht viel gefunden)

Wegen uns ertrinken Kriegsflüchtlinge im Mittelmeer

Wo man allerdings eine deutsche Schuld sehen könnte, ist die Situation von Menschen, die vor Krieg fliehen und deshalb lebensgefährliche Fluchtwege in Kauf nehmen. Warum müssen die das tun? Können sie sich nicht einfach in ein Flugzeug setzen und bequem nach Deutschland fliegen? Falls man im eigenen Land keinen Flughafen mehr erreicht, dann eben notfalls aus dem Nachbarland. Das wäre doch viel billiger, als Wucherpreise an kriminelle Schlepper zu zahlen. Oder warum nehmen sie keine offizielle Fähre über das Mittelmeer: Viel billiger und sicherer!

Das scheitert daran, dass u.a. Fluggesellschaften nur Passagiere in EU-Länder befördern, die ein Visum für das Zielland vorweisen können. Würde Deutschland Visa ausstellen, dann bräuchte kein Iraker und kein Syrer mehr in billigen Schlauchbooten fliehen!

Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit, denn Deutschland und andere EU-Staaten haben durchaus schon Kriegsflüchtlinge ohne Visa eingeflogen. 2013 nahm man 10.000 solcher Kontingentflüchtlinge aus Syrien auf, 2014 kamen weitere 10.000 dazu, Zahlen für 2015 sind noch nicht verfügbar. Außerdem kann man als Syrer durchaus ein Visum beantragen. Die deutsche Botschaft in Damaskus ist gegenwärtig zwar geschlossen, vermerkt aber:

Die Visumbeantragung für Antragsteller aus Syrien ist bei allen deutschen Visastellen (Deutsche Botschaft oder Generalkonsulat) außerhalb Syriens möglich …

Sind die Kontingente zu gering? Dauert das Erstellen der Visa bzw. der Einreisezusagen zu lange? Das ist alles denkbar, ohne Grund wird sich kein Syrer in ein gefährliches Schlauchboot setzen, wenn er stattdessen auch das sichere Flugzeug nehmen könnte. Offensichtlich gibt es hier Verbesserungspotential. Zusätzlich gibt es in manchen Ländern aber auch das Problem, dass Kriegsflüchtlinge bei der Visabeantragung an kriminellen Einheimischen scheitern. In den deutschen Botschaften der Türkei und im Libanon blockieren Terminhändler die verfügbaren Termine und verkaufen diese dann teuer an Syrer weiter (Quelle):

„Fast jeder Flüchtling, der geflohenen Familienmitgliedern nach Deutschland folgen will, erzählt von der Unmöglichkeit, legal bei den deutschen Diplomaten in der Türkei und im Libanon vorsprechen zu können. Die Botschaften und Konsulate in diesen Ländern betreuen seit dem syrischen Bürgerkrieg die Flüchtlinge. Zwischen 100 und 400 Euro koste eine Terminbuchung, ein Flüchtling sprach gar von 900 Euro. (…) Über Monate sind dort keine freien Termine verfügbar, bei Stichproben ist bis ins Jahr 2022 kein freier Termin zu finden.“

Daran ist zwar nicht Deutschland schuld, aber es ist schlecht vorstellbar, dass man diesen Zustand nicht korrigieren kann.

Ein Problem für illegale Fluchtwege bleibt aber, an dem Deutschland wahrscheinlich nichts ändern kann. Unter dem Titel „Protokoll einer Flucht“ zeigte das NDR-Magazin Panorama in den letzten Wochen die 5-monatige Flucht des Syrers Rami* nach Deutschland. Irgendwo wurde darin auch einmal erwähnt, warum er flieht: Er wollte sich so dem Einzug zur syrischen Armee entziehen**. Man kann sich darüber streiten, ob die Flucht vor dem Militärdienst vernünftig ist, während seine Heimat u.a. von IS-Terroristen bedroht wird. Aber es ist leicht, so etwas zu verurteilen, wenn man selbst nicht in derselben Situation ist. Irgendwie kann man es auch verstehen. Fakt dürfte aber sein, dass Desertation von der offiziellen Armee eines Staates schlecht von einem anderen Staat durch offizielle Fluchthilfe unterstützt werden kann. Männern wie Rami wird Deutschland also keine Einreisegenehmigung ausstellen können. Das würde mit Sicherheit negative internationale Verwicklungen erzeugen und falsche Präzedenzfälle schaffen. Die Situation dieser Männer ist selbstverständlich ein Problem. Aber sind wir tatsächlich daran schuld?

(* Name von der Panorama-Redaktion geändert.

** Nebenbei erklärt der Fluchtgrund von Rami übrigens auch, warum bei uns nicht nur Familien aus Syrien eintreffen, sondern auch die bei Pegida-Anhängern so sehr gefürchteten einzelnen jungen Männer.)

20 Comments

  1. Die Assoziation mit der AK-47 kam mir bei der ersten Zwischenüberschrift auch sofort in den Sinn. Das müssen sich dann vor allem nicht einmal exklusiv die Russen zu Herzen nehmen, sondern auch die zahlreichen in Lizenz fertigenden Staaten. Gerade die ganzen afrikanischen Konflikte werden fast ausschließlich ohne schweres Gerät ausgetragen und selbst wenn dort einmal ein Panzer auftaucht, sind das dann im Regelfall uralte sowjetische Modelle wie der T-55.

    Ich beschäftige mich derzeit in meiner Abschlussarbeit mit der schwedischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und habe daher auch etwas intensiver die Datentabellen des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) studiert. Die darin enthaltenden Kennzahlen kann man nach allerlei Kriterien sortieren, vielleicht recht aufschlussreich, dass die z.B. für Eritrea abrufbaren Militärausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts immer mindestens 20%, 1999 sogar 34,4% (!) betrugen (Deutschland 2014: 1,2%). Leider enden die verfügbaren Daten im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern der Welt 2003 – die dortigen Machthaber werden wissen, warum sie seitdem Geheimniskrämerei betreiben. Hier kann man sich bei der Ausrüstung einmal über die Herkunft der schweren Technik informieren:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Streitkräfte_Eritreas

    Das deutsche Exportsystem für Rüstungsgüter mag seine berechtigten Kritikpunkte haben – es als ursächlich für den derzeitigen Strom an Asylbewerbern zu machen, ist aber nicht nachzuvollziehen.

    Ebenfalls wird ja auch gern die Kolonialgeschichte bemüht, um Schuld an der derzeitigen Lage zuzuweisen. das klappt im Falle Deutschlands nun aber auch nicht, jedenfalls habe ich über größere Flüchtlingskontingente aus Namibia, Kamerun, Togo oder den ostafrikanischen deutschen Kolonialgebieten noch nichts gehört.

    Das Zentralorgan der deutschen Selbstbezichtigung dürfte Jakob Augsteins wöchentliche Kolumne auf Spiegel Online sein. Das kann einen regelmäßig fassungslos zurücklassen.

    Zum Schluss noch ein Linktip:

    http://www.vice.com/de/read/ich-bin-mit-fluechtlingen-von-italien-nach-deutschland-gereist-463

    Zitat: „Robel kauft ein Ticket nach München. Er hält es mir hin. Ich frage, warum er nach Deutschland will. „Deutschland ist einfach gut“, sagt er. „Meine beiden Brüder sind schon dort. Aber Schweden ist besser. Das beste Land der Welt“, sagt Robel. „Dort bekommt man als Flüchtling 700 Euro. Von der Regierung.““

    Nun ja…

  2. Der Artikel basiert auf der Annahme, es gäbe Jemanden, der festlegt, der Verfasser des Artikels und andere, ungenannte Personen würde zu einer Menge „wir“ gehören.

    Um Missverständnisse zu minimieren erkläre ich, dass ich keine der ungenannten, zur Menge „wir“ gehörenden, Personen bin. Ich würde mich freuen, wenn ich das verständlich machen konnte.

  3. @ Sven Borner: Danke für den langen Kommentar. Die Herkunft der Waffen Eritrea ist tatsächlich interessant und mich würde es nicht wundern, wenn das in anderen afrikanischen Ländern ähnlich ist. Die Sache mit der Kolonialgeschichte hatte ich ganz übersehen, das gehört schon noch mit dazu. Man müsste direkt einmal recherchieren, warum es aus den ehemals deutschen Kolonien weniger Migranten gibt. Augstein lese ich kaum, aber ich vielleicht sollte ich es gelegentlich tun, falls ich Fassungslosigkeit spüren möchte 🙂 Aber jetzt lese ich erst einmal den Linktip …

  4. Nur der Vollständigkeit halber die Links zu den erwähnten SIPRI-Datenbanken und über das Institut:

    http://www.sipri.org/databases

    https://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm_International_Peace_Research_Institute

    Ergänzend noch ein interessanter Artikel über die Rolle der Sowjetunion in Afrika:

    http://www.scilogs.de/geo-log/die-politik-der-sowjetunion-in-afrika/

    Ich denke, den vielen damals und heute auf dem Kontinent herrschenden Diktatoren war und ist es völlig egal, WER ihnen die Waffen liefert. Hauptsache, sie kommen. Deswegen gehe ich auch völlig mit der These mit, dass es für Ausbruch und Verlauf von Konflikten völlig unerheblich ist, ob deutsche Waffen im Spiel sind. Es mag für das eigene Gewissen beruhigend wirken, Rüstungsexporte ganz zu verbieten, an der Weltlage dürfte das kaum etwas ändern. Selbst wenn sich alle westlichen Demokratien mit einem Schlag aus dem Waffenverkauf zurückziehen würden, stünden Russland und China begeistert ob der Marktchancen bereit.

    Schweden hat seit jeher einen ähnlich hoch gehängten moralischen Anspruch und hat deswegen im Frühjahr unter großem Getöse ein langjähriges Rüstungsabkommen mit den Saudis aufgekündigt. Trotzdem ist man immer weltweit auf Platz 11 oder 12 der rüstungsexportierenden Staaten, für ein Land mit nur etwa 9,5 Millionen Einwohnern eine erstaunliche Tatsache.

  5. Schöne Artikel in den letzten Tagen!
    Solche Substanz stünde z. B. den gängigen Tageszeitungen gut zu Gesicht.
    Der Autor könnte von mir aus auf das „Halbwissen“ in der Überschrift gern verzichten…

  6. @ MW: Danke. Mit dem „Halbwissen“ im Blognamen bin ich aber immer auf der sicheren Seite, falls doch einmal ein Fehler in einem Artikel stecken sollte. Außerdem freue ich mich so auch immer über die Kreativität von Kritikern, wenn sie – offensichtlich immer nach langem Nachdenken – den Vorwurf schreiben, hier würde der Blogname aber voll zutreffen 😉

  7. Notiz für mich selbst, Thema „warum lassen sich Kriegsflüchtlinge nicht einfach ein Visum ausstellen und reisen per Flugzeug ein?“: Das geht theoretisch, in der Praxis erhalten sie aber keine Termine in den deutschen Botschaften, weil kriminelle Terminhändler diese blockieren und teuer weiter verkaufen.

    „Fast jeder Flüchtling, der geflohenen Familienmitgliedern nach Deutschland folgen will, erzählt von der Unmöglichkeit, legal bei den deutschen Diplomaten in der Türkei und im Libanon vorsprechen zu können. Die Botschaften und Konsulate in diesen Ländern betreuen seit dem syrischen Bürgerkrieg die Flüchtlinge. Zwischen 100 und 400 Euro koste eine Terminbuchung, ein Flüchtling sprach gar von 900 Euro. (…) Über Monate sind dort keine freien Termine verfügbar, bei Stichproben ist bis ins Jahr 2022 kein freier Termin zu finden.“

    http://m.huffpost.com/de/entry/7931038?ir=Germany

  8. Abgesehen davon daß es eine Schweinerei ist wenn Deutsche Botschaften diesen illegalen Terminhandel dulden sind 100 bis 400€ kein Geld. Für illegale Schleusungen unter unmöglichen Bedingungen und lebensgefährliche Gummiboottörns geben diese Flüchtlinge tausende von Dollars aus.

  9. @ Michael_DD: Mir ist durch diesen Artikel nicht ganz klar geworden, ob die Deutsche Botschaften das wirklich dulden oder nur nichts dagegen machen können. So wie ich es verstanden habe, scheint das Problem wohl hauptsächlich zu sein, dass alle Termine blockiert werden. Es kann ja sein, dass durch die verlangten Kosten der Terminhändler manche Termine nicht verkauft werden. Vielleicht gehen diese Händler dann auch absichtlich nicht mit den Preisen runter? Keine Ahnung. Andererseits müsste sich dann auch herumsprechen, dass gelegentlich Termine frei bleiben und dann könnten die Botschaftsmitarbeiter einfach spontan Anwesende annehmen. Dazu würden mich auch weitere Informationen interessieren.

  10. Terminhandel

    Dieser Terminhandel ist ja der Missbrauch der Terminbestellung per Internet. Angesichts dieser Erkenntnis könnte man diese Dienstleistung einfach aussetzen und nur persönlich Vorsprechende anhören. Z.B. könnte man ca. 30 Personen auf´s Botschaftsgelände lassen und diese Fälle dann abarbeiten. So wäre auch ein Platzhalter-Anstehen verhindert.
    Aber dieses Procedere ist für unsere Herren Botschaftsangestellten sicher zu mühsam …

  11. Soo, der nächste Beitrag thematisiert bitte, ob es gut oder schlecht für die Demokratie ist, dass wirklich jeder mit noch so kleinem Politikverständnis und Horizont über alle Fragen öffentlich und im Netz diskutieren darf 😉 Ich schätze ja dein Blog und deine Arbeit ausgesprochen sehr – aber warum dieses Thema hier diskutiert wird, verstehe ich nicht so recht.

    Jetzt mal im Ernst: Die „Schuld“-Frage stellt sich m.E. überhaupt nicht – wer darüber argumentiert, hat von Politik keine Ahnung. Die Motivation dafür, warum sich die Bundesregierung bspw. in Griechenland engagiert, liegt doch nicht darin, dass man eine irgendwie geartete Schuld im Nacken sitzen hat!? Wer darüber nachdenkt oder das glaubt, hat – sorry, was anderes fällt mir nicht dazu ein: eine ziemlich naive Sicht auf Politik.

    Es geht in der Politik immer und in erster Linie nur um Interessen (Griechenland)! Da engagiert sich niemand aus der bundesdeutschen Politik, weil es angeblich eine historische Schuld gäbe oder die Waffenlieferungen bla bla bla. Es geht schlicht darum, dass europäische Wirtschaftssystem zusammenzuhalten. Grundsätzliches Problem ist dabei, dass es keine Vorbild-Beispiele für das Szenario gibt – worst case/best case – also sind alle nur am „Raten“. Und natürlich hat Deutschland, angesichts der eigenen wirtschaftlichen Verpflechtungen und Größe, ein fundamentales Interesse daran, dass die Krise um Griechenland uns nicht alle in den Abgrund reißt. Deswegen wird das „Wie“ diskutiert.

    Zum Thema Asyl: In Deutschland steht Asyl im Grundgesetz (anders als in anderen Ländern) – aus gutem Grund. Ja, es gibt soetwas wie eine historische Verpflichtung – die wird wahrgenommen (und die Auswirkungen werden schon fleißig diskutiert). Wer in diesem Kontext das Argument bringt: „Wir sind aber nicht schuld und müssen uns deswegen nicht (so sehr) kümmern“ – hat nichts, aber auch wirklich gar nichts verstanden. Die Schuld-Diskussion in diesem Kontext ist wie bei Griechenland: völliger Nonsens. Wir haben die Pflicht, basta. Wir müssen diskutieren, ob und wie wir der gerecht werden: ja, gern. Aber nicht mit „wir sind nicht Schuld“/“Wir sind Schuld“-Argumenten! Kindergarten!

    Ehrlich, Frank, wir hatten das schon bei deiner Diskussion über diese komischen Netzfrauen: Wo liest du bloß immer so einen Stuss im Netz, dass du dich zu solchen Blog-Beiträgen genötigt siehst? Thematisierst du das bitte mal in einem nächsten Blog-Beitrag: Wie sinnvoll ist es, dass sich der Stammtisch ins Netz verlagert hat und jeder Depp mitdiskutieren darf?

  12. @ owy: Wenn Du selbst schreibst

    Die „Schuld“-Frage stellt sich m.E. überhaupt nicht – wer darüber argumentiert, hat von Politik keine Ahnung

    haben wir ja schon viel gemeinsam. Aber mir ist in den letzten Monaten durchaus immer mehr aufgefallen, dass die allgemeine Diskussionskultur in die Richtung driftete, wir seien an allen Problemen zunächst selbst schuld. Vor allem auf Facebook ist das m. E. zu beobachten. Aber nicht nur dort. Wenn Dir das nicht auffällt, kann das selbstverständlich bedeuten, dass ich mir hier etwas einrede. Aber ich habe schon das Gefühl, dass ich mir hier nichts einrede und mir ging es ziemlich auf den Keks. Und da bin ich durchaus berechtigt, in meinem eigenen Blog etwas dazu zu schreiben 🙂 Und nein, es werden keine weiteren Teile kommen.

    Zum Thema Asyl: Ja, das steht im Grundgesetz und das finde ich auch gut so. Aber wo habe ich geschrieben, wir müssten uns nicht so sehr kümmern? Ich habe etwas dazu geschrieben, dass wir nicht an allen Fluchtursachen schuld sind. Das eine hat doch mit dem anderen gar nichts zu tun!

    Noch zur Frage, wo ich immer diesen Stuss im Netz lese, zum Beispiel das mit diesen komischen Netzfrauen: Leider lese ich das bei ganz normalen und sogar sympathisch wirkenden Menschen vor allem auf Facebook aber auch bei Google+ oder in Kommentarbereichen seriös wirkender Medien. Ich finde es immer wieder erschreckend, wenn Menschen, von denen man denkt, die seien doch recht intelligent, plötzlich Schwachsinn von Kopp, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, Netzfrauen, Honigmann, VT-Kram auf YouTube (und was es da sonst noch alles gibt) verbreiten. Leider lese ich solchen unhaltbaren Stuss und eben auch die hier kritisierte unhaltbare Haltung, wir wären an allem selbst schuld, erschreckend oft oder zumindest öfter als ich es für intelligente Wesen akzeptabel finde. Was früher die BILD an Verblödung geschafft hat, erledigen wir heute selbst, die Zutaten besorgen wir uns heute freiwillig aus noch viel dümmeren Quellen. Das sollte Dich als Medienblogger doch gerade interessieren.

  13. @ Michael_DD: Man müsste noch eine zweite oder überhaupt weitere Quellen für diese Information haben, um zu ergründen, warum die Mitarbeiter der Botschaften nichts dagegen tun. Huffingtonpost ist aus meiner Sicht ohnehin nicht so doll … mal sehen, wenn ich Zeit finde, recherchiere ich vielleicht noch etwas. Wobei – die Recherche geht ja schnell, nur zum Lesen werde ich jetzt erst einmal nicht kommen.

  14. So wie es aussieht, ist die ursprüngliche Quelle ein Bericht des Magazins „MONITOR“ vom 2.7.2015 (gleich der erste Beitrag in der hier verlinkten Sendung). Darin wird beschrieben, dass eindeutig auch Botschaftsmitarbeiter aktiv in diese Vorgänge verwickelt sind. In der Pressemeldung dazu hat ein Kommentator geschrieben:

    Es sind doch kaum noch deutsche Beamte in den Botschaften! Aus Kostengründen werden dort fast nur noch Inländer, also im Fall des Berichtes Libanesen oder Türken, beschäftigt. Der entstandene Kontrollverlust der Bundesregierung in ihren Botschaften ist bekannt. Wieso hat Monitor das in dem Bericht verschwiegen?

    Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich habe hier im Artikel zwar die Position vertreten, wir wären nicht an sämtlichen Problemen schuld und auf den ersten Blick scheint das hier genau diese Aussage zu bestätigen: Es sind immerhin Einheimische und keine Deutschen, die hier beteiligt sind. Aber hier muss ich schon dagegen halten: Für die Vorgänge und für die Zustände in deutschen Botschaften ist Deutschland auf jeden Fall verantwortlich!

  15. Sag ich ja: Auf Fotos von Bürgerkriegen oder von Terroristen sieht man nie deutsche Waffen, sondern fast immer nur Kalaschnikows.

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