CD-News

Jetzt ist es doch soweit, endlich einmal die aufgeschobenen CD-Käufe der letzten Monate zu tätigen. Der Auslöser war ein vor zwei Tagen gesehenes Plakat, worauf für ein Album von Lou Reed und Metallica geworben wurde. Herr Reed hatte sich offensichtlich der Oper „Lulu“ gewidmet. Ich erwartete zunächst nichts Gutes, denn das letzte Album, welches ich von Reed hörte, war „The raven“. Darin verarbeitete er die gleichnamige Geschichte von Edgar Allan Poe. Mir gab das damals gar nichts. Endlose gesprochene Texte, für die mein Englisch einfach nicht gut genug war, um ihren poetischen Wert beurteilen zu können. Das Ganze war über Musik gelegt, die ich auch nicht so umwerfend fand.

Nun also „Lulu“ und das auch noch mit Metallica, von denen ich auch nicht allzu viel halte. Auf Amazon wird das Album nach Strich und Faden verrissen: „das Unhörbarste* was mir je untergekommen ist“ … „Harmonie? Fehlanzeige“… „hat mit Musik eigentlich nichts zu tun“ … „peinlich“ und Ähnliches kann man dort lesen. Ich kann aber nur sagen: Jungs! Ihr habt nicht verstanden, dass das (glücklicherweise) kein Metallica-Album ist! Es ist stattdessen endlich mal wieder ein richtig großartiges Lou-Reed-Album! Allerdings ist es auch keins seiner Rock-Alben – man sollte nichts wie „New York“ oder „Magic and Loss“ erwarten. Dass ich dieses Werk nach ca. dreimaligem Anhören toll finde, liegt vielleicht auch daran, dass ich „Lulu“ schon einmal im Theater gesehen habe. „Lulu“ wurde irgendwann in den 80ern im Dresdner „Großen Haus“ aufgeführt. Auf SPIEGEL-online las ich zwar, dass „bis heute fast alle Umsetzungen des schweren Wedekind-Stoffes als gescheitert“ gelten. Ob aber auch die damalige Dresdner Umsetzung aus theaterwissenschaftlicher Sicht als gescheitert gilt, ist mir ziemlich egal. Ich fand es damals beeindruckend und es ist eines der Stücke, die mir deutlich im Gedächtnis geblieben sind.

(* Diesem Rezensenten ist Reeds wirklich unhörbares „Metal Machine Music“ oder Neil Youngs „ARC“ noch nicht untergekommen – ich habe beides versucht.)

Man sollte in Reeds „Lulu“ nicht nur „mal kurz rein hören“, sondern sich dafür Zeit lassen. Zum Nebenbei-Hören taugt es auch nicht. Allerdings wird sein Einsatz gut funktionieren, wenn die Schwiegermutter wieder einmal gar nicht nach Hause aufbrechen will  …

Dafür eignet sich wahrscheinlich auch „Bad As Me“ von Tom Waits, aber das muss ich erst einmal in Ruhe anhören.

Was kommt noch mit auf die Einkaufsliste? Steven Wilsons „Grace für drowning“. Schade ist, dass Wilson die 5.1-Abmischung nicht als DVD-Audio, sondern nur auf Blue-Ray anbietet. Das mag man als HiFi-mäßig konsequent einstufen, aber ich kaufe mir nicht extra einen Blue-Ray-Player. Also gibt es Wilson zur Abwechslung einmal nur in Stereo. Es klingt immer eigenartig, wenn Wilson ein Solo-Album herausgibt, obwohl er auch für seine Band „Porcupine Tree“ alles allein komponiert. Aber „Grace für drowning“ wäre tatsächlich kein richtiges PT-Album gewesen, wenn man einmal von dem sehr PT-kompatiblen Song „Deform To Form A Star“ absieht. Wilson verlässt hier die Heavy-Metal-Schiene wieder etwas, auch wenn sie immer noch eine Rolle spielt (z.B. in „Sectarian“). Dafür probiert er Neues aus: Jazz-Rock. In „Remainder The Black Dog“ zu hören. Dieses Stück könnte genauso gut auch von King Crimson stammen (wie auch „Raider II“). Genau wie auch „Lulu“ eignet sich „Grace für drowning“ aber keineswegs zum Nebenbei-Hören.

Ins CD-Regal müssen auch noch ein paar nicht mehr so aktuelle Sachen, die ich verpasst hatte oder die ich erst im Nachhinein kennenlernte: „Sea Of Cowards“ von „The Dead Weather“ gehört dazu. Ich wusste nicht, dass Jack White nach Auflösung der „White Stripes“ zusätzlich zu den „Raconteurs“ auch noch dieses Projekt betreibt. Genaugenommen ist es auch gar nicht nur „sein“ Projekt, aber seine Handschrift hört man klar heraus, obwohl er dort nur Schlagzeug spielt.

„Amplifier“ hatte ich dieses Jahr über ihr großartiges Doppelalbum „The Octopus“ kennengelernt und dann sogar im Beatpol erleben dürfen. Ihr Erstling von 2005 kommt mit auf die Liste („Insider“ von 2006 nicht, obwohl der Titelsong  eigentlich ziemlich klasse ist). Auf die ebenfalls (zumindest ursprünglich) aus dem Metal-Bereich stammende  Band „Anathema“ stieß ich letztes Jahr über ihr Album „We’Re Here Because We’Re Here“. Dieses Jahr erschien das sehr schöne „Falling Deeper“, was mich bewog, auch einmal das frühere Schaffen durchzuhören. Fazit: „Judgement“ von 2006 sollte mit in die Sammlung. Der Rest fällt für mich in die Rubrik „eigentlich nicht schlecht, aber man muss ja nicht alles haben“. Dort verbleiben auch folgende Neuerscheinungen:

– „Fly from here“ von Yes. Eigentlich ist es (auch ohne Jon Anderson) gar nicht so schlecht geworden und ich kann nicht wirklich erklären, was mich daran stört. Vielleicht etwas zu seicht?

– „Metals“ von Feist

– “How to compose popular songs that will sell” von Bob Geldof (so etwas hätte ich von ihm nicht mehr erwartet)

– „Night Of Hunters” von Tori Amos und „300 Days At Sea“ von Heather Nova. Irgendwie waren bisher alle Amos- und Nova-Alben irgendwie gut, aber auf Dauer auch stets etwas anstrengend (T. Amos) bzw. nicht durchgängig überzeugend (H. Nova).

– Obwohl ich nie ausgemachter Oasis-Fan war, finde ich Noel Gallagher’s Solo-Werk mit seinen „High Flying Birds“ nicht schlecht, vor allem die Songs „Everbody is On The Run“ und „If I Had A Gun“. Es ist wiederum auch kein ausgemachter Meilenstein der Musikgeschichte, aber zumindest im Vergleich zu den aktuellen Versuchen seines Bruders Liam fällt es positiv auf.

Und zum Schluss noch eine Warnung: Ganz grauenhaft schlecht finde ich „Biophilia“ von Bjork. Ich bin immer offen für Experimente, aber „Biophilia“ ist einfach nur Bjork-mäßiges 08/15-Gedudel. Ein paar Sachen gehen zwar so halbwegs, aber der Gesamteindruck … naja. Beim letzten Anhörversuch passierte mir etwas, was mir bei ihrer Musik früher noch nie passierte – aus meinem Mund kam ein spontanes: „Or nee … Gott, ist das nervtötend! Das ist ja nicht zum Aushalten!“

One Comment

Comments are closed.