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Leistungsschutzrecht: Die Sache mit den Tassen und dem Schrank

Wenn man sich den Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht  einmal durchliest, fragt man sich bereits auf der ersten Seite, ob die Verfasser überhaupt nachgedacht haben:

„Jedoch ist ein Schutz nur vor systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die Anbieter von Suchmaschinen und Anbieter von solchen Diensten im Netz geboten, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten, da deren Geschäftsmodell in besonderer Weise darauf ausgerichtet ist, für die eigene Wertschöpfung auch auf die verlegerische Leistung zuzugreifen.“

Übersetzt in verständliches Deutsch: Es soll also ein Schutz speziell  gegenüber Suchmaschinen geschaffen werden. Ein Schutz vor Suchmaschinen? Für kopiergeschützte, illegal eingestellte Werke wäre das ja noch verständlich. Aber während sich jeder Blogger freut, wenn seine Artikel auch gefunden werden, soll für kommerzielle Artikel, die von den Verlagen selbst ins Netz gestellt werden, ein Schutz gegenüber Suchmaschinen eingerichtet werden (und das auch noch gesetzlich verbindlich). Ähm … wie ging der Spruch mit den Tassen und dem Schrank noch gleich?

Und greifen Google & Co eigentlich für die eigene Wertschöpfung auf die Verlagsinhalte zu, wenn sie auf eine Suchanfrage eines Nutzers hin Ergebnisse nur auflisten (ob nun mit oder ohne Textauszug der Artikel)? An dieser Stelle entsteht doch noch gar keine Wertschöpfung! Bestenfalls für die Verlage.

Ich habe, innerlich kopfschüttelnd, nach dieser Textstelle des Gesetzesentwurfes erst einmal nicht weiter gelesen. Aber wie im Vorfeld bereits oft von vielen Kommentatoren geschrieben wurde:  Sollen ’se mal machen, denn „was das bedeutet, ließ sich im vergangenen Jahr in Belgien beobachten. Dort hatte die Verwertungsgesellschaft Copiepresse gegen Google geklagt, wegen Textanrissen in Google News. Das Unternehmen schmiss die belgische Presse daraufhin komplett aus der Websuche. Wenig später besannen sich die Verleger, nun ist alles wieder wie vorher.“ (Spiegel-online)

Sascha Lobo meinte dazu: „Das Leistungsschutzrecht beweist, dass die Regierung den Springer-Verlag mehr fürchtet als das Netz. Das sollte man ändern.“ Dem ist wirklich nichts hinzu zu fügen.

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7 Comments

  1. Vorweg: Ich bin kein Freund des Leistungsschutzrechtes. Aber ich glaube, man sollte sich doch etwas mehr mit der Position der Befürworter auseinandersetzen, bevor man sie einfach für bescheuert erklärt.
    Für meine Begriffe (und das ist jetzt schon interpretiert) geht es den Verlegern darum, ihre Existenz zu retten. Die haben es nicht hinbekommen (wirklich nicht?), für das Netz entsprechend ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Nun versuchen sie auf diesem Wege, endlich die lang erträumte Gebührenfinanzierung zu bekommen (und zwar von denen, die im Netz richtig Geld verdienen).
    Was man wirklich nicht vergessen darf: Medien haben in der Demokratie eine besondere Funktion, die auch schützenswert ist. Über die Art des Schutzes können wir streiten – aber Fakt ist auch, dass Blogs & Co. diese Funktion der Information der Bürger nicht im Ansatz adäquat ersetzen.
    Ich finde auch diesen Wunsch vieler Blogger (den ich in meinem tiefsten Innern manchmal auch teile), Google solle doch einfach mal die Verlage aus dem Angebot kicken, total albern. Sollte Google das tatsächlich tun und würde daran deutlich, welche marktbeherrschende Rolle der Konzern in der Informationsvermittlung im Internet einnimmt, würde er sich ins eigene Fleisch schneiden – es würden dann auch konservative Politiker darüber nachdenken, ob man das Angebot nicht eigentlich verstaatlichen sollte (meine Spekulation).
    Wie gesagt, ich bin kein Freund des Leistungsschutzrechtes. Aber ganz von der Hand weisen will ich die Beweggründe der Verleger auch nicht. Oder anders: Wenn wir das LSR ablehnen und damit akzeptieren, dass die Zeitungen den Bach runtergehen – wie soll dann die neutrale und unabhängige Information der Bürger in der Demokratie aussehen?
    Die zentrale Frage, die sich mit Einführung des LSR ergibt (und die in meinen Augen niemand so richtig stellt): Welche Rolle spielt eigentlich der gebührenfinanzierte Rundfunk in der ganzen Kiste? Reicht der nicht zur Information der Bürger aus?
    Eine Antwort lasse ich an dieser Stelle bewusst aus.

  2. Den Verlegern geht es sicher auch darum, ihre Existenz zu retten – aber dass soll ausgerechnet über das LSR funktionieren?

    Sehen wir uns die Praxis doch einmal an. Google bietet u.a. die News-Funktion an (das war ja einer der Kritikpunkte von LSR-Befürwortern): Der Nutzer gibt da einen Suchbegriff ein, und sofort werden ihm relevante Veröffentlichungen zu diesem Thema aufgelistet. Unter anderem auch welche von Verlagen. Bei den News kommt immer 1-2 Zeilen Textanriss aus dem Artikel mit dazu (bei der normalen Suche seltener). Für diesen Mini-Textauszug, der ja nur andeuten bzw. neugierig machen soll auf den eigentlichen Artikel, wollen die Verlage Geld von Google haben. Das ist völlig absurd, denn Google verdient an der Stelle keinen Cent – die Seite ist komplett Werbungsfrei. Es ist nur eine Hilfe für die Verlage, dass ihre Artikel überhaupt erst einmal von Interessenten gefunden werden. Auf ihren eigenen Seiten können die Verlage dann Geld einnehmen – entweder über Bezahlschranken oder über Werbung. Letztere kann wiederum sogar von selbst Google themenbezogen bereitgestellt werden (GoogleAds), woran der Verlag bei Klicks mitverdient.

    Dass Zeitungen den Bach runter gehen, ist doch nicht die Schuld derjenigen, die auf die Zeitungen hinweisen, also für sie sogar noch Werbung für sie machen. Mit der Logik könnte man ja auch von normalen Zeitungsverkäufern Gebühren für jede verkaufte Zeitung verlangen. Wenn Zeitungen den Bach runter gehen, liegt das ganz klar daran, dass sie selbst alles kostenlos ins Netz stellen, wo für den Nutzer dadurch ein gewaltiges Überangebot entsteht. Man kann bei der Menge als Verleger auch nicht mehr hoffen, dass sich hoffentlich alles über Werbung tragen wird* (wer soll denn so viel Werbung anklicken?), sondern man muss eben Bezahlschranken einführen. Ich stelle mir das so vor: Es gibt einen kurzen Überblick, worum es im Text gehen wird, welche Fakten erläutert werden oder welche Meinung der Autor begründet (o.ä.) und dann sollte man über ein einfaches Bezahlsystem Zugriff erhalten. Diese Gebührenfinanzierung aber von den Suchmaschinenbetreibern bekommen zu wollen … da bleibe ich durchaus bei der Behauptung, das sei bescheuert,

    * Werbefinanzierung wäre auch mal eine Betrachtung wert. Denn wer von uns hat jemals auf eine Werbeanzeige geklickt? Das passiert doch höchstens mal aus Versehen. Und wer das vielleicht wirklich mal getan hat: Wer von den Wenigen hat dann wirklich das betreffende Produkt gekauft? Dass die Werbefinanzierung funktioniert, klappt doch nur auf der Basis, dass Werbekosten von der Steuer absetzbar sind. Das bedeutet, dass das gesamte werbefinanzierte Internet über ein paar Umwege letztlich der der berühmte Steuerzahler finanziert. Und wenn das ohnehin schon so ist, dann kann man auch sagen: Okay, dann lasst uns das konsequenterweise zugunsten einer (steuerfinanzierten) Kulturflatrate verändern. Das könnte in der Praxis auch so aussehen, dass der Zahlende dann pro Tag (bzw. Monat) Zugriff auf soundsoviel Artikel hinter Bezahlschranken hat und alles darüber hinaus selbst zahlen muss. Dann müsste man eben mehr auswählen, was man wirklich lesen will und wäre zwangsweise von dieser täglichen Manie befreit, jeden Artikel immer gleich lesen zu müssen, den man irgendwoher bekommt. Ich kenne den Effekt ja von mir selbst und fände diese Lösung gar nicht so verkehrt. Die Idee ist sicher nicht ganz ausgereift, aber mein momentaner Ideen-Stand.

  3. Ich glaube, besser als das Beispiel Google News ist das Beispiel turi2.de. Da werden Links mit Häppchen-Infos angeboten. Jeder, der schon mal bei turi2 verlinkt war, weiß, da kommen im Schnitt max. 17 Klicks zusammen – aber die ganze Branche liest es!
    Zugegeben, das ist ein Einzelbeispiel – aber in dem Fall verdient jemand (etwas) Geld mit der Leistung anderer.
    Wie gesagt: Ich halte auch nix vom LSR, aber ich sehe, dass die Politik eine gewisse Verpflichtung hat, sich zumindest Gedanken über die Entwicklung der Presselandschaft zu machen… den bisherigen eingeschlagenen Lösungsweg find ich auch nicht gut.
    Eine Flatrate, wie du sie gerade favorisierst… wer entscheidet denn dann, welche Medien mit Bezahlschranken da aufgenommen werden? Alle? Mopo, Bild und DNN und SZ – vor dem Leser alle gleich? Und auch die Öffentlich-Rechtlichen? Oder die gerade nicht, weil sie den Markt kaputt machen?
    Bezahlschranke halte ich da für den besseren Weg, in Verbindung mit Werbe-Geld – aber Werbung nicht mehr nach Klicks abgerechnet, sondern nach Qualität. Da kann jeder Werbetreibende selbst entscheiden, was er bevorzugt. Würde aber ein ganz schönes Umdenken bedeuten…

  4. turi2.de kenne ich nicht (und habe jetzt nur mal kurz da reingesehen). Wenn jemand Geld mit der Leistung anderer verdient einnimmt, dann ist das schon kritikwürdig und verdient klare Verbote oder Schranken. Aber das ist ja im vorliegenden Fall (Suchmaschinen) nicht der Fall.

    Ich hätte besser nicht von der Kulturflatrate schreiben sollen, denn eigentlich bin ich selbst gar kein Verfechter davon. Mir fallen dazu selbst Kritikpunkte ein (ich glaube, bei Stefanolix hatten wir mal eine längere Diskussion zu dem Thema). Wie wäre es aber mit folgendem Modell: Für mich als potentiellem Leser aller deutschen online-Presseerzeugnisse wäre es bei bezahlpflichtigen Artikeln abschreckend und somit ein Problem, wenn ich mich bei jedem Medienerzeugnis erst einzeln und mit stets unterschiedlichen Methoden anmelden müsste. Warum sollten sich aber Verleger nicht zusammenschließen und ein gemeinsames System etablieren? Dort könnte ich eine Art prepaid- oder flaterate-Konto haben oder auch jeden Artikel einzeln abbuchen lassen. Und so, wie ich mich beim Aufrufen des Internets sowieso erst einmal bei Google anmelde (oder bei Facebook oder sonstwo) melde ich mich eben automatisch bei diesem System mit an. Und immer wenn ich dann auf einen kostenpflichtigen Artikel stoße und diesen lese, wird das automatisch abgebucht. Da können auch unterschiedliche Preise vergeben werden und es können alle, also auch Konkurrenten, daran teilnehmen. Zum Monatsende (oder täglich) erhalten dann diejenigen ihre Bezahlung, deren Artikel gelesen wurden.

    Am Ende ist es wahrscheinlich wiedermal Google, die ein solches System selbst herausbringen.

  5. Die tägliche Lektüre von turi2 ist durchaus sehr empfehlenswert.
    Stichwort Zusammenschluss aller Zeitungen: Sind die TV-Sender nicht gerade erst mit einem vergleichbaren Modell für eine gemeinsame Mediathek am Kartellamt gescheitert? Das Modell würde glaube ich aus solchen Gründen nicht funktionieren.
    Eine richtige Lösung sehe ich derzeit auch nicht, das LSR wird ja nur eine Weile über die zentralen Probleme hinwegtäuschen – wir werden einfach abwarten müssen 😉
    Was ich denke: Langfristig wird es immer weniger Zeitungen geben. Die Verlage müssen sich von diesem Konstrukt Tageszeitung als tägliche große Überraschungsbox verabschieden müssen. Vermutlich wird der eine oder andere das nicht überleben. Aber ich bin zuversichtlich, dass es Ersatz geben wird. Im Zweifel bauen wir den ÖR um.

  6. Zu dem Thema einfache „Bezahlschranke“ (paywall) für online-Medien gibt es einen Beitrag bei „Zapp – Das Medienmagazin“. Es ist das erste Video in der Sendung.

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