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Einseitig und oberflächlich: Nachrichten über Libyen im ZDF

Die Berichterstattung über Libyen im ZDF ist schon verblüffend: Die Rebellen sind (fast) ausnahmslos die Guten, wenn andererseits wieder irgendwo Tote entdeckt werden, waren das immer („vermutlich“ oder „möglicherweise“) Anhänger Gaddafis. Ich will hier nicht gleich behaupten, dass letzteres grundsätzlich falsch sei, aber von einem Sender wie dem ZDF hätte ich schon ein etwas genaueres Nachfragen erwartet. Denn dass auch die Rebellen Verbrechen begehen, wurde inzwischen mehrfach berichtet.

Die letzte Woche in Libyen aus Sicht des ZDF (in der ARD ist es nicht viel besser, aber da sich Einzelbeiträge nur beim ZDF direkt verlinken lassen, beziehe ich mich hier nur auf diesen Sender) und einige offenbleibende Fragen:

4.9. und 5.9.:

Rebellen schießen irgendwohin und freuen sich, Quelle: ZDF

Rebellen machen sich zum Angriff auf die Stadt Bani Walid bereit. Die wird noch von Gaddafi-Getreuen gehalten. Wenn man sieht, wie die Rebellen mit Geschützen in der Gegend herum schießen, kann man sich schon fragen, ob die NATO nun nicht doch endlich ihr UN-Mandat ernst nehmen und die Zivilbevölkerung schützen sollte? Vor den Rebellen nämlich. Sind die Leute, die sich in Städten wie Bani Walid und Sirte verteidigen, überhaupt tatsächlich alles Gaddafi-Getreue? Vielleicht ist es ja wirklich nur die Bevölkerung, die nicht von den Rebellen „befreit“ werden möchte? Ich weiß das nicht, aber wäre es für kritische Journalisten nicht angebracht, hier einmal nachzufragen? Vielleicht einmal jemanden von dieser Gegenseite zu Wort kommen zu lassen? Fehlanzeige. Die Rebellen erklären, dass sie leider angreifen müssten, denn sie wollen ja die Bevölkerung schützen. Sie – also die Rebellen – hätten auch  Verhandlungen angeboten, aber  die Gegenseite wolle nicht darauf eingehen. Klang das aber nicht noch vor wenigen Tagen ganz anders? Da hieß es seitens der Rebellen: „Mit Kriminellen gäbe es keinerlei Zusammenarbeit“, als solche Verhandlungsangebote ihrer Gegner kamen. Kein Wort zu diesem Widerspruch. Die Rebellen haben alles versucht, aber alle Ultimaten, alle Verhandlungen sind gescheitert. Warum haben sich die Gegner aber nicht darauf eingelassen? Waren die Forderungen möglicherweise ganz einfach unannehmbar? Was haben die Rebellen konkret gefordert? Kein weiteres Nachfragen beim ZDF.

Denkbar ist natürlich auch, dass umgekehrt die Gegenseite zu hohe Forderungen hatte. Laut Deutscher Welle hatten Gaddafi-Getreue „die nicht annehmbare Forderung gestellt, dass die Rebellen unbewaffnet zur Machtübernahme in die Stadt Bani Walid kommen sollten. Wegen eines möglichen Hinterhalts sei das abgelehnt worden“.

Hatte man da beim ZDF keine Zeit für eine genauere Recherche, oder keine Lust? Dabei hätte das doch sogar die eigene vermittelte Ansicht unterstützt …

Ganz nebenbei: Wäre es nicht auch einmal interessant, woher die Rebellen eigentlich ihre Waffen haben? Stammt das wirklich alles nur aus Beständen übergelaufener Armee-Einheiten?

Quelle: ZDF

2.9.:

Es wurden Dokumente entdeckt, die eine systematische Unterwanderung des Übergangsrates durch Gaddafi-Leute belegen. Das halte ich sogar für nachvollziehbar, denn Gaddafi wäre schön blöd gewesen, das nicht zu tun. Aber hat nicht umgekehrt auch die NATO Geheimdienstinformationen über Gaddafi an die Rebellen weitergegeben?

Und hatte nicht weiterhin auch die NATO möglicherweise Schläferzellen nach Tripolis eingeschleust? Die letztere Behauptung bezieht sich zwar nur auf eine einzige Quelle, weshalb ich da etwas skeptisch bin, aber wäre das für engagierte Journalisten nicht gerade eine interessante Rechercheaufgabe? Vielleicht schon nur deshalb, um einen Pro-Gaddafi-Irrtum aus der Welt zu schaffen?

Kein Wort darüber. Stattdessen wird gesagt, dass dem Regime dadurch Truppenbewegungen und andere strategische Enstscheidungen bekannt waren: „Eine Erklärung auch, weshalb dem NATO-Engagement der ursprünglich erhoffte schnelle Erfolg versagt blieb“. NATO-Engagement? Eine schöne Umschreibung. Und dass es nicht so gut lief, lag also nicht daran, dass man sich mit Dilettanten einließ, die offensichtlich nichts für sich behalten konnten, sondern es lag wie üblich an Gaddafi. Auch, wenn der nur aus seiner Position normale Ermittlungsarbeit betreiben ließ.

Der Ehrlichkeit halber muss man allerdings dazu sagen, dass am 2.9. auch ein etwas kritischerer Beitrag kam, die die Situation der Schwarzen Gastarbeiter schildert. Diese leben nun in panischer Angst vor den Rebellen, von denen sie geschlagen und ausgeraubt werden, schwarze Frauen werden vergewaltigt.

1.9.:

Alles wird gut – das libysche Erdöl wird bald wieder fließen, denn es ist in Rebellenhand. Die guten Rebellen wieder! Floß es unter Gaddafi nicht? Gab es nicht im Gegenteil den Vorschlag, als Boykottmaßnahme gegen ihn sein Öl nicht abzunehmen? Das wird hier nicht weiter erläutert. Auch nicht, welche NATO-Staaten dieses Boykott nicht mitmachen wollten. Genauso wenig erfährt man, wie das libysche Öl bereits unter einigen Staaten aufgeteilt wurde und warum manche dabei etwas schlechter weg kommen.

Dass hier bald wieder Geld für Öl fließen wird, ist aber absolut korrekt, denn es wird dringend für den Aufbau des Landes benötigt. Kein Wort aber dazu, warum hier überhaupt so viel wieder aufgebaut werden muss und auf wessen Konto die entsprechende Zerstörung geht. Warum wurden eigentlich ausgerechnet keine Raffinerien und Ölfelder beschädigt, die zivile Infrastruktur aber durchaus? Beispielsweise wurde offensichtlich die lebensnotwendige Wasserversorgung beschädigt:

28.8.:

In den befreiten libyschen Städten gibt es Versorgungsschwierigkeiten. Es mangelt an Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten. Wie das konkret verursacht wurde, wird aber nicht nachgefragt. Dabei wäre es doch wirklich interessant, warum die gut funktionierende Wasserversorgung Libyens gestört wurde. Stecken Gaddafis Leute dahinter (was ja durchaus denkbar wäre)? Oder wurden durch NATO-Beschuss tatsächlich Versorgungsleitungen beschädigt?

Kein Thema fürs ZDF. Investigativer Journalismus sieht anders aus.