Zum Glück habe ich dank der Briefwahl auch schon die Stadtratswahl absolviert. „Zum Glück“ deshalb, weil ich wegen der dekorativen Wahlplakate, die erst nachher aufgehängt wurden, möglicherweise doch noch etwas anderes gewählt hätte. Wenn ich zur Arbeit* fahre,
(* was diese ominöse Sache sein soll, von der auch Oma und Opa gelegentlich erzählen, beschreibe ich später einmal)
komme ich nun an vielen Plakaten des CDU-Kandidaten Steffen Kaden vorbei: „Anpacken für Dresden“, lese ich. Und genauso stelle ich mir einen Politiker vor. Herr Kaden geht so durch die Stadt, sieht einen Missstand, einen unreparierten Zaun oder auch unser berühmtes „Wiener Loch“ und sagt sich, „das kann doch nicht sein“, und „da muss man doch was machen“ und dann legt er, also Herr Kaden, selbst Hand an. Da fackelt er nicht lange, da werden nicht erst langwierige Anträge eingereicht und Baufirmen beauftragt – nein: Das macht er gleich selbst. Man sieht das ja auch sehr deutlich auf dem Plakat: Er hat den ersten Hemdsärmel bereits hoch gekrempelt, oder ist zumindest gerade dabei. Was für ein glücklicher Zufall, dass ihn der Fotograf exakt in diesem Moment erwischt hat!
Doch leider: Das ist gar nicht mein Wahlbezirk. Schade. Bei uns ist Frau Müller von der CDU aufgestellt. Naja … da steht zwar, dass sie engagiert ist und so, aber sieht sie wirklich so aus, als würde sie im Notfall mal schnell einen Sack Zement mit ins Wiener Loch tragen? Eher nicht. Sie ist mehr der Typ „Mutti, die in der Arbeitspause Kaffe und Kuchen bringt“. Gut – das müsste auch jemand machen beim „Anpacken für Dresden“, aber Frau Müller hat sicher gar nicht die Zeit dafür. Sie muss schließlich immer Informationen in der Zeitung unterbringen, wodurch die Leser erfahren, dass sie ihren Papiermüll (also die Zeitung, wo das gerade drin steht) stets nur in die Container der Firma Hippe stecken sollen und auf gar keinen Fall in die blauen Tonnen der Konkurrenz. Dass die Firma Hippe Frau Müller selbst gehört, ist dabei sicher nur Zufall. Da ist Herr Lames von der SPD schon besser, denn er hat sein Jacket auch schon ausgezogen. Leider ist sein Plakat nicht im Internet verfügbar, da steht nur „This site is temporarily unavailable“. Dass er anpacken will, wird nicht noch einmal ausdrücklich erwähnt, aber das erschließt sich schon rein visuell. SPD zu wählen ist okay, denn die SPD ist in Dresden derart schwach, dass es bereits in die Rubrik „Rettung bedrohter Arten“ fällt, sie irgendwie zu unterstützen. Habe ich ja deshalb auch gemacht. Allerdings habe ich nicht bei Herrn Lames die drei Kreuze gemacht, sondern bei jemandem etwas weiter unten. Einfach, weil es nach totalem politischem Durchblick klingt, falls ich das mal irgendwo beiläufig erwähnen sollte.
Herrn Gebel von der FDP würde ich dagegen auf gar keinen Fall wählen, denn der hat ja die Jacke noch an. Da brauchen wir nicht weiter darüber zu reden. Der packt nicht mit an. Na gut, es könnte sein, dass er das Management verkörpert. Jemand muss schließlich auch die passende Power-Point-Präsentation erstellen, während Herr Kaden das Wiener Loch zu schaufelt. Aber das ist alles Spekulation.
Auch nicht so sehr nach „Anpacken für Dresden“ sieht Herr Dr. Hebeis von der DSU aus. Er wirkt eher wie der Mann, der in der Arbeitspause vorbeikommt (nachdem Frau Müller den Kuchen gebracht hat) und ein paar aufmunternde Witze erzählt. Doch bringt uns das wirklich voran?
Jetzt habe ich natürlich die Grünen und die Bürgervereinigungen überspungen. Ich kann wenigstens mal andeuten, dass das Plakat von Jan Kaboth falsch gedruckt wurde, damit man erkennt, über welch unglaubliche Insiderkenntnisse ich verfüge.
Aber mal im Ernst: Man macht sich vor einer Wahl immer wochenlang Gedanken, wen man wählt und letztlich wird das sowieso nachher kaputt gewählt von einer Mehrheit, die ohne Nachzudenken irgendwas ankreuzt. „Bei und wird CDU gewählt!“ – und stadtteilabhängig können das auch die Grünen sein. Die CDU wird die Mehrheit bekommen und seltsamerweise stört mich das nicht mehr. Gibt es ernsthafte Gründe, die SPD zu wählen? Im Wahlprogramm steht u.a., man wolle erreichen, dass es an allen Dresdner Schulen ein kostenfreies Mittagessen gibt. Ist das nicht reiner Populismus? Woher soll das Geld kommen? Gibt es nicht andererseits bereits das Kindergeld, von dem das ja auch bezahlt werden könnte? Und würde kostenloses Schulessen nicht im Gegenteil zu einer Beliebigkeit führen, bei der sich Schüler dann sagten: Gehen wir essen oder nicht? Ist doch egal. Kostet ja nichts. Ach, heute nicht … Am Ende wird so nur mehr weg geschüttet. Momentan sagen wir Eltern noch: „Was? Du warst wieder nicht essen? Wofür bezahlen wir das dann….?“ Aber, egal – kritikwürdige Punkte finden sich bei allen Parteien.
Ein interessanter Punkt findet sich im Programm der SPD übrigens unter „Kultur“. Anscheinend sind sie für eine gerechtere und ausgeglichenere Kultursubventionierung: „Jede Karte für eine Vorstellung in den großen Theatern und Konzerten wird derzeit mit rund 80 bis 100 Euro bezuschusst (und im Festspielhaus Hellerau mit weit über 200Euro).“ Da wir gelegentlich mit den kreativen Menschen aus Hellerau zu tun haben und da ich immer gegen Geldverschwendung bin, war ich wirklich dankbar für diese Information.