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Das Problem ist nicht Herr Guttenberg

Angenehm verlogen finde ich die aktuelle Diskussion um unseren Verteidigungsminister und die Bundeswehr in Afghanistan. Man kann sich gern darüber streiten, ob die Situation in Afghanistan bereits als „Krieg“ oder nur als „kriegsähnliche Handlungen“ eingestuft werden sollte (ich denke, ein richtiger Krieg läuft noch etwas anders ab). Ich kann auch nicht beurteilen, ob das Vorgehen bei den Tanklastzügen militärisch korrekt war oder nicht (ich war schließlich nicht dabei). Aber ganz unabhängig davon: Nun fordern plötzlich viele – anscheinend sehr engagierte – Leute „lückenlose Aufklärung“ und kritisieren, da gäbe es widersprüchliches Verhalten von verschiedenen Verantwortlichen. Klar gibt es das, aber ist das der Kern des Problems? Es sei „ethisch nicht angemessen“, wenn Zivilisten getötet werden, erklären besonders Schlaue. Na, sowas …

Ich bin immer für eine grundlegende und konsequente Betrachtungsweise. Und da stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Wir schicken Soldaten in ein anderes Land. Unsere Soldaten sind selbstverständlich gut bewaffnet. Waffen sind speziell und ausschließlich zum Töten hergestellte Dinge. Die Soldaten dürfen diese Waffen einsetzen (also gegebenenfalls jemanden töten), wenn gegen sie ein Angriff bevorsteht oder bereits durchgeführt wird. Das bedeutet also von vornherein, dass bei solchen Einsätzen Tote zu erwarten oder wenigstens möglich sind. Es ist weiterhin bekannt, dass bisher in jedem Krieg bzw. bei Kampfhandlungen auch immer Zivilisten umkamen. Um das zu erfahren, genügt ein Blick in entsprechende Statistiken. Ich halte es nun nicht gerade für eine besonders logische Verhaltensweise, aus allen Wolken zu fallen, wenn dann tatsächlich einmal etwas Entsprechendes vorfällt. Erstaunlich ist eher, dass so lange nichts passierte.

Wenn man später mit – eigentlich vorher absehbaren – Folgen nicht zurechtkommt, sollte man besser von vornherein keine Soldaten in Gebiete schicken, in denen Kämpfe stattfinden. Und wenn man es doch tut, soll man anschließend bitte nicht herum jammern oder gar plötzlich „Ethik“ einfordern. Krieg, Armee und alles Verwandte ist nun einmal grundsätzlich unethisch.

Ich will damit den Angriff auf die Tanklastzüge nicht entschuldigen. Wenn es Tote gab, ist das immer schlimm (auch wenn  sich die Zivilisten  anscheinend selbst nicht sehr intelligent verhalten haben, als sie zu den Tanklastern Benzin holen gingen), ich will auch zu Guttenbergs Verhalten nicht entschuldigen (er hat es zwar nicht verursacht, hätte aber auch nicht jeden Tag etwas anderes erzählen müssen), aber da nun so eine lückenlose Aufklärung gefordert wird, frage ich mich, wie diejenigen sich das vorstellen, wenn die Bundeswehr einmal in einen richtigen Krieg verwickelt würde. Dass da vor jedem Schuss immer erst 3 schriftliche Anträge und anschließend mehrere lückenlose Protokolle verfasst werden?  

Logisch wäre etwas anderes: Kein Afghane hat uns etwas getan. Unsere Freiheit muss nicht am Hindukusch verteidigt werden, weil sie von da auch nicht bedroht wird. Die Bundeswehr hat in Afghanistan nichts verloren. Wenn wir nun mit den Folgen dieser unsinnigen Einsätze nicht zurechtkommen, ist es nebensächlich, ob sich unser gut frisierter Herr Guttenberg widersprüchlich äußert, sondern dann sollten wir unsere Soldaten endlich einmal von dort abziehen. Und das dauert keine Jahre, wie uns Regierungsmitglieder gern einreden, sondern lediglich 8 Tage. Denn Militär zeichnet sich durch extrem gute Organisation aus. Es war immer ein Grundprinzip beim Militär, dass komplette Einheiten schnell verlegt werden können. Ich habe mir das kürzlich von einem Bundeswehrangehörigen erklären lassen (der gerade selbst wieder im Kundus ist): Bei der Bundeswehr gilt „X + 8“. Das bedeutet, es kommt am Tag X ein Befehl zur Verlegung einer Einheit und 8 Tage später ist alles Mobile verlegt. Soviel zum Thema, man könne „nicht kopflos aus Afghanistan“ abziehen. Und wirklich tun können die Soldaten dort ohnehin nichts: „Ja, wir fahren da schon mal in die Orte“, lies ich mir erklären, „aber das sind ja alles Gebirgstäler. Nachmittags müssen wir wieder zurück. Das wissen die Einheimischen und die Taliban natürlich und warten einfach ab, bis wir weg sind. Was danach passiert – darüber haben wir keine Kontrolle.“ Wenn man abziehen müsse, wäre es lediglich schade um die erbauten Stützpunkte, weil sie dann die Taliban nutzen würden.

Die wird man ja einfach sprengen können. Immer noch billiger, als jedem Soldaten den momentanen Tagessatz von 110 € weiter auszuzahlen. Da unsere Regierung gerade überlegt, wo man Geld sparen könnte – ich hätte da einen interessanten Ansatz …

2 Comments

  1. Nein, das Problem ist nicht (nur) Herr zu Guttenberg. Die Probleme sind:
    – Politiker, die dem Volk nicht die Wahrheit sagen. Der Einsatz wurde von Beginn an verharmlost und die Bundeswehr nur als „bewaffnete Aufbauhelfer“ hingestellt (auch wenn die Wortwahl etwas anders war). Die rot-grüne, schwarz-rote und nun auch schwarz-gelbe Regierung machen das bis heute (wenn auch seit 4 Wochen leicht abgeschwächt). Die interessante Frage ist nur warum. Offensichtlich wurde der Einsatz von allen Regierungen als richtig angesehen und offensichtlich hatten alle Angst davor dem Volk die Wahrheit zu sagen! Das rächt sich jetzt. Vor 7 oder 8 Jahren hätte eine Chance bestanden, das Volk vom Einsatz zu überzeugen. Heute ist diese Chance vertan, weil wegen der zu lange vorgetragenen Lügen kein vernünftiger Mensch mehr den Statements zu Afghanistan trauen kann.
    – Soldaten die Befehle nicht befolgen. Nach allem was man bisher weiß, wurden die Einsatzregeln (= Befehle) von Oberst Klein nicht befolgt. Es geht nicht darum, ob es richtig oder falsch ist Taliban gezielt zu töten. Wenn der Befehl einen Überflug (show of force) beinhaltet ist der einzuhalten! So funktioniert das Militär! Die Einsatzregeln machen ja in diesem Punkt auch durchaus Sinn.
    – Leute, die ständig einen sofortigen Abzug fordern ohne sich Gedanken über das „Danach“ zu machen. Die NATO und auch wir sind in Afghanistan einmarschiert um das Land zu stabilisieren. Damit haben wir Verantwortung übernommen. Dieser Verantwortung müssen wir auch gerecht werden. Das beinhaltet nicht, dass in jedem afghanischen Dorf alle Mädchen zur Schule gehen (auch wenn das mal die Begründung für den Einsatz war und zweifellos auch sehr wünschenswert ist). Es bedeutet aber, dass wir das Land soweit absichern müssen, dass es nach dem Abzug nicht vollständig im Chaos versinkt.

    So seh‘ ich das

    P.S. In Afghanistan ist „richtiger“ Krieg. Soweit ich weiß sehen das so ziemlich alle Verbündeten so und wir sollten uns doch von der Illustion verabschieden, dass der deutsche Sektor im Norden davon eine Ausnahme bildet.

  2. Naja, warum die Bundeswehr nur verharmlost als „bewaffnete Aufbauhelfer“ hingestellt wurde und wird, dürfte doch sein, um die ablehnende Meinung der deutschen Bevölkerung zu verbessern.

    Zitat: „ sofortigen Abzug fordern ohne sich Gedanken über das „Danach“ zu machen. Die NATO und auch wir sind in Afghanistan einmarschiert um das Land zu stabilisieren. Damit haben wir Verantwortung übernommen. Dieser Verantwortung müssen wir auch gerecht werden. (…), dass wir das Land soweit absichern müssen, dass es nach dem Abzug nicht vollständig im Chaos versinkt“

    Das Land zu stabilisieren, war nur der offizielle Grund. Ich weiß nicht, warum wir wirklich dort sind. Die Einheimischen haben uns auch nicht darum gebeten. Aber okay, insoweit hast Du Recht, dass durch unseren Einmarsch inzwischen einige veränderte Zustände im Land, zumindest in Kundus, entstanden sind. Die positiven Dinge sollte man natürlich nicht gefährden, indem man – wie von mir erwähnt – einfach innerhalb einer Woche komplett verschwindet. Mir geht es nur darum, dass immer so getan wird, als würde ein Rückzug Jahre dauern. Rein vom militärischen Gesichtspunkt her ist das zumindest nicht so. Außerdem macht auch unsere aktuelle Regierung keine sichtbaren Anstalten, überhaupt ernsthaft darüber nachzudenken.

    Ob das Land nachher im Chaos versinken würde? Möglicherweise wird nur derselbe Zustand eintreten wie vorher: Die Herrschaft lokaler Warlords, die vom Opiumanbau leben. Letztlich herrschen die ja auch jetzt längst wieder. Toll finde ich das nicht, aber es wurde durch unsere Soldaten nicht beeinträchtigt. Dann können sie auch abziehen.

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