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Meine Liste im Internet erhaltener Beleidigungen

Seit gestern ist es amtlich: Ich bin Faschist. Übrigens auch Bonze, aber das halte ich fast für nebensächlich. Ursache dieser Schubladenzuordnung war ein spontaner Besuch in meinem „Lieblingsblog“ (*), wo ich bei einem wieder besonders gelungenen Artikel eine lobende Erwähnung hinterließ.

(Nachtrag 2018: „Die rostige Laterne“ existiert nicht mehr. Schade.)

Nun kann man diesen Blog zwar nur mit sehr viel Realitätsverleugnung ernst nehmen (siehe auch meine frühere Widmung), aber da kann ich den „Nazi“-Vorwurf nun auch endlich einmal abhaken. Es ist ja so, dass man sich im Internet schnell mal verschiedenste Einstufungen oder auch Beleidigungen einhandelt. Internet-Anfänger sind nach dem ersten Vorfall wahrscheinlich tagelang verärgert (und das geht schnell – da reicht ein missverständlich formulierter Foreneintrag), aber mit der Zeit nimmt man es gelassener. Wenn ich so zurück denke – was war ich nicht schon alles in der Zeit? Vor etwa 10 Jahren wurde ich schon einmal eine „Schande für meine ganze Stadt“ (kein Witz!)*, später Rassist, islamophob, Judenfreund, garantiert auch schon mal Antisemit, knapp vorbeigeschlittert bin ich einmal an der der Einstufung als Antideutscher … ein harmloser Spießer-Vorwurf wäre zur Abwechslung eigentlich auch mal nicht schlecht. Antiamerikanismus hatte ich längst, allerdings ist das als Vorwurf dank G.W. Bush etwas unbrauchbar geworden. Was ist eigentlich aus dem guten alten Antisowjetismus geworden?

Wenn ich im realen Leben von einem mir gegenüberstehenden Menschen beispielsweise einen Rassismus-Vorwurf zu hören bekäme, würde mir das schon zu denken geben, aber was sind solche im Netz ausgetauschten Einstufungen wert? Meiner Meinung nach nicht viel, solange man den auslösenden Text nicht schlampig erstellt hatte und ihn argumentativ weiterhin vertreten kann. Ich habe festgestellt, dass man am besten mit Beleidigungen aus den Tiefen des Internets umgehen kann, wenn man sich eine Excel-Tabelle anlegt, darin alle denkbaren Vorwürfe einträgt und diese bei Akutwerden nur noch abhakt: „Faschist“ … Moment! Ah, hier – liegt alphabetisch zwischen „Antisowjetismus“ und „Grüner“. Eingefangen am (Datum) auf (url). Bei der Gelegenheit: „Gutmensch“ ist auch noch offen.

Für weitere Vorschläge, was noch in die Tabelle müsste, bin ich jederzeit offen.

Nachtrag 2015: Abgehakt ist inzwischen auch „Putin-Troll“ (und damit auch „Kremlin“ und alles ähnliche), sowie „Troll“ allgemein. Ich hätte die Liste nach dem Schreiben dieses Artikels tatsächlich anlegen sollen. Wäre bestimmt lustig geworden. Gutmensch ist übrigens immer noch offen.


(* Ich hatte damals ein Problem mit einer LINUX-Installation und wagte mir, in einem entsprechenden Forum eine Frage zu stellen. Die Freaks am anderen Ende des Netzes interessierten sich aber weniger für mein Problem, sondern analysierten zunächst, ob ich das Usenet auch politisch korrrekt betreten hatte. Also mit der richtigen Software. Das war leider nicht so – ich hatte meine Frage per Outlook Express gesendet. Microsoft! Feindbild-Alarm! In den nächsten Sekundenbruchteilen analysierten sie meinen Absendeort. Meine Frage wurde nie beantwortet, aber es ergab verblüffende hasserfüllte Reaktionen. Fand ich sehr aufschlussreich.)

8 Comments

  1. Ist das wirklich ernst gemeint und keine Satire?

    Ich bin mal über ein Hardcore-Christen-Forum gestolpert dass sich als 4chanesker Gag entpuppte, aber erst nach sehr langem hinsehen…

  2. Ich war mir beim ersten zufälligen Entdecken auch unsicher, ob jemand so etwas Überzogenes* wirklich ernst meinen könnte? Aber anscheinend schon. Es gibt halt sehr bizarre Dinge im Netz der Netze!

    (* Derartige Dinge habe ich selbst zu DDR-Zeiten nie gehört oder gelesen)

  3. Ich habe Dich nicht beleidigt,
    und wenn war dies nicht meine Absicht,
    doch wie kannst Du dieses Regime verteidigen,
    und dazu noch so ignorant in Deinen Kommentaren sein?
    Ich gebe mir doch alle Mühe über das Wesen dieses Systems aufzuklären.
    Kannst Du Dich auch mal inhaltlich mit meinen Themen auseinandersetzen?

  4. Du meine Güte – selbstverständlich habe ich das nicht als Beleidigung aufgefasst. Der Artikel ist unter „Satire“ abgelegt. Du gibst Dir also alle Mühe, über das System aufzuklären? Und das mit Lobpreisung der Mauer, mit Huldigungen an koreanische Diktatoren, das alles in einem Sprachstil, wie ich ihn nicht einmal von 120%igen SED-Funktionären aus der DDR kannte? Wie soll man sich ernsthaft mit Themen inhaltlich auseinandersetzen, in denen es z.B. um die „weise Leitung des großen Führers und ewigen Präsidenten der DVRK Genosse Kim Il Sung geht (und da rede ich noch nicht von diesen peinlichen „Juchhe!“-gif-Animationen).

    Klar gab es positive Ansätze bei der Errichtung sozialistischer Staaten, aber eine derartig euphorische Geschichtsverklärung wie bei Euch habe ich noch nirgends erlebt. Ein Minimum an Substanz sollte selbst bei Vergangenheitsbeschönigung noch vorhanden sein, wenn man halbwegs ernst genommen werden will. Ich bin auch für eine bessere Welt, aber nicht auf diesem Argumentations-Niveau!

    Das Problem bei Eurem Blog ist, dass jeder zunächst denkt: Das ist ein Fake! Hier macht sich jemand einen Spaß, denn kein Mensch kann so weltfremd sein und das ernst meinen. Ich war auch lange im Zweifel, ob ich nicht darauf herein gefallen bin. Doch dann liest man die Kommentare und stellt fest: Doch! Tatsache – die meinen das ernst!

    Das kann man nur unter „äußerst bizarr“ einstufen. Eigentlich ist es traurig, zu beobachten wie sich Leute, die anscheinend etwas Positives bewirken wollen, in völlig absurden Ideen verzetteln.

  5. Nachtrag: Man ist ja immer neugierig, mit wem man es zu tun hat. Also habe ich kurz nach „Angela B…“ im Internet gesucht. Du musst ca. 19 gewesen sein als die Wende kam und lebst in Hannover. Warst Du jemals als Kind im Osten?

  6. Nein,
    aber in meiner Partei sind die Ossis absolut in der Mehrheit.
    89 war ich 16.
    Ich war auch nie im „dritten Reich“ und habe trotzdem eine Meinung dazu;
    weil ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten politisch und auch anderweitig bilde.

  7. Na, das erklärt viel, wenn Du die DDR nie selbst erlebt hast. Jemand, der sie bewusst erlebt hat könnte unmöglich so eine Verherrlichung betreiben. Wenn Du Dein Wissen nur von Parteimitgliedern hast, kann ich mir vorstellen, wie das abläuft. Die Altersstruktur kann man ja anhand der Geburtstagsglückwünsche in Euren Publikationen einsehen: Alles Rentner, die offensichtlich einer vergangenen Zeit nachtrauern. Das habe ich selbst oft genug erlebt, als sich 1995-97 bei uns in Dresden, im „Club für Dich“ in der Neustadt immer die PDS-Gruppe traf. Ausschließlich Rentner, die alle sehr verbittert wirkten und sich in verklärte Vergangenheitsbeschönigungen flüchteten. Wenn man nur solchen Menschen zuhört, erhält man ein verfälschtes Geschichtsbild!

    Dein Vergleich mit dem „Dritten Reich“ ist da nicht unpassend: Wenn man (im passenden Zeitalter) seine Kenntnisse darüber nur von Rentnern erhalten hätte, die einem vorschwärmten, dass es ja auch schöne Momente gegeben hätte … die Kameradschaft und so … dann müsste man sich auch nicht wundern, wenn vernünftigere Leute verwundert bis kopfschüttelnd reagieren, wenn man entsprechende „Weisheiten“ über diese Zeit weitergibt.

    Fällt Dir es nicht selbst auf? Überall, wo Du im Internet Deine Kommentare hinterlässt*, reagieren die Leute sehr verwundert und immer ablehnend. Falls Du Dir dadurch nach dem Prinzip „viel Feind – viel Ehr‘“ einredest, Recht zu haben … das könnte täuschen. Nur weil die Mehrheit nicht immer Recht haben muss, bedeutet das im Umkehrschluss nicht automatisch: Je kleiner und angefeindeter die Minderheit – desto mehr bestätigt das, dass sie Recht hat. Möglicherweise liegen auch einfach eklatante Denkfehler bei dieser Minderheit vor.

    (* Ich habe nur flüchtig gesucht und mir wurde ausreichend viel aufgelistet)

    Nochmal zu Deinem Vergleich mit dem „Dritten Reich“: Es geht nicht darum, dass man sich keine Meinung über Dinge bilden darf, die man nicht selbst erlebt hat. Es geht um die Verherrlichung von Zeitaltern bzw. Zuständen, die man nie selbst erlebt hat. Das darf man zwar tun – das hier ist ja ein freies Land – aber man sollte dann gegebenenfalls auch mit verwunderten Reaktionen klar kommen.

  8. Uuuh, Angela, wieder mal ein Beweis für mich, dass die „allerbesten Ossis“ aus dem Westen kommen 😉

    Also, mit Personen wie Dir, Angela, wäre die DDR sicher noch DDR-iger geworden – wie auch immer das dann ausgesehen hätte. Als stellvertretender Gruppenratsvorsitzender und zeitweiser Milchgeld-Kassierer hättest du mir sicher jeden Tag erzählt wie das so ist mit dem Kapitalismus 🙂

    Doch Spaß beiseite … kleine Empfehlung an dich und an alle anderen Interessierten … das Buch „Geliebte Zone“ von Birgit Lahann … hier mal eine nach 5-Sekunden Google gefundene Rezension – http://www.luise-berlin.de/lesezei/blz98_05/text27.htm … kannst vermutlich auch bei Amazon schauen.
    Wenn dich die DDR interessiert, dann kann ich dir auch „Das Magazin“ bis 1990 empfehlen.

    Die Beschäftigung mit der DDR-Geschichte könnte dir – und vielen anderen, vermutlich – vielleicht ein bisschen helfen, die Sache etwas differenzierter zu sehen. Die Welt verändern wollten schon viele, doch schräg (in allen Facetten) wurde es immer, wenn sie gleich mit der ganzen Welt anfangen wollten und nicht zunächst mit sich selbst 🙂

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