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Selbstkritik

Mir ist soeben mit Schrecken klar geworden, dass ich mich nun bereits drei Mal tendenziell Israel-freundlich geäußert habe. Da so etwas politischem Selbstmord gleichkommt, muss ich das künftig dringend ändern.

Eigentlich komisch: Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte das Gegenteil zu demselben Ergebnis geführt. Hätte man vor wenigen Jahren öffentlich etwas Israel-kritisches von sich gegeben, wäre man umgehend als Nazi eingestuft worden. Und das wär’s dann gewesen. Wie sich die Zeiten ändern! Ich hatte wirklich schon beim ersten Text das Gefühl, mich zunächst vorbeugend entschuldigen zu müssen, wenn ich hier bei einem Detail der ansonsten natürlich verbrecherischen Politik Israels mal gewisse unlogische Punkte beim ansonsten völlig korrekten Israel-bashing sehe. Ja, ich weiß von israelischen Verbrechen gegenüber Palästinensern … das soll jetzt aber nicht das Thema sein, weil ich damit ja wirklich nur mit Entschuldigungen für meine selbstverständlich unsäglichen Entgleisungen anfangen würde. Ich finde es eher verblüffend, dass ich heute hier seelenruhig Texte schreiben könnte über „zionistische Herrenmenschen“, die die Bevölkerung Gazas „genau wie früher die deutschen Faschisten in KZs“ halten würden … und dann könnte man noch schreiben: „Es wird höchste Zeit, dass dieses Unrechtsregime von der Landkarte verschwindet!“ Kein Problem heutzutage! Kann man zurzeit in vielen Kommentaren lesen, aber auch in Blogeinträgen.

Ich wurde inzwischen bereits als „ein verlogener Ghostwriter aus Tel Aviv, Befürworter eines kriminellen Regimes, der Terroristen verharmlost“ bezeichnet. (Nein, nicht hier). Aber das geht noch, ich hatte mit Schlimmerem gerechnet. Auf jeden Fall ist momentan die öffentliche Einstufung als „Nazi“ im Ranking der Beleidigungen nicht das schlechteste. „Judenfreund“, oder gar „Pro-Israelist“ – das sitzt viel mehr! Aber das allerschlimmste wäre noch etwas anderes, wie mir auffiel.

Dummerweise habe ich im ersten dieser Israel-Texte einen Link auf „Lizas Welt“ gesetzt. Der unbekannte Betreiber dieses Blogs wird von manchen Kritikern als „Anti-Deutscher“ eingestuft. Die sind ja grundsätzlich pro-israelisch, weshalb man sich automatisch in deren Nähe begibt, falls man sich einmal Israel-befürwortend äußert. Da bin ich nun aber schön ins Fettnäpfchen getreten! Beim Link gilt: Gesetzt ist gesetzt! Da ich auf so etwas verweise, könnte man mich nun genauso in diesem Feld einordnen. Und das gilt Manchem als das aktuelle Nonplusultra der Herabwürdigung (dann nehme ich notfalls lieber doch was mit Israel). Ich könnte natürlich versuchen, nun irgendwelche Rechtfertigungen an den Haaren herbei zu ziehen, zum Beispiel, dass ich doch früher schon selbst einmal Anti-Deutsche kritisiert hätte, oder dass Liza im bewussten Text doch auch nur Zitate aus vielen anderen Quellen zusammenfügte, oder dass ich nachher sofort zum Ausgleich den liberaleren „Spiegelfechter“, dann „Telepolis“ und noch die „Junge Welt“ gelesen hätte … Nein. Ich denke, das war’s mit meiner gesellschaftlichen Akzeptanz.

Deshalb noch ein schwacher Versuch, aus dem Thema wieder heraus zu kommen: Israel wird sowieso verlegt. (Den Israelis hängt der Zoff mit den Palästinensern zum Hals hinaus).

4 Comments

  1. Den Wertewandel haben Sie schön beschrieben. Was früher Nazi und ganz böse Autobahn war, ist heute nicht nur salonfähig – es ist vielmehr ein „Muss“ in gewissen Kreisen, Israel scharf zu kritisieren und in die Nähe der NS-Zeit zu rücken, um dort überhaupt nicht akzeptiert zu werden.

    Natürlich kann und darf man die Siedlungspolitik Israels und meinetwegen auf den aktuellen Milltitäteinsatz auf See kritisieren – wobei man hier erwähnen sollte, dass nicht alle „Friedensaktivisten“ wirklich friedliche Leute sind/waren.

    Das eigentliche Problem ist, dass viele Linke die Ereignisse nutzen, um ihren Judenhass freien Lauf zu lassen. Antifa-Leute marschieren (anders kann’s man kaum nennen) gemeinsam mit türkischen Faschisten (Graue Wölfe) und offenen Hamas-Anhängern in Deutschland über die Straßen. Man stelle sich vor, da kommt ein ein solcher erkennbarer Jude zufällig die selbe Straße entlang und begenet diesem aufgebrachten Mob…

    Und die Polizei schaut weg. Beschämend.

  2. Hoppla, es sollte im zweiten Satz natürlich „…noch akzeptiert zu werden“ heißen. Nicht „nicht“.

  3. „… dass viele Linke die Ereignisse nutzen, um ihren Judenhass freien Lauf zu lassen ….“

    Genau den Effekt sehe ich auch. Und es ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, woher das kommt. Warum gibt es ausgerechnet unter Linken Judenhass? Nicht bei allen, aber bei manchen. Vielleicht weil es bisher absolut Tabu war, auch in dieser Richtung Kritik üben zu dürfen? Dann schießen die Betreffenden aber sehr übers Ziel hinaus.

  4. Antisemtismus ist m.E. keine rechte „Erfindung“. Denken Sie nur an die NS-Zeit. NS steht für NationalSOZIALISMUS.

    Die eigentlichen Ursachen liegen aber viel tiefer irgendwo in der Geschichte begraben. Darüber gibt es sicher genügend Bücher. Falls ich mal sehr, sehr viel Zeit haben sollte, werde ich mich mit dem Thema befassen.

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