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„Menschen of Colour“ – das ZDF erklärt Kindern, wie man sprachlich Rassismus vermeidet

„Ein Mädchen of Color in meiner Klasse“ soll man zum Beispiel sagen. Schreiben die Autoren von „logo!“. Ich fand die Kindernachrichten des ZDF gelegentlich schon besser als normale Nachrichtensendungen, da sie meist auch komplizierte Sachen anschaulich erklären. Bei ihrer aktuellen Erklärung, warum man bestimmte Wörter zur Vermeidung von Rassismus verwenden soll und andere besser nicht, steige ich aber aus.

Keinesfalls solle man z.B. auf Deutsch „farbige Menschen“ sagen. „People of Colour“ ist aber gut. Und wichtig ist, dass das „of Colour“ dabei kursiv geschrieben wird, weil es bei „of Colour“ nicht um eine wirkliche Farbe geht. „Schwarzer“ oder „Schwarzer Mensch“ kann man auch sagen. Hier darf man es auf Deutsch sagen oder schreiben, wichtig ist nur, dass man „Schwarz“ dabei groß schreibt. Weil es nämlich bei diesem „Schwarz“ ebenfalls nicht um eine wirkliche Farbe geht. Kursiv schreiben muss man es aber nicht. Bei „weiße Menschen“ kann man das Adjektiv übrigens im Gegensatz zu „Schwarzer Mensch“ klein schreiben, wichtig ist aber hier wieder die Kursivschreibweise. Ich sehe da gewisse Logik-Lücken und Deutschlehrer dürften in große Erklärungsnöte geraten.

Mit dem kursiven „weißer“ soll übrigens ebenfalls betont werden, dass es sich dabei keinesfalls um eine Farbe handelt. Wenn es sich nie um Farben handelt – was beschreibt man dann damit? Nun, es geht nur darum, ob es sich um Menschen mit oder ohne Rassismuserfahrung handelt. Weiße Menschen haben keine, Schwarze und People of Colour (PoC) haben welche. Warum dann aber noch einmal zwischen Schwarzen und PoC unterschieden wird, obwohl doch die Farbe keine Rolle spielt, erschließt sich eigentlich nicht. Ein Weißer könnte unter dieser Vorgabe zum Beispiel ein dunkelhäutiger reicher Inder sein, der noch nie Rassismus erlebte. Ein Schwarzer bzw. ein PoC wäre ein ärmerer Inder aus einer niederen Kaste, der von diesem Reichen ausgebeutet wird. Weiße sind anscheinend auch dunkelhäutige Afrikaner, die eine andere dunkelhäutige ethnische Minderheit in ihrem Land unterdrücken. Schwarze sind so gesehen u.a. hellhäutige Südafrikaner, die sich von ANC-Anhängern diskriminiert fühlen oder indigene Berliner Schüler, die von der Mehrheit in der Klasse ständig abwertend „Kartoffel“ genannt werden. Weiße sind offensichtlich auch versteckt lebende Ureinwohner im Dschungel, die noch nie Kontakt zur Außenwelt hatten und damit auch keine Rassismuserfahrung besitzen.

Wenn man das Ganze zu Ende denkt, wird es interessant. „Schwarzer“ oder PoC beschreibt also nicht die Hautfarbe, sondern Rassismuserfahrung? Wie beschreibe ich so aber nun die Hautfarbe, um die es mir vielleicht lediglich geht? Und woher weiß ich umgekehrt, ob jemand mit dunkler Hautfarbe tatsächlich Rassismuserfahrung hat? Vielleicht gibt es ja entsprechende Menschen, die so etwas noch gar nicht erlebt haben. Könnte doch sein und das wäre gut. Wäre es nicht sogar schon wieder selbst irgendwie rassistisch, allen Menschen mit dunkler Hautfarbe pauschal Rassismuserfahrung zu unterstellen? Denn man unterstellt ihnen damit eine allgemeine Opferrolle. Wenn ich wiederum erwähnen will, dass jemand Rassismuserfahrung hat – wieso kann ich das nicht einfach genau so sagen „jemand, der schon einmal rassistisch beleidigt wurde“? Wieso muss ich da PoC oder Schwarzer daraus machen? So geht dieser Rassismus-Umstand doch völlig unter und der Gesprächspartner denkt nur: „ach so, er meint einen Farbigen. Eigentlich nicht weiter erwähnenswert, wir sind ja alle gleichberechtigt und Rassismus spielt bei uns kaum noch eine Rolle“.

„Menschen of Colour“ oder konkret „“Ein Mädchen of Color in meiner Klasse“ soll man laut logo! sagen. „Farbig“ ist tatsächlich keine glückliche Bezeichnung. Es ist nicht falsch, sich bessere Bezeichnungen dafür auszudenken. Ich selbst habe schon lange ein Problem damit, „Farbiger“ zu sagen. Denn das deutet an, die gemeinten Leute wären vielleicht nur mit Farbe bekleckert oder irgendwie bunt. Also vielleicht lila, grün oder blau. Oder orange, so wie Donald Trump. Doch das ist bekanntlich Unfug, denn meist geht es um Brauntöne. Dummerweise kann man das auch nicht einfach so bezeichnen, denn der Satz „mein Freund ist übrigens ein Brauner“, deutet leider ganz falsche Sachen an. Eine Antwort „Ach, das ist doch kein Problem“, muss nicht unbedingt auf Weltoffenheit in der Familie hindeuten. Es könnte eher sein, dass sie nichts gegen Nazis hat.

„Farbiger“ ist also alles andere als perfekt. Aber wieso sollte das besser werden, wenn man es auf Englisch ausdrückt? Das ändert doch überhaupt nichts. Wieso soll man das trotzdem nicht mehr auf Deutsch sagen?

Die Abkürzung PoC fiel mir erstmalig vor einigen Jahren in einem lustigen Artikel über Lann Hornscheidt auf, in dem u.a. eine „Trans*Inter*GnC PoC“ erwähnt wurde. Trans*Inter*GnC war ja klar, aber PoC? Aha: Person of Colour bzw. in der Mehrzahl People of Colour. Also Farbige. Ich dachte mir: Sagt man das neuerdings so? Man will ja nichts falsch machen, insofern sollte ich das im Auge behalten und möglicherweise übernehmen. Allerdings erschien mir diese Abkürzung und vor allem die eingedeutschte Plural-Version „PoCs“ erst recht abwertend, denn geschrieben erinnert es an Pocken, also an etwas sehr schlechtes. Außerdem könnte man bei „Menschen der Farbe“ auch auf die Idee kommen, es ginge um Maler, Grafiker, Kosmetiker, Modedesigner und Floristen. Ich fand „People of Colour“ noch viel ungeeigneter als „Farbige“.

Als Grund für die englische Version vermutete ich damals: Wahrscheinlich, weil Deutsch die Sprache der Täter ist. Aber müsste man dann nicht auch „Schwarzer“ mit ins Englische übersetzen? Und ist, anders betrachtet, Englisch nicht viel mehr eine Tätersprache, die man ablehnen müsste? Die Wurzeln des Rassismus werden historisch ja im Kolonialismus verortet und die Briten betrieben viel mehr Kolonien als die Deutschen. Insofern scheidet natürlich auch Spanisch aus sowie alle Sprachen von Völkern, die schon einmal Kolonien hatten. Finnisch wäre immerhin noch eine Option.

Aber laut logo! liegt es lediglich daran, dass die Betreffenden sich die Bezeichnung „People of Colour“ selbst gewählt haben. Dann wäre das freilich okay. Doch stimmt das? Wenn Farbige (ich bleibe einmal kurz bei dem Wort, da es anstrengend ist, sich ständig Umschreibungen auszudenken) aus dem englischen Sprachraum sich selbst „People of Colour“ nennen und dafür auch die Abkürzung PoC akzeptieren, ist das nachvollziehbar. Aber haben die das wirklich weltweit für alle anderen Farbigen gleich so mit beschlossen? Bezeichnen sich Farbige, die gar kein Englisch sprechen, auch so? Ganz bestimmt nicht, sie werden in ihrer jeweiligen Landessprache ihre eigenen Bezeichnungen für Hautfarben haben, sofern das für sie eine Rolle spielt. Für uns in Deutschland wurde das in den USA jedenfalls nicht beschlossen. Haben sich in Deutschland geborene Farbige mehrheitlich dazu entschlossen, sich auf Englisch People of Colour zu nennen? Mit Wertlegung auf die Kursivschreibweise? Um so auf ihre Rassismuserfahrung hinzuweisen? Vielleicht sind in meinem Bereich der Matrix die Updates der letzten Jahre nicht angekommen, aber ich bemerke im realen Leben nichts von dieser Veränderung.

Eigentlich hat sich diese Schreibweise nur im universitären Umfeld Deutschlands gebildet. Und da auch nur in einigen Fachbereichen. Es sind nur relativ wenige Menschen, laut ZDF Expertinnen und Experten, die das anscheinend gern öfter verwendet sehen möchten. Das können diejenigen auch gern probieren. Falls es Menschen mit dunklerer Hautfarbe so gefällt: Meinetwegen. Das eigentliche Problem verschwindet damit aber nicht. Ist es die Aufgabe des ZDF, solche Ideen zu fördern? Kann man sich darüber streiten. Ich finde die gesamte Erklärung des logo!-Teams zumindest nicht besonders schlüssig.


Glücklicherweise benötige ich „Farbiger“ nie im täglichen Sprachgebrauch. Mir ist es ziemlich egal, wie jemand aussieht. Ich wüsste auch nicht, warum ich die Hautfarbe von jemandem überhaupt erwähnen sollte. Bestenfalls könnte es einmal erwähnenswert sein, dass jemand aus einem anderen Land stammt, aber dann sage ich, dass es sich ganz konkret z.B. um einen Syrer handelt, was die Angelegenheit sowieso meist viel besser erklärt als der Hinweis, dass er drei Pigmente mehr hat als ich.