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Nachtrag zum Bürgerentscheid Dresdner Krankenhäuser

In meinen letzten Artikel zu diesem Thema schrieb ich am Ende, dass niemand so richtig plausibel erklärt, wieso zusätzlich zur (wahrscheinlich notwendigen) Zusammenlegung und Verwaltungsoptimierung auch noch die Änderung der Rechtsform nötig sein soll? Warum muss also unbedingt eine (g)GmbH gegründet werden, warum sollten Verbesserungen nicht durchaus auch mit der bisherigen Rechtsform als städtischer Eigenbetrieb möglich sein?

Das wird in einem Interview erklärt, welches mit Michael Schmehlich (GRÜNE) und Tilo Kießling (LINKE) geführt wurde und im Rahmen einer Interviewreihe auf Coloradio kam.

Schmehlich ab 7:30 min: „Das sog. Medizinische Versorgungszentrum muss in Form einer GmbH gebildet werden – das verlangen die Krankenkassen. (…) Die Berufsgenossenschaften bestehen darauf, dass z.B. für einen Vertrag für Friedrichstadt, berufsgenossenschaftliches Versorgungszentrum zu werden, dieses Krankenhaus eine Kapitalgesellschaft ist – sonst machen sie den Vertrag nicht. Ob sie das müssten oder nicht, ist eine ganz andere Frage, aber sie verlangen es einfach. Das heißt: Um neue Einnahmen zu generieren, brauchen wir eine andere Struktur und (leider auch) eine andere Unternehmensform.“

Nicht so ausführlich erklärt das auch André Schindler von der FDP (es ist kurz vor dem Ende seines Interviews zu hören):

„Die Eigenbetriebe haben den Nachteil, dass sie keine eigene Rechtspersönlichkeit sind und dadurch nicht in der Lage sind, Verträge abzuschließen und so fort, sie sind direkt gebunden an die Stadtverwaltung und sind ein Teil der Stadtverwaltung.“

Da diese Unklarheit „Warum muss es eine gGmbH werden?“ wohl einige Dresdner bewegt, frage ich mich: Hätte man diesen wichtigen Punkt nicht schon einmal eher erklären können? Und zwar in Schriftform, damit man nicht erst irgendwelche Audiodateien durchhören muss? Dass eine Strukturreform notwendig ist, klingt angesichts eines Investitionsstaus im zweistelligen Millionen-Bereich immerhin nachvollziehbar.

Zur befürchteten Privatisierung meint Schindler übrigens noch:

„Eine Privatisierung könnte man auch jetzt schon vornehmen, dazu müssen wir uns nicht zwangsläufig die Mühe machen, eine GmbH zu gründen und ein Zukunftskonzept zu erstellen. Wenn wir die Krankenhäuser verkaufen wollten, wenn es die Mehrheit dafür gäbe, dann könnte man das auch jetzt schon realisieren.“

Schmehlich zum befürchteten Arbeitsplatzabbau: „Da die beiden Krankenhäuser sich teilweise Konkurrenz machen, sind auch bei Eigenbetrieben Arbeitsplätze bedroht. Das hat nichts mit der Rechtsform zu tun“. (6:25 min)

Dass ich hier einseitig nur auf Argumente von „Nein“-Befürwortern verweise, liegt daran, dass ich die Argumente der Gegenseite nicht für besonders durchdacht halte (aber das kann sich ja jeder selbst anhören). Schwer enttäuscht war ich von Herrn Lames (SPD). Der klingt, als hätte er sich noch nicht einmal mit Grundlagen beschäftigt. Kießling dagegen macht es sich auf andere Weise zu einfach – er kommt immer nur mit dem Großen und Ganzen, geht aber nie auf die konkrete Lage in Dresden ein, dafür bringt er aber völlig unsinnige Vergleiche mit ganz anderen Dingen (Straßenbahnlinien in der Vorstadt und so). Selbstverständlich kann man sich fragen, wieso Gesundheitswesen eigentlich marktwirtschaftlich ausgerichtet sein soll, obwohl es doch hier um Gesundheit geht? Aber muss man das an einem lokalen Problem mit zwei Dresdner Krankenhäusern aufhängen? Ist das nicht eher eine Frage, die man auf Bundesebene entscheiden müsste? Kießling tut aber so, als dürfe ein Krankenhaus gar nicht wirtschaftlich sein oder hätte zumindest einen Freibrief zum Verlust-Machen. Die Krankenkassen, über die das alles finanziert wird, müssen aber auch wirtschaftlich arbeiten – warum dann nicht auch das darüber finanzierte Gesundheitswesen?

Kießlings Fazit ist letzlich: „Wir haben als Linke nun mal die Eigenschaft Widerstand zu leisten, also machen wir das eben auch hier“. Tut mir leid, Herr Kießling – das klingt nicht sehr nach durchdachter Politik. Mir kann niemand vorwerfen, ich hätte nicht halbwegs darüber nachgedacht, aber werde am Wochenende mit „Nein“ stimmen.

8 Comments

  1. Währenddessen kann man auch sorglos mit „Ja!“ dagegen sein. Weil was soll sich schon zum Schlechteren ändern? Dresden braucht Krankenhäuser und das werden niemals zu verlumperten Dschungelkliniken werden, egal, wer da nun die Geldmittel verplant.
    Mein Ja-Argument ist das Plakatmotiv der FDP-Jugend(?): „Man muss auch mal Nein sagen können“, symbolisiert mit einer Kinderhand, die nach Naschwerk grabscht? Meinen ausgerechnet diese Typen!? Was für eine Frechheit!

  2. @henteaser: Das eigene Wahlverhalten bei diesem komplexen Thema von einem (tatsächlich selten dämlichen) Plakat abhängig zu machen, ist aber auch nicht sehr durchdacht. Das hätte dasselbe Niveau, als wenn ich sagen würde: Ich stimme mit “Nein”, weil die NPD für “Ja” ist. Wenn ich nach ernsthaften Argumenten suche, würde ich zuallerletzt bei unseren Jungliberalen mit dem schönen Namen “Julia” nachsehen – ich kann mich nicht daran erinnern, dass von dort jemals etwas Seriöses gekommen ist. Sich auf die zu beziehen, ist schon ein ziemliches Krampf-Argument.

    Der Text auf den Nachdenkseiten ist mir gar nicht aufgefallen (ich hatte schon seit einigen Tagen vergessen, dort zu lesen). Er wirft aber auch einige Fragen auf. Nur mal ein paar Auszüge (ich kann jetzt nicht den ganzen Text auseinandernehmen). Z.B. schreibt der (dort namenlose) Autor am Anfang zum Thema Rationalisierungen in Krankenhäusern:

    „Meine Frau und meine Familie sind Opfer der dazu notwendigen Rationalisierung geworden. In der Nachbarschaft von Dresden.“

    Ja, aber inwiefern? Und wo genau? Das wäre doch gerade mal interessant gewesen! Aber dazu findet sich kein weiteres Wort.

    Den langen Textabschnitt mit Quellenangabe „Die Linke Dresden“ übergehe ich, denn diese einseitigen Argumente kenne ich inzwischen auswendig. Hier ein paar Anmerkungen zu Stellen aus dem späteren Text von Jens Matthis „Was daran stimmt und was nicht?“:

    (Thema Verluste) „2010 waren es zusammen 4 Mio. Euro, ca. 1,7% des Umsatzes. Für 2011 zeichnet sich ein Defizit von ca. 3,5 Mio. Euro ab. Sicher noch kein Grund zum Feiern – aber eben auch keine klare Tendenz nach unten.“

    Aus nur zwei Punkten in einer Kurve überhaupt negative oder positive Tendenzen extrapolieren zu wollen, ist ganz schön gewagt. Auf jeden Fall ist es aber auch kein deutlicher Trend zu Verbesserungen, der sich da abzeichnet und Verluste sind nach wie vor ablesbar.

    „Für Hysterie und „einschneidende Veränderungen“ gibt es keinen wirklichen Grund.“

    Naja – das es keinen Grund für Veränderungen gibt, sollte man schon stichhaltig belegen können. Und Hysterie verbreitet keiner.

    „Die Umwandlung in eine „Städtische Klinikum gGmbH“ erfolge vor allen, um die beiden Krankenhäuser zusammenzuführen, damit sie sich gegenseitig keine Konkurrenz machen. Stimmt überhaupt nicht.“

    Was stimmt nicht? Dass sie sich gegenseitig keine Konkurrenz machen? Das habe ich schon anders gehört und das Gegenteil sollte man ebenfalls belegen können. Oder stimmt es nicht, dass diese gegenseitige Konkurrenz der Hauptgrund für die gGmbH-Gründung ist? Da würde ich zustimmen, denn diese Behauptung lese ich hier zum ersten Mal. Vielleicht habe ich etwas überlesen, aber ich kann mich nicht daran erinnern, gelesen zu haben, das sei der Hauptgrund.

    „Noch bis zum Frühjahr 2011 wollten die meisten Privatisierungsbefürworter, insbesondere die CDU, die beiden Krankenhäuser in zwei GmbHs umwandeln und auf keinen Fall vereinigen.“

    Ja, und dagegen wäre ich auch gewesen, wenn es Thema eines BE wäre. Aber die aktuelle Situation ist anders.

    „Für die Behauptung, beide Krankenhäuser würden sich in Größenordnung gegenseitig Konkurrenz machen, gibt es keinen Beleg.“

    Dass es dafür keinen Beleg gibt, sollte man aber auch beweisen können. Das ist eine reine Behauptung, die ich schon anders gehört habe. Auf irgendeine Aussage möchte ich mich aber langsam auch einmal verlassen können. Ich als Bürger kann nun nicht noch in die beiden Krankenhäuser gehen und recherchieren, ob und in welcher Form es eventuelle Konkurrenz-Situationen gibt oder ob vermeintliche Konkurrenzen gar keine sind, weil die KH für eine Konkurrenz zu weit räumlich auseinanderliegen (z.B. würde ich zwei allgemeinmedizinische Abteilungen in zwei verschiedenen Stadtteilen nicht als Konkurrenz, sondern als sinnvoll betrachten).

    „Im Übrigen kann man, wenn man es denn will, auch Eigenbetriebe zusammenschließen oder durch eine Leitung gemeinsam steuern.“

    Jein. Siehe Artikel.

  3. Hm. Ich könnte mir vorstellen, dass die Krankenhäuser Dresdens in Konkurrenz zueinander stehen, wenn es um die Geburtenzahlen geht. (Weil sich die Qualität der Betreuung herumspricht.) Aber sonst? Wie soll das gehen? Die Leute fahren doch nicht lieber quer durch die Stadt mit gebrochenen Händen.

    Der für mich schlüssigste Punkt (auch im Nachdenkseitentext) ist sowieso, dass die KKH bereits städtisch sind, also ist ‚die Politik‘ an Misständen schuld. Und genau die Hauptakteure tun ja jetzt so, als wäre die Privatisierung unvermeidbar, weil es Misstände gibt.

  4. Der Linkspopulist Tilo Kießling hat jahrelang den „Roten Baum e.V.“ aufgebaut und geleitet. Das ist eine Vorfeldorganisation der Partei „Die Linke“ mit Scharnierfunktion zwischen Linksextremisten und der Mitte der Gesellschaft. Dieser Mensch bekommt eindeutig zu viel Aufmerksamkeit.

    Ansonsten ist mir egal, welche Eigentumsform das Krankenhaus hat. Das Diakonissenkkh und der St.-Joseph-Stift sind ja auch nicht städtisch und funktionieren. (Daß dort kräftig Steuergeld reingebuttert wird, lass ich jetzt mal außen vor).

  5. @henteaser, da Sie sich hier so hingebungsvoll über die jungen Liberalen aufregen und es als eine Frechheit empfinden, dass „diese Typen“ plakatieren, meine Frage: Kennen Sie einen von denen persönlich? Oder haben sich zumindest schon mal mit den Zielen der Jungen Liberalen beschäftigt? Nein…dachte ich es mir doch 😉

    @FNagel, es gibt noch einen ganz wesentlichen Punkt für die Rechtsform gGmbH, den bislang niemand so recht erwähnt hat: Die gGmbH, die ihre Mittel ja quasi in Eigenverantwortung verwalten würde (und darüber im jährlichen Beteiligungsbericht dem Stadtrat Rechenschaft ablegen müsste), könnte auch souveräner und zielgerichteter investieren. D.h. medizinisch sinnvolle Investitionen würden von den medizinisch und wirtschaftlich Verantwortlichen (Klinikdirektor, Verwaltungsleiter, Controller, Geschäftsführer) getroffen und nicht von Stadträten. Die gGmbH könnte dafür Kredite aufnehmen, was die Stadt aufgrund des Neuverschuldungsverbotes ebenfalls nicht darf. Und grundsätzlich herrscht in selbständig agierenden und messbaren kommunalen Unternehmen eine andere Verantwortungskultur als in mit dem Haushalt eng verwobenen Eigenbetrieben.

  6. @ Johannes Lohmeyer: Das mit den Kreditaufnahmen durch eine gGmbH war bis zum Schluss einer der Punkte, die mir unklar blieben. Ich weiß nur von gemeinnützigen Vereinen, dass sie nur sehr schwer an Kredite herankommen, da sie ja eben keine erwirtschafteten Erträge an Andere abführen dürfen, also auch keine Zinsen an Banken zahlen dürfen. Ob das nun bei gGmbHs auch so ist – keine Ahnung.

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