Kultur-Aspekte

So, das Filmfestival „uebermorgen“ ist seit gestern zu Ende. Nahtlos reiht sich das Filmfest Dresden an. Und ich werde wohl wie schon in den letzten Jahren schon wieder aus verschiedensten Gründen nicht hinkommen. Immerhin ist das Programm wenigstens abends. Es gab Jahre, da lief das meiste tagsüber und es war für die arbeitende Bevölkerung (ja, sowas gibt’s noch) aussichtslos, bestimmte Teile sehen zu können. Aber in manchen Jahren schaffte ich es tatsächlich, fast alles zu sehen. Wie hatte ich das eigentlich organisiert? Ach klar – damals arbeitete ich in der Medienwerkstatt. Und wir waren mit beim Filmfest beteiligt, weil wir die Untertitel für die Filme produzierten und einspielten. Das war vielleicht eine Arbeit! Manche der gezeigten Filme waren vorher schon mit Untertiteln übersät, dass man den eigentlichen Film kaum noch sah. Unten französisch, oben spanisch, später wurde die Kopie noch ins Englische übersetzt, welches nun etwas über der französischen Schrift lag. Und nun noch deutsch. Wohin damit? Auf den Film selbst ging es ohnehin nicht, denn den hätte man dafür noch einmal kopieren und die Schrift einbelichten müssen. Und dafür fehlte das Geld. Wir haben die Untertitel daher immer auf VHS-Kassetten gespielt, die dann synchron zum Film unterhalb oder je nach Raum auch oberhalb der Leinwand projiziert werden mussten. Natürlich liefen unsere VHS-Recorder nie synchron zum Film. Schon deshalb nicht, weil wir die Filme vorher als VHS-Kopie mit 25 Bildern/sec vorliegen hatten (oder als NTSC-Kopie mit 30 Bildern), während sie im Kino mit 24 Bildern/sec liefen. Jedenfalls war’s kompliziert. Man saß dann als Untertitel-live-Vorführer mit im Zuschauersaal und war pausenlos am korrigieren, denn die Titel kamen nach einer Weile immer zu früh oder zu spät. Es musste alles nach Gefühl gehen: Den Recorder kurz eine geschätzte Zeit in Pause versetzen oder kurz vorspulen. Solange es ein Film war, bei dem man den Inhalt verstehen konnte oder der schon englische Untertitel hatte, ging es noch. Aussichtlos dagegen wurde es bei Filmen, die in einer uns unverständlichen Sprache vorlagen und wo minutenlang nicht geredet wurde. Dann wurden schnell einmal unvermittelt übersetzte Gespräche eingeblendet, die sich eigentlich erst anbahnen sollten… Aber wir hatten dann nach einer Weile auch ganz geniale Insidertricks drauf, um so etwas auszugleichen. Doch die verrate ich hier nicht, denn dann wären es ja keine Insider-Kenntnisse mehr.

Aber jedenfalls kann ich nicht hin. Am Wochenende bin ich z.B. in Erlangen. Warum? Na weil es dort bekanntlich so viel Wissenswertes gibt.

Ja, und zu „uebermorgen“ konnte ich auch nicht, weil ich in der Zeit umgezogen bin. Naja, zumindest so gut wie… Wenn man neuen Fußbodenbelag in die Wohnung bekommt ist es anscheinend bequemer, lieber gleich umzuziehen. Und da hätte es gewisse zwischenmenschliche Spannungen ausgelöst wenn ich gesagt hätte: „Heute schiebe ich mal keine Schränke von einem Zimmer ins andere – ich gehe ins Kino!“ Das wäre innenpolitisch unklug gewesen. Aber inzwischen sind wir fast fertig und heute Morgen konnte ich sogar schon wieder die CDs einsortieren.

Das ist eine der schwierigsten Aufgaben beim Einräumen überhaupt. Um jemals damit fertig zu werden, muss man das absolut stur durchziehen und darf sich durch nichts ablenken lassen. Was natürlich nie funktioniert. Denn sehr schnell kommt man ins Grübeln: Sollte man gewisse CDs nicht doch einfach endlich wegwerfen, die man doch schon seit Jahren nicht mehr angehört hat? Bei „A“ geht es schon los: Jon Anderson „Three ships“- ein furchtbar kitschiges Werk. Gehört eindeutig in die Tonne oder zu Ebay, wo auch schon seine anderen Alben landeten. Aber andererseits habe ich mir das irgendwann, als ich einmal auch alle Solo-Werke der Yes-Mitglieder sammelte, für sagenhafte 55 D-Mark als Japan-Import extra bestellt, weil das kein Händler hatte. (Internet gab es damals noch nicht). Das verbindet einen dann auch wieder irgendwie mit dem Werk. Sowas wirft man nicht einfach weg. Oder 2 CDs einer Dresdner Künstlergruppe, persönlich geschenkt weil ich irgendwann etwas für sie gefilmt hatte. Sie enthalten tolle underground-industriel-noise-granulat-Sounds oder so. Ich höre es mir nur nie an. Klar, wenn mal jemand zu Besuch kommt, den man mit: „Ja, ich habe hier auch sehr spezielle Musik, das ist natürlich nicht jedermanns Sache …“, beeindrucken will – dann ist es gut geeignet. Was aber, wenn man diese Phase hinter sich hat? Oder was ist mit „Friday Night in San Fransisco“? Stelle ich die zu den De Lucia-CDs, zu Di Meola oder zu McLaughlin? Oder zu „G“ wegen „Guitar Trio“? An „G“ wage ich ja noch gar nicht zu denken, dort lauert Genesis und wirft wieder die alte Frage auf: Darf man Genesis-Musik aus der Ära anhören, als Peter Gabriel nicht mehr dabei war?

Niedergeschlagenheit befiel mich und ich begann an der Durchführbarkeit des Projektes zu zweifeln. Ich habe vorerst bereits bei „D“ das Handtuch geworfen.