Political Correctness: „Muslima“ oder „Muslimin“?

Wieso sagt man eigentlich „Muslima“ statt „Muslimin“? Schließlich sagt man ja auch nicht Jüda oder Christa* und schon gar nicht Lehrera, Friseura, Verkäufera und so weiter.  Im Deutschen Sprachgebrauch ein „in“ an solche weiblichen Wortformen zu hängen, ist nun einmal normal … wieso dann plötzlich diese Abweichung? Von der man bis vor wenigen Jahren auch noch nie etwas gehört hatte. Handelt es sich hier wiedermal nur um (wie üblich übertriebene) political correctness?

(* Wenn eine Christin „Christa“ heißt, dann allerdings)

Mit der Frage hatten sich auch bereits Andere beschäftigt. Ich stieß bei der Recherche u.a. auf diesen Text: Ist eine muslimische Frau eine Muslima oder Muslimin?

Der Verfasserin ging es zunächst darum, wie die Mehrzahl von „Muslima“ korrekt lauten müsste. Sie befragte deshalb einen Fachmann, der ihr folgende Antwort gab:

„Ich würde einfach ‚Moslemin’ oder ,Muslimin’ sagen, d. h. das Wort Moslem/Muslim + die deutsche feminine Endung ‚in’. Bei ‚a’ wie in ‚Muslim+a’ handelt es sich auch nur um die arabische feminine Endung. (…)

Daher glaube ich, dass es nichts zur sprachlichen Korrektheit beiträgt, plötzlich im Deutschen eine arabische Wortendung zu verwenden. Ich habe den Verdacht, dass dieser Sprachgebrauch auf den Wunsch nach politischer Korrektheit, Toleranz und Anerkennung der ‚Andersheit’ usw. zurückgeht. Aber es scheint dabei mehr guter Wille im Spiel zu sein als Sachverstand.“

Fazit: Nur weil eine Frau, über die man spricht, aus dem arabischen Sprachraum stammt, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, die dort gebräuchliche Endung „a“ hier im Deutschen auch zu verwenden. Aus der Logik heraus müsste man ja zu einer Araberin auch Arabera sagen. Und wie die Blogautorin schon erwähnt, stammen nur die wenigsten muslimischen Frauen aus arabischsprachigen Gegenden. Was ist, wenn sie aus dem Iran, Indien oder Pakistan kommen? Sollen wir dann immer erst nach dem Herkunftsland (möglicherweise der Eltern oder Großeltern) fragen und nachher erforschen, ob in Paschto, Bengali, Hindi (und was sonst noch denkbar ist) vielleicht -i oder -sri oder sonstige feminine Endungen gebräuchlich sind? Je nach Herkunftsland müssten wir dann von Muslimin, Muslima und Muslimi reden und hätten immer das Problem, wie die jeweilige Mehrzahl lautet. Stammt die Frau aus dem englischen Sprachraum, wäre sie eine Muslim.

Sprache sollte aber der problemlosen Verständigung dienen und nicht dazu, Dinge komplizierter zu machen. Wenn man in Gesprächen (in der gewohnten, gängigen Sprache) erst über die Aussprache einzelner Wörter nachdenken muss, läuft etwas falsch. Es stellt sich auch die Frage, warum man diese falsch verstandene Höflichkeit  nur gegenüber Musliminnen betreibt? Denn es wäre insofern durchaus angebracht, auch bei einer Jüdin die hebräischen Endung zu verwenden: Die Frau ist eine Jüda. Bei einer amerikanischen Katholikin: Eine Katholik. Eine Buddhistin müsste man wahrscheinlich Buddhisti nennen. Klingt alles sehr natürlich. Sollten bei christlichen Frauen lateinische Endungen verbindlich sein? Also wäre Christa doch richtig … Mit welchem Sprachraum verbinden wir eigentlich Atheistinnen?

Und wieso beschränken wir das nur auf religiöse Gruppierungen? Warum sollten nicht ganz allgemein die Herkunftsländer der Frauen ausschlaggebend sein? So gesehen dürften wir hier zum Beispiel nicht mehr von Russinnen reden: In der Einzahl müssten wir sie sonst Russa (oder Russja?) nennen und die Mehrzahl würde uns vor dieselben Probleme stellen wie mehrere Musliminnen. Und dann fordere ich aber der Gerechtigkeit halber auch dieselbe Sprechweise bei allen anderen: Wenn ich beispielsweise einem Russen erzähle, was meine in Deutschland geborene Mutter beruflich macht, soll der bitte nicht mit einem „Твоя мать космонавта?“ (*) antworten, sondern sich bemühen, das für ihn ungewohnte deutsche -in am Ende auszusprechen: “ … космонавтин“. Und falls ein Amerikaner über eine deutsche Lehrerin redet, möge er bitte nicht „she is a teacher“ sagen, sondern „she is a teacherin“.

(* Deine Mutter ist Kosmonautin?)

So könnte man weltweit aus falsch verstandener Höflichkeit eine schöne babylonische Sprachverwirrung anzetteln.


Nachtrag 2021: Einige Jahre nach dem Schreiben dieses Artikels sah ich in einer alten DDR-Ausgabe des Duden, dass darin für die weibliche Form von „Muslim“ ebenfalls „Muslimin“, aber auch gleichberechtigt „Muslima“ angegeben war. So ganz falsch schien dieses Wort also doch nicht zu sein. Zumindest ließ sich dieser Eintrag im DDR-Duden nicht mit political correctness begründen. Muslime gab es in der DDR so gut wie keine, außerdem war die DDR atheistisch ausgerichtet. Trends zu political correctness gab es im Osten ohnehin nicht. Scheinbar sind tatsächlich beide Wörter üblich.

Außerdem spricht auch etwas für das Wort „Muslima“: Unsere Sprachökonomie. Wir tendieren bekanntlich dazu, möglichst kurze Wörter zu bilden. „Muslima“ ist etwas kürzer als „Muslimin“ und lässt sich somit etwas „reibungsloser“ aussprechen. Da gibt es auch andere Fälle, z.B. die weibliche Form bei den Roma: „Romni“. Das entspricht zwar auch nicht der im deutschen üblichen Form, bei der ein „in“ angehängt wird, aber „Romni“ spricht sich viel leichter aus als umständlich klingende „Roma-in“. Eine Sinti-Frau „Sinti-in“ zu nennen, würde ebenfalls sprachlich sperrig klingen, also hat sich das besser aussprechbare „Sintezza“ durchgesetzt, obwohl es eine der wenigen Ausnahmen ist, bei der das Wort geschrieben sogar länger ist als die im Deutschen übliche Standardform.