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NABU und Grüne Liga sind gegen den Elberadweg Loschwitz – Wachwitz

Hatte August der Starke eigentlich gültige Umweltverträglichkeitsprüfungen für seine Bauprojekte vorliegen? Könnte er heute noch auch nur einen Fußweg an der Elbe bauen lassen? Müssen wir große Teile der Stadt wieder abreißen? Solche Fragen drängen sich auf, wenn man bei heutigen Bauprojekten sieht, von wie vielen Ämtern und Vereinen dazu jeweils Bestätigungen erforderlich sind, auf wie viele Meinungen und Einwände man eingehen muss und wie sich dadurch alles verzögert.

Natürlich können solche Meinungen und Bestätigungen einen Sinn haben. Aber in manchen Fällen kann man daran verzweifeln. Beispielsweise wird seit Jahren … nein, inzwischen sogar schon seit Jahrzehnten über den Bau eines rechtselbisch verlaufenden Elberadwegs nachgedacht. Zwischen Pillnitz und Loschwitz fehlt er praktisch vollständig. Von Einwohnern hört man oft, dass sie gern mit dem Rad statt mit dem Auto in die Innenstadt fahren würden, wenn es einen Radweg gäbe. Fahrradtouristen, die nicht rechtzeitig auf die andere Elbseite wechseln, müssen den schmalen und oft schlammigen Wiesenweg benutzen. Das ist er – Romantik pur:

Wiesenweg Wachwitz

Wiesenweg Wachwitz

Ab Wachwitz können sie den den holprigen Treidelpfad benutzen

Treidelpfad Wachwitz

oder sie bleiben oben auf der schmalen und oft stark befahrenen Pillnitzer Landstraße, was aber nicht jedermanns Sache ist.

Ein ordentlicher Radweg sollte hier schon lange gebaut werden. Spürbar vorwärts geht es mit dem Projekt zwar nicht, aber immerhin kann man demnächst wegen einer Änderung den Bebauungsplan einsehen (Bebauungsplan Nr. 330, Dresden-Loschwitz Nr. 20, Elberadweg Loschwitz – Wachwitz, von 20. 6. – 4. 7. 2016 einsehbar im Rathaus und im Ortsamt Loschwitz).

Bemerkenswertes findet sich dabei im – auch online verfügbaren – Dokument „Stellungnahmen zu Umweltauswirkungen“: Der NABU Sachsen und auch die Grüne Liga Sachsen lehnen den Radweg ab. Dass Naturschutzorganisationen gegen Radwege sein könnten, verwundert ein wenig, denn eigentlich passt Radfahren doch ziemlich gut zu grünen Themen. Müsste man als Grüner nicht eher für alles sein, was das Radfahren fördert? Immerhin werden so Autofahrten vermieden. Das klingt tatsächlich etwas absurd. Richtig absurd wird es, wenn man sich die Begründung durchliest (S.4):

Vermisst wird eine konsequente und in sich schlüssige Prüfung möglicher Alternativen der Radwegführung. Diese wurde nicht durchgeführt, teilweise Grundlagen und Wechselbeziehungen blieben deshalb unberücksichtigt bzw. fehlen. Der NABU kann daher der aktuell gewählten Trasse noch nicht zustimmen.

Zumutbare Alternativen: Es ist ausreichend und umfassend zu prüfen, ob (…) eine Radwegführung durch die Ausweisung der Mischnutzung auf der Pillnitzer Landstraße (z.B. durchgehend Beschränkung auf 30 km/h) realisiert werden kann.

Bei dieser Begründung ist man erst einmal sprachlos. Was denn für eine Alternative? Weiter die Pillnitzer Landstraße benutzen … haben die vom NABU überhaupt eine Ahnung, wovon sie da reden? Waren sie mal vor Ort? Sicher nicht. Die Pillnitzer Landstraße ist schmal. Ich benutze sie fast täglich als Radfahrer. Wenn man dort Fahrrad fährt, bilden sich ständig Autoschlangen hinter einem und man bekommt dann oft das Gefühl, den gesamten Verkehr aufzuhalten.

Pillnitzer Landstraße Radfahrer

Die Auto-Schlangen bilden sich, weil die schmale Straße und der kurvenreiche Verlauf nicht überall ein Überholen ermöglichen. Das ergibt manchmal echt spannende Situationen, wenn dann doch überholt wird.

Pillnitzer Landstraße, Radfahrer

Wirklich nervig wird es, wenn ein Bus hinter einem her tuckert, weil er nicht überholen kann. Daran würde auch ein durchgängiges Tempo 30 nichts ändern, denn als durchschnittlicher Radler fährt man selbst dafür noch zu langsam. Tempo 30 gibt es dort auch schon an einigen Stellen. Als Radfahrer bemerkt man den Unterschied kaum. Und da ich manchmal auch selbst im Auto dort entlang fahre, hält sich meine Begeisterung über durchgehendes Tempo 30 ebenfalls in Grenzen.

Auf den Fußweg auszuweichen, ist für Radfahrer keine gute Lösung. Mal davon abgesehen, dass es laut StVO sowieso verboten ist: Der Fußweg ist ebenfalls meist schmal, er verläuft nur auf einer Straßenseite, es gibt (wie der Name schon andeutet) Fußgänger und es münden oft Hauseingänge direkt am Weg.

Das jedenfalls empfiehlt uns der NABU als zumutbare Alternative. Sehr überzeugend ist auch die „Begründung der Begründung“:

Mit dem Bau der Waldschlösschenbrücke und der erheblich in Naturschutzbelange eingreifenden Ostumfahrung von Dresden (S 177) seien exemplarisch nur zwei folgenschwere Eingriffe genannt, die laut Aussage der jeweiligen Planungsunterlagen auch zu Entlastungen der Verkehrsflüsse auf der Pillnitzer Landstraße führen. Insofern ist (…) eine Mischnutzung auf der Pillnitzer Landstraße denkbar und somit angemessen und zumutbar.

Ich kann mich nicht an Aussagen erinnern, dass die Waldschlösschenbrücke eine Entlastung der Pillnitzer Landstraße ergeben würde (man sah lediglich für das Blaue Wunder in geringer Größenordnung solche Effekte). Und wie die S 177 dazu führen könnte, dass weniger Verkehr zwischen Dresden und Orten wie Pillnitz, Graupa entstehen könnte, ist mir auch nicht klar. Aber selbst wenn: Für einen Radfahrer ist es egal, ob er im Feierabendverkehr 20 oder nur 18 Autos hinter sich hat. Aber schön, dass es nun ausgerechnet wir Radfahrer sind, die solche Kleinkriege zwischen NABU, Grüner Liga und der Stadtverwaltung ausbaden dürfen.

Etwas nachvollziehbarer klingt da schon der Einwand des NABU zum Vogelschutz.

… die massive Beunruhigung des FFH- und Vogelschutzgebiets durch die künftigen Nutzer des Weges. Von den bereits in Betrieb genommenen Abschnitten des Elberadweges im Raum Dresden wissen wir aus Erfahrung, dass zusätzlich viel Unruhe entstehen wird, Müll anfallen und entsorgt werden muss und zahlreiche Besucher den Weg verlassen werden, um die Wiesen zu betreten und zu beunruhigen. Diese Beeinträchtigungen müssen erfasst und ausgeglichen werden!

Zumindest klingt das beim ersten Lesen  etwas nachvollziehbar. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Verlassen ausgerechnet Radfahrer die Elbwiesen, um dort Unruhe oder Müll zu verbreiten? Radfahrer, die früh zur Arbeit fahren, haben gar keine Zeit, die Wiesen zu durchwandern und Müll zu verteilen. Müll dürfte wohl eher von sonstigen Besucher stammen, wenn sie zum Beispiel dort grillen wollen. Dazu kann man aber auch jetzt schon zur Elbe hinunter gehen, einen Radweg braucht dafür keiner. Wer verlässt typischerweise die Wiesen und verbreitet Unruhe? Das sind hauptsächlich Hundehalter, die dort ihre Tiere auslaufen lassen. Ich kann die Hundebesitzer da auch gut verstehen, denn diese Wiesen bieten sich dafür an. Aber müsste der NABU oder die Grüne Liga nicht zunächst gegen unangeleinte Hunde Sturm laufen, wenn ihnen der Vogelschutz so wichtig ist? Vogelschutz ist immerhin kaum möglich, wenn aller 10 Minuten der nächste Hund kommt. Aber in der Hinsicht hört man gar nichts von diesen Verbänden. Nein, stattdessen sind es die Radfahrer, die die Vogelwelt des Elbtales gefährden.

Scheinbar meinen die Leute vom NABU diesen Unsinn sogar ernst. Ist es so schwer zu verstehen, dass ausgerechnet Radfahrer diejenigen sind, die am ehesten auf einem asphaltierten Weg bleiben würden? Momentan fahren Radfahrer nur an einer Stelle des nicht vorhandenen Elberadwegs gelegentlich über die Wiese, und dort auch nur als Notlösung: In der Loschwitzer Seenplatte, also dem meist mit großen Pfützen übersäten Bereich unterhalb der Koppeln vom Pferdehof Schmidt, wenn es dort mal wieder völlig verschlammt ist. Da bleibt einem nichts anderes als die Wiese und das würde entfallen, wenn dort endlich einmal eine Asphaltdecke vorhanden wäre. Also müsste der NABU genau deshalb, also wegen der Schonung der Wiesen für einen Radweg sein.

Radweg Pferdehof Schmidt

Der Hauptgrund des NABU, gegen den Radweg zu sein, könnte aber auch viel banalere Ansätze haben. Von Grundstücksbesitzern wird oft befürchtet, Profit herausschlagen zu wollen, wenn z.B. ein Radweg über ihr Gelände geplant ist. Bei Vereinen, die sich mit so positiven Dingen wie Naturschutz beschäftigen, würde man das eher nicht vermuten. Doch halt:

Der NABU Sachsen ist nicht nur als Anerkannte Naturschutzvereinigung (nach 5 32) des Sächsischen Naturschutzgesetzes) betroffen sondern auch als Eigentümer der Flurstücke 109a, 109b, 109g und 111 (sämtlich Gemarkung Wachwitz). Wir akzeptieren eine Inanspruchnahme dieser Flurstücke nur, wenn wir in großzügiger Weise andere Flächen in der Elbaue als Eigentum übertragen bekommen, auf denen wir zur Umsetzung der Ziele unserer Satzung wirken können.

Die erwähnten Flurstücke sind die unterhalb des Gare de la Lune in Wachwitz. Dass der NABU hier für die Umsetzung der Ziele seiner Satzung wirkt, erkennt man daran sehr gut, dass die Wiese dort exakt genauso aussieht, wie auf den Flächen daneben:

Flurstücke des NABU in Wachwitz

Schon verständlich, dass der Verein „in großzügiger Weise andere“, also größere Flächen bekommen muss, wenn doch durch den Bau des Radwegs oberhalb der Wiese diese Wiese so sehr zerstört wird.

One Comment

  1. Ein Eigeninteresse des NABU wird schon im Artikel angedeutet. Ein anderes Interesse könnte darin liegen, dass man in dem Verfahren größere Aufträge für Gutachter erwartet.

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