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Parallelwelten

Als ich mein Fahrrad vor der „Scheune“ anschloss, fiel mir ein, dass der dafür von mir benutzte „Fahrradzaun“ auch ein Werk des holländischen Künstlers Wouter Mijland ist – unserem aktuellen Dresdner Skandalkünstler. Dessen vor zwei Tagen veröffentlichte unsägliche Entgleisung ist wirklich der Gipfel der Geschmacklosigkeit. So stand es immerhin in der Zeitung. Erstaunlicherweise wirkten die Neustädter und ihre Besucher aber trotz dieses Aufregers erstaunlich relaxed, ihre Bierflaschen pendelten normal an den Handgelenken, während sie die Alaunstraße entlang schlenderten und sich über für die Neustadt völlig normale Dinge unterhielten, Fußball zum Beispiel.

Aber es ist eigentlich logisch, dass die nichts von dem Skandal mitbekommen haben können, denn dieser wurde ja nur in BILD erwähnt. Und die liest hier leider niemand. Außerhalb des von Wouter Mijland mit Kunst bestückten Stadtteils dagegen regen sich die BILD-Leser sicher ziemlich darüber auf*. Aber die gehen ja wiederum nicht in die Neustadt!

Hier existieren also – mitten in unserer Gesellschaft – regelrechte Parallelgesellschaften, die nichts voneinander mitbekommen und völlig getrennte Aufgeregtheits-Zustände haben! Ein unhaltbarer Zustand! Wie kann man hier helfen? Wie können Brücken geschlagen werden? Da ist nicht nur die Politik gefragt, sondern wir alle!

Ach so – was Mijland eigentlich verbrochen hat? Ein Denkmal für gefallene Taliban hat er aufgestellt. Und das sogar mehrere Stunden lang!


Die Schilderung bei BILD

Die Schilderung bei Wouter Mijland (nicht mehr online)

(* Kann natürlich sein, dass BILD längst neue aufregende Schlagzeilen geliefert hat – es hat ja schon seit Monaten kein riesiger Asteroid mehr die Erde bedroht. Vielleicht verzockt inzwischen auch wieder ein griechischer Pleite-Rentner unsere geheimen D-Mark-Reserven …)

4 Comments

  1. Nicht aufregen – nur wundern!

    Aus Marketingsicht macht er vieles richtig. Kontroverses Thema aufgreifen und für Öffentlichkeit sorgen.
    Wäre er jetzt noch ein guter Künstler, hätte er ein Ding hingestellt, daß uns nicht so schnell losgelassen hätte.
    Aber ein Benzinkanister mit herzförmigem Loch? Wen, außer den Kindern vom Roten Baum soll das hinter dem Ofen vorlocken?
    Und überhaupt: Soll das eine Anspielung auf die von Oberst Klein zerstörten Tanklaster sein? Aber die Toten dabei waren doch nun gerade keine Taliban, sondern einfache Einwohner. Oder wie jetzt?

    Wir sind wiedermal auf einen echten Sturm im Wasserglas von BILD hereingefallen.
    Vielleicht kann der Künstler seine Kanister, auf handliche Größe gebracht, im CATAPULT verkaufen. Dann wäre er wenigstens finanziell nicht mehr auf den Krawall in BILD angewiesen.

  2. Ich will das auch mal gar nicht bewerten, denn darüber könnte man schon wieder viel schreiben. Ich fand’s auch nur witzig, dass BILD hier mal wieder beim Skandal kräftig nachgeholfen hat. Denn ohne BILD hätte es ja kein Mensch bemerkt. Das ist eigentlich genau wie damals mit Erika Lust … BILD engagiert sich einfach sehr für unbekannte Künstler, und das ist doch mal ein positiver Aspekt an dieser Zeitung 🙂

  3. Ich habe heute eine Zeile aus der BILD am Rande mitbekommen, die ich sinngemäß zitieren möchte: »Unsere Regierung hat nicht geschworen, Schaden vom griechischen Volk abzuwenden.« — So tendenziös diese Zeitung auch ist, manchmal haben sie interessante Einfälle.

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